Der kleine Buchladen Olitzky in Sülz/Klettenberg, geführt von Nora und Manfred Ruland, schließt nach Jahrzehnten – eine Institution geht.
GeschäftsaufgabeBuchhandlung Olitzky in Klettenberg schließt nach Jahrzehnten

Nora und Manfred Ruland vor ihrer Buchhandlung an der Luxemburger Straße.
Copyright: Susanne Esch
Im sibirischen Irgendwo in den 80er-Jahren. Hunderte Meilen östlich von Moskau hausen Jung und Alt als „Kommunalka“ (russisch für Wohngemeinschaft) zusammen in einer heruntergekommenen Gründerzeitwohnung, in Überbleibseln vergangener Pracht und aktueller Ratlosigkeit, zwischen Hoffnung und Resignation. Der Roman „Zukunftsmusik“ der russischen Autorin Katerina Poladjan vermittelt die Absurdität des Alltags in einer Zeitenwende – und wurde vor einigen Jahren gerne von Nora Ruland ihrer Kundschaft empfohlen, die sich per Buch ein Bild von dem Land machen wollten, das gerade einen Krieg begonnen hatte.
Tipps zu handverlesenen Neuerscheinungen, zu literarischen Blicken auf aktuelle welt- oder gesellschaftspolitische Geschehnisse sind die Spezialität von Nora und Manfred Ruland. Kunden und Kundinnen der Buchhandlung Olitzky müssen leider künftig verzichten, denn Nora und Manfred Ruland schließen ihr Geschäft Ende Juni nach 44 Jahren endgültig.
Über 40 Jahre mit spannenden Menschen
Abschiedsschmerz ist zwar spürbar, wenn sie derzeit mit ihren Kunden sprechen, allerdings überwiegt ein anderes Gefühl: Dankbarkeit. „Wir schließen ja aus Altersgründen“, sagt Nora Ruland. „Wir sind beide über 70 Jahre alt und dankbar dafür, dass wir gesund geblieben sind, und diese schöne Zeit erleben durften. Es war kreativ. Wir haben spannende Menschen kennengelernt und so viel gelernt.“
Nora und Manfred Ruland waren knapp 30 Jahre jung, als sie die Buchhandlung Olitzky, wo Nora Ruland zunächst angestellt war, als junges Buchhändlerpaar übernahmen. Das heute hochpreisige Klettenberg war damals von einer besonderen Bevölkerungsmischung besiedelt. „In den großen, aber damals noch einfachen Wohnungen, die teilweise noch keine Heizungen hatten, lebten Wohngemeinschaften und Lehrer – und alle fuhren einen roten Passat“, sagt Manfred Ruland. Letztere Aussage sei angelehnt an die Nummer einer Stunksitzung, aber schon nahe an der Wahrheit.

Das Schaufenster der Buchhandlung Olitzky.
Copyright: Susanne Esch
Die Buchhandlung und ihre Kundschaft inspirierten einander
Das Klientel der Buchhandlung war angenehm unprätentiös. „Es waren durchaus bedeutende Menschen unter unseren Kunden, aber das Miteinander war stets auf Augenhöhe“, erzählt Manfred Ruland. Die Kundschaft führte im Laden politische Diskussionen. Das Buchhändlerpaar lieferte den passenden literarischen Stoff. Es wuchs mit seiner Kundschaft zusammen, ließ sich bei der Auswahl von ihren Interessen inspirieren und hatte nach vielen Jahren dann schließlich für jeden Stammkunden und jede Stammkundin den passenden Lesetipp.
Aus ihren Einblicken in die Neuerscheinungen erstellten sie jeweils einen eigenen Katalog mit Empfehlungen, jenseits der Spiegelbestsellerliste, mit der sie sich nicht unbedingt identifizieren konnten.
Sommer- und Winterblättern sowie Freundschaften
Auf der Basis der selbst zusammengestellten Kataloge kreierte Nora Ruland schließlich eine Veranstaltung: Das „Sommer- und das Winterblättern“, mit dem sie persönlich ihre neuesten Lieblingsbücher vorstellte. Sie veranstalteten Lesungen, Buchausstellungen in Schulen, Kitas und Bibliotheken, Stadtteilführungen mit Bruno Knopp. Die Buchhandlung war ein Treffpunkt und ein Ort, wo Freundschaften geschlossen wurden, auch zu Autoren, beispielsweise mit dem deutsch-syrischen Autor Rafik Schami dessen Roman „ein Handvoll Sterne“ 2015 zum „Buch für die Stadt“ gekürt wurde. Er schaut bei jedem seiner Aufenthalte in Köln in der Buchhandlung Olitzky vorbei.
Die Werke von Autoren und Autorinnen aus Sülz und Klettenberg fanden sich ebenfalls stets auf dem Büchertisch der Buchhandlung, wo nun die letzten Gespräche und politischen Diskussionen stattfinden, voller Wehmut und angesichts der weltpolitischen Lage ohne den einst vorhandenen Optimismus, dass die Gesellschaft sich zum Positiven verändern würde.
Manfred Ruland bedauert das Sterben des Einzelhandels durch den Onlineverkauf. „Die Luxemburger Straße ist nicht gerade eine Einkaufsmeile“, sagt Ruland. Das ist auch der Grund, warum das Paar keinen Nachfolger oder Nachfolgerin für ihren Buchladen gesucht hat: „Jemand, der nicht so ins Viertel eingebunden ist wie wir, hätte es hier sehr schwer“, so Manfred Ruland.