Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Bahnbrechende Experimente in KölnMedikamente verlängern Mäuseleben um 30 Prozent

5 min
Die Wirkstoffe Rapamycin und Trametinib in zwei kleinen Flaschen, die einer Eiswanne liegen

Die Wirkstoffe im Fokus der Studie heißen Rapamycin und Trametinib. Sie wurden für die Tests kombiniert und werden einzeln bereits zur Krebstherapie genutzt.

Das Forschungsteam hofft, dass die Wirkstoffe auch beim Menschen für ein längeres und vor allem gesünderes Leben sorgen könnten.

Die Endlichkeit unseres Daseins – seit über zwei Jahrzehnten forscht der Biologe Dr. Sebastian Grönke, um sie zu verstehen. Eine Frage treibt den Kölner dabei an: Wie können wir unseren Alterungsprozess beeinflussen? Zahlreiche Experimente später ist er der Antwort deutlich nähergekommen. Die Ergebnisse von insgesamt über zehn Jahren entsprechender Forschungsarbeit wurden Anfang August im Rahmen einer Studie veröffentlicht, die auf den ersten Blick scheinen kann, wie ein Schritt in Richtung ewiges Leben.

Im Kölner Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns experimentierte das Team unter der Leitung von Dr. Grönke und Prof. Linda Partridge mit rund 900 Mäusen. Zum weltweit ersten Mal testeten sie dabei die Wirkung einer speziellen Kombination von zwei Medikamenten. Das Ergebnis: „Wenn man den Tieren die beiden Stoffe zusammen verabreicht, leben sie rund 30 Prozent länger und zudem gesünder“, erklärt Grönke.

Über Jahre wurden die Labormäuse für das Experiment untersucht.

Über Jahre wurden die Labormäuse für das Experiment untersucht.

Die durchschnittliche Lebensdauer der weiblichen Mäuse sei deshalb von etwa zwei Jahren auf rund drei Jahre gestiegen, bei Männchen stieg sie von knapp zwei Jahren auf rund 2,5 Jahre. „Die Tiere waren durch die Medikation außerdem geschützt gegen bestimmte altersbedingte Erkrankungen. Zum Beispiel traten weniger Entzündungsreaktionen im Gehirn auf.“

Finanziert wurde die Studie laut Grönke ausschließlich durch öffentliche Gelder, Firmen seien daran nicht beteiligt gewesen. Geldgeber sei einerseits die Max-Planck-Gesellschaft, die laut eigenen Angaben hauptsächlich von Bund und Ländern finanziert wird. Andererseits habe das Team einen Zuschuss genutzt, den Dr. Partridge von der EU erhalten habe. Zu beziffern, wie viel die Studie gekostet hat, sei laut einer Sprecherin nicht möglich.

Die Stars der Show sind zwei Krebsmedikamente, die einzeln schon seit Längerem für die Behandlung von Menschen zugelassen seien: Rapamycin und Trametinib. Eine lebensverlängernde Wirkung bei Mäusen war bisher nur bei dem Wirkstoff Rapamycin bekannt.

Der Biologe Dr. Sebastian Grönke leitete die Studie.

Der Biologe Dr. Sebastian Grönke leitete die Studie.

Die ersten Tests laufen derzeit auch am Menschen, um zu prüfen, in welcher Dosis er als „Anti-Aging-Medizin“ eingesetzt werden kann. Anders sieht das bei Trametinib aus. Auch hier leistete das Kölner Team Pionierarbeit und testete den Wirkstoff erstmals auf eine lebensverlängernde Wirkung. Einen „relativ moderaten Effekt von fünf bis zehn Prozent“ habe er auf die Mäuse gehabt.

„Zusammen wurden die Wirkstoffe erst an Fruchtfliegen getestet. Das hat ihr Leben um rund 50 Prozent verlängert. Weil es bei der Maus mit rund 30 Prozent ja weniger war, kann es durchaus sein, dass sich der Effekt beim Menschen nochmal verringert. Die Hoffnung wäre aber, dass die Wirkstoff-Kombination die durchschnittliche Lebenszeit um 15 bis 20 Prozent verlängert“, sagt Grönke.

