Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert, mit Hochhäusern mehr Wohnraum in Köln zu schaffen und Flächen für Gewerbe und Industrie zu sichern. Leih-E-Scooter sollten verboten werden, findet der DGB.
Leitsätze zur KommunalwahlDGB plädiert für mehr Hochhäuser in Köln

Der Wohnungsbau in Köln schwächelt. Voriges Jahr wurden in der Stadt lediglich 1819 Wohnungen fertiggestellt (Symbolbild).
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Am 14. September ist es so weit. Köln wählt den neuen Stadtrat und die Nachfolge für Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat zur Kommunalwahl Leitsätze unter dem Motto „Effektiv, zukunftsfähig, sozial gerecht“ präsentiert und gibt Empfehlungen für die Politik. In der Rundschau-Redaktion sprachen Judith Gövert, Geschäftsführerin des DGB Region Köln Bonn, und Witich Roßmann, Vorsitzender des DGB-Stadtverbands Köln, über zentrale Punkte.
Motivation:
Dass der DGB kommunalpolitische Forderungen erhebt, leite sich vom Einsatz für sichere Arbeitsplätze, bessere Arbeitsbedingungen und gerechte Verteilung der Wertschöpfung ab, betont Judith Gövert. „Alle kommunalen Leistungen beruhen auf der Arbeitsleistung von Erwerbstätigen. Daraus erwächst der Anspruch, dass diese Leistungen denen zugutekommen, die sie finanzieren, und dass die Kommune mit den Finanzmitteln effizient und sparsam umgeht.“
Ausgangslage:
Vieles in Köln bleibe hinter den Planungen zurück – ob Wohnungsbau, Ausbau von ÖPNV und E-Mobilität oder Sanierung der Kulturbauten. Die Stadtverwaltung arbeite teils ineffizient. „Verbesserungspotenzial sehen wir vor allem bei den Strukturen der Dezernate, wo man sich zum Teil gegenseitig blockiert, weil das Schnittstellenmanagement offensichtlich nicht funktioniert“, so Gövert. Beim Bau einer E-Ladesäule seien 18 Ämter involviert. „Wenn ich mir ansehe, wie das in anderen Kommunen läuft, glaube ich, dass Köln noch Optionen zur Vereinfachung hat.“

Judith Gövert (l.), Regionsgeschäftsführerin der DGB-Region Köln-Bonn und Witich Roßmann, Vorsitzender des DGB-Stadtverbands Köln.
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Defizite in der Verwaltung:
Die Zahl der Stellen in der Stadtverwaltung ist laut DGB zwischen 2013 und 2023 um 4600 Beschäftigte gewachsen, ein Plus von 27,5 Prozent. Witich Roßmann kritisiert, nach der Kommunalwahl 2020 seien manche Strukturen dadurch zustande gekommen, dass man „zuerst Entscheidungen über Personen getroffen und dann Dezernate entsprechend aufgeteilt und sogar zwei neue Dezernate geschaffen“ habe. „Das führt zu Strukturen, die nicht besonders viel innere Logik haben.“
Besonders auffällig sei das beim Thema Wohnen und Bauen, das über vier Dezernate verteilt sei. Im Dezernat VI sind die Ämter Gebäudewirtschaft und Bauaufsicht angesiedelt, im Dezernat IV der Schul- und Sportstättenbau, im Dezernat V das Wohnungswesen und im Dezernat III die Ämter für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau sowie Straßen- und Radwegeausbau. „Diese Strukturen führen zu langen Bearbeitungszeiten und sind zu hinterfragen. Das muss jetzt öffentlich diskutiert werden“, so Roßmann.
Gewerbe und Industrie:
Köln brauche zukunftsfähige Arbeitsplätze, müsse Flächen für Gewerbe und Industrie sichern – für bestehende Betriebe und für Neuansiedlungen. „2023 wurden 239 Unternehmen, die nach Köln kommen wollten, von der Stadt abgelehnt, weil seit 2011 rund 43 Hektar für gewerblich-industrielle Nutzungen verlorengegangen sind“, kritisiert Gövert. Für weitere 140 Hektar GI-Flächen sei die Umwidmung beschlossen. Der Trend müsse gestoppt werden. „Die Stadt muss neue Prioritäten setzen, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten.“
Wirtschaftsförderung:
Kritik übt der DGB auch an der Privatisierung der Wirtschaftsförderung. Die Stadtverwaltung habe früher „ein relativ starkes Wirtschaftsdezernat“ gehabt, doch das sei fatalerweise in drei Teile aufgeteilt worden, sagt Roßmann. Aus der ehemals städtischen Abteilung Wirtschaftsförderung sei mit der Köln Business Wirtschaftsförderung GmbH (KBW) „eine eigenständige Gesellschaft mit 88 festangestellten Mitarbeitenden und deutlich erhöhten Kosten“ entstanden.
Hier habe sich etwas verselbständigt, es seien parallele Strukturen zur Stadtverwaltung, IHK und Handwerkskammer entstanden. „Unterm Strich kommt dabei zu wenig heraus für die Ansiedlung neuer Unternehmen in Köln. Kosten und Effizienz der KBW sind kritisch zu überprüfen“, fordert Roßmann.
