„Mietvertrag unwirtschaftlich“Rechnungsprüfer bestätigen Skandal um Stadthaus in Köln-Deutz

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Das Stadthaus in Köln-Deutz

Bei den Geschäften um den Bau des Stadthauses ist der Stadt Köln nach einem Bericht des Rechnungsprüfungsamtes ein finanzieller Schaden entstanden.

Bei der Anmietung des Stadthauses in den 90ern hat die Kölner Verwaltung auf ein Vorkaufsrecht verzichtet. Damit war das ganze Projekt unwirtschaftlich, urteilt das Rechnungsprüfungsamt.

Hat die Kölner Stadtverwaltung in den 1990er-Jahren beim Bau der Kölnarena und des Technischen Rathauses den Stadtrat hinters Licht geführt und wissentlich Verträge zum Nachteil der Stadt geschlossen? Diese Frage hat die Rundschau am 12. Mai 2023 gestellt. Nun liegt eine Antwort des städtischen Rechnungsprüfungsamtes (RPA) vor. Demnach haben sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrats beschäftigt sich am Dienstag mit den Erkenntnissen, die die Rechnungsprüfer im Auftrag von Oberbürgermeisterin Henriette Reker zusammengetragen haben. Ihr nichtöffentlicher Bericht liegt der Rundschau vor. Darin erklären die Prüfer, aus mehreren Gründen sei von „einem materiellen Schaden“ für die Stadt Köln auszugehen. Dessen genaue Höhe können sie nicht beziffern, er dürfte jedoch beträchtlich sein.

Am 19. Mai 1995 hatte der Rat die seinerzeit von Stadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD) geführte Verwaltung ermächtigt, die „Mantelbebauung“ der Arena anzumieten – gemeint sind West- und Ostflügel des Stadthauses mit insgesamt 100.000 Quadratmetern Nutzfläche sowie das Parkhaus. In der Begründung zur Beschlussvorlage 1508/095 wird ein Angebot des Investors – ein Oppenheim-Esch-Fonds – erwähnt, der Stadt nach Ablauf der Mietzeit den Ankauf des Mietobjekts zum Festpreis von 403,5 Millionen D-Mark (206,3 Millionen Euro) durch „eine einseitige, unwiderrufliche, notariell beurkundete und gesicherte Kaufofferte“ zu ermöglichen. Wie berichtet, wurde diese Kaufoption aber nie im Grundbuch gesichert.

Akten lückenhaft und „über verschiedene Dienststellen verteilt“

Die Rechnungsprüfer stellten festen, dass die Dokumentation der Vorgänge in den Akten der Stadt „lückenhaft“ und „über verschiedene Dienststellen verteilt“ war. Verfügungen und Anschreiben seien häufig ohne Unterschrift und teils nur in Kopie vorhanden. „Die Vorgaben der städtischen Regelungen zur Dokumentation und Archivierung wurden nicht beachtet“, so der Bericht.

Merkwürdig ist auch: Ab 1991 hatte die Stadt mit dem Baukonzern Philipp Holzmann über die Errichtung von Arena und Rathaus in Deutz verhandelt. Laut RPA teilte Ruschmeier dem Hauptausschuss am 17. Mai 1993 mit, Holzmann habe der Stadt „ein attraktives Miet- und/oder Investitionsangebot“ unterbreitet. Als es 1995 zum Ratsbeschluss kam, war laut RPA jedoch nicht Holzmann Vertragspartner, sondern „die in Gründung befindliche Immobilienfonds Köln-Deutz Opladener Straße GbR“, vertreten durch den Troisdorfer Bauunternehmer Josef Esch, sowie die JEFP GmbH und die OP-Immobilientreuhand GmbH.

Es sei nicht nachzuvollziehen gewesen, wie es zu dem Wechsel der Vertragspartner kam, so das RPA. Aus den Unterlagen habe man auch nicht ermitteln können, wer die Entscheidungen zum Grundstücksverkauf und zur Anmietung der Büroflächen getroffen hat. Laut eines Briefs des Liegenschaftsamts an das Finanzamt vom 14. Februar 2000 sei „der Gesamtkomplex Kölnarena von Beginn an bis einschließlich zur Vertragsunterzeichnung“ unter der Federführung des Büros des Oberstadtdirektors geführt worden.

Lothar Ruschmeier, der wie Esch aus Troisdorf stammte, war ein Vertrauter des findigen Bauunternehmers. Bekanntlich wechselte Ruschmeier unmittelbar nach Ende seiner Dienstzeit bei der Stadt Köln im April 1998 in die Geschäftsleitung der Oppenheim-Esch-Holding, wo er gleichberechtigter Geschäftsführer neben Josef Esch und Matthias Graf von Krockow wurde. Ruschmeier starb 2012 im Alter von 66 Jahren.

Bis zum 25. März wurde 1998 ein Entwurf erarbeitet, der zivilrechtlich das Einverständnis der Beteiligten fand. Im Ergebnis wurde dann wegen steuerlicher Bedenken von einer Beurkundung abgesehen.
Erklärung des damals zuständigen Notars, warum keine feste Kaufoption für die Stadt gesichert wurde

Losgetreten hat die Untersuchung zum Stadthaus der FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite. Als die Verwaltung im Mai 2023 vom Rat grünes Licht dafür wollte, den Mietvertrag für das Stadthaus Ost 2029 nach Ablauf der 30 Jahre zu kündigen (wegen der für die Stadt sehr ungünstigen Konditionen), wollte die FDP wissen, warum die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht nutzt. Daraufhin kam raus, dass die Verwaltung es nie gesichert hatte.

