Gruppe an der SporthochschuleTischtennis gegen die Parkinson-Erkrankung

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Mit vollem Einsatz: In erster Linie geht es um den Sport, die Konzentration auf den Plastikball hilft.

Mit vollem Einsatz: In erster Linie geht es um den Sport, die Konzentration auf den Plastikball hilft.

Die Teilnehmer sprechen auch mal über ihre Krankheit, die Auwirkugnen  und den Verlauf. Im Vordergrund steht aber der Sport.

Sobald Michael Kever einen Ball sieht, muss er einfach hinterher. „Das ist so ein Reflex, ich konzentriere mich voll darauf“, sagt der 57-Jährige und schmettert an der Tischtennisplatte in der Sporthochschule den kleinen Ball übers Netz, als gebe es seine Krankheit nicht. „Ich fühle mich im Training besser als sonst im Alltag.“ Kever erhielt 2008 die Diagnose Parkinson - eine bisher nicht heilbare Erkrankung des zentralen Nervensystems. Zu typischen Symptomen gehören Bewegungsstörungen wie Zittern, Gefäßsteifigkeit, Gangunsicherheiten.

Beim Ping Pong zittern seine Hände nicht, Muskeln verkrampfen weniger, er läuft geschmeidiger. „Ich brauchte auch meine Dosis Medikamente seitdem nicht zu erhöhen“, beschreibt er positive Effekte seines regelmäßigen Tischtennistrainings. „Man kommt raus aus der Unbeweglichkeit, es stärkt die Widerstandskräfte. Vor allem kommt man unter Leute!“

Spoho-Experte Dr. Timo Klein-Soetebier und Jens Rattai (r.)

Spoho-Experte Dr. Timo Klein-Soetebier und Jens Rattai (r.)

Ping Pong gegen Parkinson, Halle 10 Kölner Sporthochschule, Freitag 17 Uhr: An fünf Tischen fliegen die kleinen Plastikkugeln hin und her. Vorhand, Rückhand, Schmettern. Einige der 55- bis Ende 70-jährigen stehen etwas gebückt oder wirken ein wenig steif, alle sind mit Elan und Spaß bei der Sache.

Einmal die Woche kommen die rund 20 Teilnehmenden der Müngersdorfer Gruppe des deutschen Vereins „PingPongParkinson“ (siehe Infotext) zusammen, feilen mit einem Trainer der Profi-Tischtennisabteilung des 1. FC Köln an Technik und Taktik. Im Vordergrund steht der Sport. Sie sprechen auch mal über ihre Krankheit und Auswirkungen von Tischtennis auf ihre Erkrankung und den Verlauf. Dieser noch weitgehend unerforschten Frage wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Sporthochschule mit einem einzigartigen Forschungsprojekt nachgehen.

Stützpunktleiter leidet und Lähmung des rechten Armes

Leiter des Vereinsstützpunkts an der Spoho ist Jens Rattai. Mit einer Lähmung des rechten Armes fing es bei ihm vor elf Jahren an. „Der Neurologe stellte schnell die Diagnose. Das war ein großer Schock“, sagt der 57-Jährige, der bei Ford im Marketing tätig war und begeistert Sport trieb. Dass er mal wieder an Sport-Wettkämpfen teilnehmen würde, schien weit in die Ferne gerückt. Bis er vom Verein PingPongParkinson hörte - seit 2021 die Spoho-Gruppe aufbaute und sogar an der WM teilnahm.

Mit Tischtennis trotzt Rattai sportlich seiner Krankheit. Er unterstützt zudem andere Betroffene dabei, gemeinsam aktiv zu sein. Es sei wichtig, sich nicht zurückzuziehen. Bewegung helfe, Beeinträchtigungen zumindest zeitweise zu lindern. „Beim Tischtennis blendet das Gehirn wohl einiges aus, bei einigen hört das Zittern auf, die Konzentration aufs Spiel überlagert offenbar andere Regionen“, meint er.

Begleitende Untersuchungen für Studie

Ob und warum Tischtennis unterschiedlichste Parkinson-Symptome mildern kann, wollen Spoho-Experten erstmals systematisch erforschen. In begleitenden Studien führen sie bereits Untersuchungen in der Gruppe durch, zum Beispiel Messungen der Herzfrequenz, von Koordination, Gleichgewicht und Reaktionsvermögen an Geräten wie dem Flugsimulator.

Als Leiter des Bereiches Tischtennis im Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Spoho begleitet Dr. Timo Klein-Soetebier das Projekt. Für die PingPongParkinson-WM in Berlin erarbeitete der Experte bereits 2021 mit Medizinern und Neurologen die Turnierkonzeption.

Erste Befragungen und Beobachtungen ergaben, dass das konzentrierte feinmotorische Agieren an der Platte sich positiv auswirken kann, sich Zittern verringert und die Motorik flüssiger wirkt, sagt Klein-Soetebier. Er bereitet gerade Anträge für eine Förderung des Projekts vor. Bisher gibt es nur kleine Untersuchungen. Er plant eine umfassende wissenschaftliche Studie für 80 bis 100 an Parkinson erkrankten Menschen mit verschiedenen kognitiven, neurologischen und motorischen Tests.

Dabei kooperiert das Team unter anderem mit dem Institut für Sportwissenschaft der Universität Münster. Am Kölner Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin untersuchen Wissenschaftlerinnen in Tischtennis-Trainings in der Halle und mit dem Einsatz von Virtual Reality-Brillen Effekte zum Beispiel auf die Gefäßsteifigkeit. Es gibt erste Belege, dass die Gefäße nach dem Tischtennis elastischer sind. Klein-Soetebier: „Wir möchten noch mehr Parkinson-Betroffenen ermöglichen, länger beweglich und aktiv zu bleiben.“

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