Bei Frauen und Männern in Deutschland wären das dementsprechend bis zu 16 oder 17 Lebensjahre mehr. „Aber das ist im Prinzip komplette Spekulation. Wir müssen nun klinische Studien abwarten.“ Ob und wann die Wirkstoffkombi für Menschen zugänglich wird, stehe also in den Sternen.

Nach so etwas wie Unendlichkeit strebe der Kölner Biologe aber nicht. „Das finale Ziel ist es wirklich, dass wir gesünder altern und nicht unbedingt, dass wir extrem alt werden.“ Viele altersbedingte Erkrankungen seien heute teilweise immer noch nicht behandelbar. Dazu gehören vor allem solche, die zu einem Verfall des Gehirns führen, so wie Alzheimer oder Parkinson. „Wenn man den Alterungsprozess besser versteht, kann man mit diesem Wissen hoffentlich das Auftreten solcher Krankheiten entweder etwas weiter nach hinten verzögern oder ganz verhindern.“

Die Eingangshalle des Instituts in Lindenthal

Die Eingangshalle des Instituts in Lindenthal

In den USA werde Rapamycin trotz unabgeschlossener Studien aktuell bereits von Leuten genommen, weil sie sich davon ein längeres Leben erhoffen. „Es handelt sich dabei um einen Stoff, den es nur in bestimmten Bakterien auf den Osterinseln gibt. Die Bakterien nutzen ihn als Anti-Pilz-Mittel, dann wurde aber herausgefunden, dass er auch das Wachstum von humanen Zellen hemmt. Deswegen ist Rapamycin für die Tumorforschung so wichtig. Der Stoff wirkt auf einen Schalter in der Zelle – den sogenannten TOR-Signalweg. Er kann die Zelle sozusagen vom Modus Wachstum auf Modus Notbetrieb umschalten“, erklärt Dr. Grönke. „Dieser Notbetrieb beinhaltet auch, dass Reparatur- und Recyclingprozesse in der Zelle aktiviert werden, und das fördert die Langlebigkeit.“

Trametinib blockiere über einen anderen Signalweg ebenfalls das Zellwachstum. Dass diese Wirkung auch eine Rolle für ein langes Leben spielt, habe das Team jetzt durch seine Experimente mit dem Wirkstoff beweisen können. Warum genau das der Fall ist, sei jedoch noch unbekannt.

Hoffnung auf weitere Forschung

Da es noch keine Erkenntnisse zur dauerhaften Einnahme von Rapamycin oder Trametinib zur Lebensverlängerung im Menschen gebe, seien auch noch keine Nebenwirkungen bestätigt. Weil die Experimente der Kölner Forscherinnen und Forscher zum einen mit Mäusen und zum anderen in einer niedrigen Konzentration stattfanden, können sie keinen richtigen Aufschluss darüber geben.

In den Tieren sei es durch   Rapamycin zu einer Art Diabetes und einer Verkleinerung der Hoden gekommen, die nach dem Absetzen des Medikaments jedoch rückläufig gewesen sei. Durch Trametinib allein sei es zu keinen Nebenwirkungen gekommen. Durch die Kombination der Stoffe sei es zu keinen zusätzlichen Nebenwirkungen gekommen.

Dr. Grönke hoffe jetzt darauf, dass weitere Forschende die Erkenntnisse seines Teams nutzen, um die Wirkstoffkombi weiter zu erforschen. Um sein Leben zu verlängern, müsse man genaugenommen aber nicht unbedingt darauf warten. „Man kann schon jetzt einiges machen. Das erfordert jedoch einen hohen Disziplinaufwand. Schon der Verzicht auf Schadstoffe wie Alkohol und Tabak bringt natürlich sehr viel. In Kombination mit einem Sportprogramm und einer mediterranen Diät, zu der Fisch, wenig Fleisch und viele Hülsenfrüchte gehören, kann man laut mehreren Studien durchaus fünf bis zehn gesündere Lebensjahre gewinnen.“