Dennoch ließ die Kämmerei 1998 und 1999 den Rat beschließen, eine Rücklage von 69 Millionen D-Mark zu bilden, um das Stadthaus nach 30 Jahren kaufen zu können – obwohl kein Vorkaufsrecht bestand. „Diese Information hätte den politischen Gremien für die Entscheidung über weitere Kapitalanlagen mitgeteilt werden müssen“, so der Prüfbericht. Das RPA stellt fest: „Die Verwaltung hat die für den Ankauf benötigten Mittel in einen Fonds zum Teil in Aktien angelegt. Der dort verfügbare Betrag ist aufgrund von Kursschwankungen zuletzt rückläufig.“ Hätte man die Politik über das fehlende Ankaufsrecht informiert, „wäre eine anderweitige Entscheidung über die Verwendung der Mittel möglich gewesen“. Der Depotwert lag Ende 2022 bei 84,8 Millionen Euro, ein Jahr zuvor waren es noch 98,2 Millionen.

Sollte sich der Hinweis im Rahmen der folgenden Ermittlungen festigen, ist von schwerwiegenden Verfehlungen der handelnden Mitarbeitenden zum Schaden der Stadt Köln auszugehen.
Aus dem Bericht des Rechnungsprüfungsamts

Doch warum hat sich die Verwaltung kein Vorkaufsrecht gesichert? Das RPA fragte beim damals zuständigen Notar nach. Der erklärte, „dass bis zum 25.03.1998 ein Entwurf erarbeitet wurde, der zivilrechtlich das Einverständnis der Beteiligten fand. Im Ergebnis wurde dann wegen steuerlicher Bedenken von einer Beurkundung abgesehen.“

Im Klartext: Die Anleger des Oppenheim-Esch-Fonds befürchteten steuerliche Nachteile für sich. Die Verwaltung ignorierte daraufhin den Ratsbeschluss, verzichtete auf das Ankaufsrecht und verschwieg das dem Rat. „Sollte sich der Hinweis im Rahmen der folgenden Ermittlungen durch entsprechende Dokumentationen festigen, ist von schwerwiegenden Verfehlungen der handelnden Mitarbeitenden zum Schaden der Stadt Köln auszugehen“, so das RPA.

Klausel erschwert Kündigung des Mietvertrags

Als die Verwaltung in den 90ern die Wirtschaftlichkeit des Projekts pries, war die Kaufoption zum Festpreis nach 30 Jahren ein zentrales Argument. „Mit dem Wegfall der Option war die gesamte Maßnahme nicht mehr wirtschaftlich“, urteilt das RPA heute. In der Rückschau müsse „von überhöhten Mieten ausgegangen werden“. Auch dass die Stadt im Mietvertrag „umfangreiche, über das normale Maß hinausgehende Verpflichtungen zur Instandhaltung und -setzung übernommen“ hat, sei ohne ein Ankaufsrecht unwirtschaftlich.

Hinzu kommt: Derzeit sei unklar, so das RPA, ob die Vermieterin überhaupt eine Kündigung nur für das Stadthaus Ost akzeptiert. Im Mietvertrag von 1997 finde sich eine Klausel, wonach ein Widerspruch gegen die Verlängerung eines der drei Verträge automatisch auch für die beiden anderen gilt (Stadthaus West und Parkhaus). Demnach müsste die Stadt bei einer Kündigung des Stadthauses Ost auch Ersatz für ihre vielen Büros im Westteil finden. Keine gute Position für Verhandlungen mit der aktuellen Vermieterin.


So viel kostet es die Steuerzahler

556,9 Millionen Euro wird die Stadt Köln insgesamt während der 30-jährigen Mietzeit für das Stadthaus in Deutz an Kaltmiete bezahlen. Die Errichtungskosten des 1998 fertiggestellten Baus betrugen 317,3 Millionen Euro (620,6 Millionen D-Mark).

Die Stadt hatte 1995 das 69.250 Quadratmeter große Grundstück, den ehemaligen Kirmesplatz, für 37 Millionen D-Mark an den Oppenheim-Esch-Fonds verkauft. Das war rund ein Drittel des Verkehrswerts, den das Liegenschaftsamt 1991 mit 97,9 Millionen D-Mark beziffert hatte. Die Verwaltung unter Stadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD) hatte den Investoren einen Abschlag für „Bauerschwernisse“ gewährt, sie sollten dafür das Gelände baureif machen.

Der Regierungspräsident stellte eine Unterschreitung des Verkehrswerts um mindestens 16,1 Millionen D-Mark fest. Er genehmigte den Verkauf aber unter der Auflage, dass die Grünfläche an der Arena auf Dauer öffentlich zugänglich bleibt und dies auch vertraglich abgesichert wird. Dem sei die Stadt „nicht in dem erforderlichen Maße nachgekommen, so der RPA-Bericht. Das Grundstück wäre heute laut aktuellem Bodenrichtwert rund 88 Millionen Euro wert. (fu)

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