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Kölsches HätzSo gedenken die Kölner ihrer Verstorbenen

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In Ehrenfeld zündet Kioskbesitzer Mohammad Hossein Resalati Kerzen für einen verstorbenen obdachlosen Kunden an.

In Ehrenfeld zündet Kioskbesitzer Mohammad Hossein Resalati Kerzen für einen verstorbenen obdachlosen Kunden an.

Nicht nur auf den Friedhöfen wird in Köln im November der Verstorbenen gedacht. 

Sie gelten als humorvoll, lebensfroh und heimatverbunden. Klischees über die Kölnerinnen und Kölnern beschreiben ihre legendäre Liebe zur Heimatstadt, zum Karneval, zum Kölsch und zum 1. FC Köln. Das Gedenken an Verstorbene kommt einem eher nicht in den Sinn, wenn man nach den herausragenden Merkmalen fragt. Dennoch: „Kölner können gut gedenken. Und ob.“ Das sagt einer, der es wissen muss: Christoph Kuckelkorn. Urkölner, Bestatter in fünfter Generation, Vollblut-Karnevalist.

Im November, wenn an vielen Tagen der Toten gedacht wird, beginnt für die Karnevalisten nicht nur die fünfte Jahreszeit. „An Allerheiligen, Allerseelen oder Totensonntag gehen viele Karnevalsgesellschaften auch in Uniform auf den Friedhof“, sagt Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval. Ob zum Grab des eigenen Präsidenten oder zu der Grabstätte verdienter Karnevalisten wie Willi Ostermann oder Karl Küpper.

Die Karnevalsgesellschaften pflegen das Gedenken

„Es ist wichtig, das Andenken hochzuhalten. Das bietet ein gutes Fundament. Gerade für so etwas Traditionelles wie den Karneval ist es wichtig, darauf zu schauen, wer was vorgelebt hat“, sagt Kuckelkorn. Neben der Würdigung des Verstorbenen habe das Gedenken unmittelbare Folgen auf jeden Einzelnen: Wer Erinnerungen an Verstorbene lebendig hält, werde sich auch immer seiner eigenen Endlichkeit bewusst. Und er finde auch Trost.

Christoph Kuckelkorn mit dem Kölner Dom im Hintergrund.

Christoph Kuckelkorn kennt sich als Präsident des Festkomitees Kölner Karneval und Bestatter mit kölschen Traditionen ebenso aus wie mit dem Gedenken an Verstorbene.

Karnevalslieder bringen Gedenken und Frohsinn unter einen Hut

Gerade im Karneval und insgesamt bei Feiern wird die Lücke spürbar, die Verstorbene hinterlassen haben. Das Erinnern an der Theke, beim Feiern gehört dazu. Dann werden Anekdoten ausgetauscht. Es wird dann auch angestoßen auf den Jupp. Karnevalslieder wie „So lang mer noch am Lääve sin“ von Brings oder „Alle Jläser huh!“ von Kassala bringen Gedenken, Frohsinn und Sterblichkeit unter einen Hut. „Lustvolles Erinnern“, nennt Kuckelkorn das. Auch wenn es schmerzhaft sein kann.

Totenkaffee als Start in eine gute Erinnerungskultur

„Es ist so wichtig, Erinnerungen hochkommen zu lassen. Wenn sich etwas nach vorne drängt, soll es kommen, das gehört zu einem gesunden Trauerprozess. Es wird immer tiefer verarbeitet“, sagt Kuckelkorn, dessen Vater Fro im vergangenen Jahr gestorben ist.  Der Bestatter, der auch ein Buch über den Tod geschrieben hat, ist überzeugt, dass mit dem Totenkaffee der Start einer guten Erinnerungskultur gelingt. „Dabei werden Erinnerungen ausgetauscht, unterschiedliche Erfahrungen mit dem Verstorbenen erzeugen ein komplexes Bild.“

Die sogenannten Geisterräder erinnern an verstorbene Radfahrer.

Die sogenannten Geisterräder erinnern an verstorbene Radfahrer.

Gemeinsames Gedenken im Rheinenergie-Stadion

In weitaus geselligerer Runde von vielen tausend Fans gedenkt der 1. FC Köln der verstorbenen Mitglieder. Etwa 90 Minuten vor jedem Heimspiel werden im Rheinenergie-Stadion die Vereinsmitglieder geehrt, die seit dem letzten Heimspiel verstorben sind. „Die Namen der Verstorbenen werden auf der Leinwand eingeblendet zu einer Instrumentalversion von Loch Lomond in Anlehnung an unsere Hymne“, erklärt Pressesprecherin Lil Zercher. Das diene zur Ehrung und Wertschätzung. „Bei besonders bedeutsamen Persönlichkeiten aus der FC-Geschichte oder der Bundesliga-Geschichte oder der Zeitgeschichte gibt es einen Ehrenapplaus oder eine Gedenkminute in Absprache mit oder angeregt von der Deutschen Fußball-Liga“, ergänzt Zercher.

Fan-Gedenken des 1. FC Köln.

Fan-Gedenken des 1. FC Köln.

Diese Ehrung von öffentlich bedeutsamen Verstorbenen setzt sich in der Namensgebung von Straßen und Plätzen fort. Steigerungen sind Ehrenmale und Skulpturen, wie im vergangenen Jahr das Hans-Süper-Denkmal in Sülz.  Dass den Kölnerinnen und Kölnern bei allem Spaß an der Freud hier auch das Gewicht der Entscheidung bewusst ist, belegt nicht zuletzt der Kampf um einen Dirk-Bach-Platz vor der Oper.

Die Grabstätte des Karnevalisten Hans-Gert Kierdorf auf dem Melatenfriedhof

Erinnern im öffentlichen Raum

An tragische Unfälle erinnern die weißen Fahrräder, die der ADFC und andere zum Gedenken an Radfahrer, die tödlich verunglückt sind, aufstellen. Immer wieder im Stadtbild finden sich auch kleine Gedenkstätten für tödlich Verunglückte. So zum Beispiel an der Kreuzung Barbarastraße/Boltensternstraße in Riehl. Dort starb im Mai 2021 eine 28-jährige Joggerin bei einem Unfall mit einem Auto. „Die Stadtverwaltung geht pietätvoll mit privaten Gedenkstätten im öffentlichen Raum um und entscheidet im Einzelfall, ob beziehungsweise wann eine Gedenkstätte entfernt werden muss“, teilt ein Stadtsprecher auf Nachfrage mit.

Gedenken an einen obdachlosenen Kioskkunden

An seiner eigenen Hauswand hat Kioskbesitzer Mohammad Hossein Resalati in Ehrenfeld einen kleinen Gedenkort für Roberto eingerichtet.  Der Obdachlose lebte fünf Jahre in einem Zelt neben dem Kiosk, bis er am 10. Oktober 2024 im Krankenhaus verstarb. „Roberto war ein sehr netter Mann. Er gehörte zur Familie. Wir haben ihm jeden Tag ein warmes Essen gegeben. Ich mache jeden Tag eine Kerze für ihn an. Ich kann ihn nicht vergessen“, sagt Resalati. Auch Nachbarn und Freunde haben eine Gedenkbotschaft für Roberto an die Hauswand geklebt. Sie schreiben: „Danke, dass du unser Zuhause immer mit deinem Strahlen geflutet und mit deinem Lachen gefüllt hast.“