Wohnen:
Dass der DGB mehr bezahlbaren Wohnraum in Köln fordert, wie es praktisch alle Parteien in ihren Programmen tun, überrascht nicht. Darin schließt sich der Wunsch an, die Stadt solle mehr Flächen für den Wohnungsbau bereitstellen, und zwar überwiegend in Erbpacht. Auch solle die Stadt Köln selbst mehr Wohnraum schaffen, und zwar in Form von Mitarbeiterwohnungen und Azubiwohnheimen.
Die Pflichtquote für Sozialwohnungen solle von 30 auf 50 Prozent steigen. „Es muss schneller, billiger und höher gebaut werden“, betont Gövert. „Ein Hochhaus wie das Unicenter bietet Wohnraum für 2000 Menschen – mehr als in einigen Kölner Stadtteilen leben.“
Mobilität:
Neben einem beschleunigten Ausbau des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs mit Anbindung aller Stadtviertel fordert der DGB eine weitgehend autofreie Innenstadt, „die Pkw- und Nutzfahrzeugverkehre nur noch für Anwohnende sowie notwendige Dienstleistungs- und Logistikverkehre zulässt“. Gleichzeitig setzt er sich dafür ein, in Köln sowohl „ein schnelles und stabiles Straßengrundnetz“ als auch „ausreichende und preiswerte öffentliche Parkzonen“ zu erhalten.
„Die Mobilitätswende muss sozialverträglich geschehen. Mobilität darf kein Privileg für Reiche sein“, sagt Gövert. Die Stadt solle die Transformation des Autoverkehrs hin zu E-Mobilität und emissionsfreien Antrieben stärker fördern und mehr Ladesäulen errichten. Bei der Ost-West-Achse legt sich der DGB nicht auf Tunnel oder oberirdischen Ausbau fest. „Wichtig ist, dass der Ausbau des ÖPNV in allen Stadtteilen forciert wird“, so Roßmann.
E-Scooter:
Überraschendes Detail: Der DGB fordert ein Verbot von elektrischen Leihrollern in Köln, wie es die französische Hauptstadt Paris bereits 2023 eingeführt hat. „Das ist nicht unser Hauptanliegen, aber wir wollten auch ein umstrittenes Thema aufgreifen“, sagt Roßmann. „Leih-E-Scooter waren als nachhaltige Mobilitätslösung gedacht. Das sind sie aber nicht, sie werden heute primär als Spaßgefährt genutzt, mit dem die Nutzer häufig sich und andere gefährden. Sie stehen oft im Weg, versperren Bürgersteige, und sind für viele ein Ärgernis.“
Bildung:
Im gesamten Bildungsbereich sieht die Gewerkschaft „riesigen Handlungsbedarf“, vor allem in den Kitas. Für viele berufstätige Eltern sei die Kita-Situation desolat. „Sie finden entweder keine bedarfsgerechte Betreuung oder überhaupt keinen Platz“, so Gövert. Hinzu komme: „Viele in der Erziehungsarbeit Beschäftigte gehen auf dem Zahnfleisch, bei anderen steht bald die Rente an, das wird uns um die Ohren fliegen.“ Die Stadt müsse mehr tun, um Fachkräfte zu halten und zu gewinnen – mit attraktiver, gerechter Bezahlung, guten Arbeitsbedingungen und Wohnungsangeboten.
Klimapolitik:
Köln soll bis 2035 klimaneutral sein, hat der Stadtrat beschlossen. Der DGB fordert, sich bei der Umsetzung auf „wirksame, umsetzungsfähige Projekte“ zu konzentrieren, bei allen Klimaschutzmaßnahmen auf soziale Gerechtigkeit zu achten und der Klimaresilienz – also der Widerstandsfähigkeit gegen Wetterextreme und die Folgen der Erderwärmung – mehr Gewicht beizumessen. „Wir wünschen uns, dass man sich auf die Maßnahmen fokussiert und diese dann aber auch beherzt umsetzt, die am Ende einen positiven Effekt haben“, so Gövert. Klimapolitik müsse für die nächste Oberbürgermeisterin oder den nächsten Oberbürgermeister Chefsache werden.
Sozial gerechte Beschlüsse:
Seit Jahren stellt die Kölner Stadtverwaltung bei jedem Beschluss des Stadtrats dar, welche Auswirkungen er auf den Klimaschutz hat. „Wir möchten, dass künftig auch jeder Ratsbeschluss darauf geprüft wird, ob er eigentlich sozial gerecht ist und wer davon profitiert“, erläutert Gövert. „Die Politik muss sich an den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung orientieren sowie von Azubis, Studierenden und Senioren.“
Politische Präferenzen:
Eine Wahlempfehlung gibt der DGB nicht ab. „Wir sind jederzeit zum Austausch mit allen demokratischen Parteien bereit“, sagt Gövert. „Nach der Kommunalwahl werden wir jede Partei kritisch beobachten“, kündigt Roßmann an.