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VorkaufsrechtDen Kölner Rat beim Stadthaus hinters Licht geführt?

Lesezeit 6 Minuten
Das Ostgebäude des Stadthauses, links neben der Kölnarena, beherbergt einen Teil der Stadtverwaltung. Der Sanierungsbedarf im Gebäude ist hoch.

Das Ostgebäude des Stadthauses, links neben der Kölnarena, beherbergt einen Teil der Stadtverwaltung. Der Sanierungsbedarf im Gebäude ist hoch.

1995 stimmte die Kölner Politik für die Anmietung des Stadthauses in Deutz mit Vorkaufsrecht und einer Kaufoption nach 30 Jahren – doch der Eintrag im Grundbuch fehlt offenbar.

Hat die Kölner Stadtverwaltung in den 1990er-Jahren beim Bau der Kölnarena und des Technischen Rathauses (Stadthaus) in Deutz einen Beschluss des Stadtrats einfach ignoriert? Hat sie den Rat wissentlich hinters Licht geführt und Verträge zum Nachteil der Stadt geschlossen? Und falls ja, was war der Grund?

Diese Fragen stehen im Raum, seit die Stadt den Ratspolitikern im April ihre Pläne für das Ostgebäude des Stadthauses kundgetan hat. In der Immobilie mit rund 30 000 Quadratmetern Nutzfläche sind das Schulamt, Teile des Ordnungsamts, das Personal- und Verwaltungsmanagement, die Zentralen Dienste, die Verkehrs- und Tunnelleitzentrale, ein IT-Knotenpunkt und eine Kindertagesstätte untergebracht.

In der Juni-Sitzung des Stadtrats will sich die städtische Gebäudewirtschaft grünes Licht dafür holen, den bis 28. Februar 2029 laufenden Mietvertrag zu kündigen. Mit einer frühen Entscheidung will sie Zeit gewinnen, um rechtzeitig alternative Gebäude zu finden und den Umzug der Dienststellen organisieren zu können. Die ehemalige Kaufhof-Zentrale könnte eine Teiloption sein, scheint aber bereits „ausgebucht“.

Die Nutzung des Mietobjekts durch die Stadt wird durch die notarielle Beurkundung der Mietverträge und durch Grundbucheintragung, verbunden mit einem Vorkaufsrecht, gesichert.
Aus der Beschlussvorlage für den Stadtrat, 1995

Hauptgründe für einen Auszug sind der Zustand des Anfang 1999 fertiggestellten Baus und die vertraglichen Rahmenbedingungen. Nach einer Einschätzung der Gebäudewirtschaft, die der Rundschau vorliegt, besteht im Ostgebäude ein erheblicher Sanierungsbedarf, für den bei einer Fortführung des Mietverhältnisses aber nicht die Eigentümerin, sondern die Stadt Köln aufkommen müsste. Grund ist demnach „die Mietvertragsausgestaltung aus 1999, welche die wesentlichen Verpflichtungen für die Instandsetzung und Instandhaltung der Immobilie auf die Stadt Köln verlagert hatte“.

Weiter heißt es darin, die Eigentümerin sei zwar an einer Fortführung des Mietverhältnisses interessiert, plane aber „keine Investitionen in die Erneuerung veralteter technischer Ausrüstung oder die Modernisierung der Immobilie“, sondern erwarte Investitionen der Stadt.

„Einen solchen Vertrag würde heute niemand mehr abschließen“

Die spricht davon, dass für die Sanierung „ein dreistelliger Millionenbetrag“ erforderlich sei. Im Rathaus heißt es, die Konditionen des Mietvertrags seien ungewöhnlich vorteilhaft für die Vermieterin, einen solchen Vertrag würde heute niemand mehr abschließen.

Als der Rat am 27. September 1995 den Bau der Kölnarena samt der angrenzenden Bürobauten für das Stadthaus beschloss, klang das ganz anders. In der Beschlussvorlage Nr. 1508/095 pries die vom damaligen Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD) geführte Verwaltung wortreich die Vorzüge für die Stadt, die eine Anmietung von Ost- und Westgebäude des Stadthauses mit 100 000 Quadratmetern Mietfläche biete. Finanziert wurde der Bau von einem Oppenheim-Esch-Fonds.

Die FDP-Ratsfraktion zeigt sich nun „mehr als überrascht“ darüber, dass die Stadt beabsichtigt, den Mietvertrag für das Ostgebäude zu kündigen, wo sie doch eigentlich eine Option besitzen müsste, das gesamte Stadthaus mit Ost- und Westteil günstig zu kaufen. Anstatt preiswert Eigentum zu erwerben, in das zu investieren sich lohnt, drohen der Stadt nun hohe Kosten: Entweder muss sie neben der künftigen Miete auch noch die Sanierung bezahlen oder sie muss andere Gebäude anmieten und einen komplizierten Umzug bezahlen, was ebenfalls teuer zu werden droht. Den Schaden hat der Steuerzahler.

Bedingung für die Zustimmung des Rates im Jahr 1995 sei ein durch Grundbucheintrag abgesichertes Vorkaufsrecht der Stadt gewesen, betont die FDP in einer Anfrage an die Stadtverwaltung. Sie will wissen, was aus diesem Vorkaufsrecht geworden ist und aus der vom Vermieter angebotenen Offerte, das gesamte Stadthaus nach 30 Jahren Mietzeit für eine feste Summe zu kaufen. Dem Vernehmen nach wurde damals ein Kaufpreis von rund 400 Millionen D-Mark (205 Millionen Euro) in Aussicht gestellt.

Kaufoption sollte im Grundbuch gesichert werden

Am 27. September 1995 hatten SPD und CDU im Rat die Anmietung beschlossen. Die Grünen stimmten dagegen, die FDP war seinerzeit nicht im Rat vertreten. In Anlage 1, die ausdrücklich Teil des Beschlusses war, heißt es unter den Besonderen Bedingungen: „Die Nutzung des Mietobjekts durch die Stadt wird durch die notarielle Beurkundung der Mietverträge und durch Grundbucheintragung, verbunden mit einem Vorkaufsrecht, gesichert.“

Laut FDP hatte die Verwaltung 1995 betont, der Abschluss des Mietvertrags habe den finanziellen Vorteil, „dass das Vorkaufsrecht mit einer einseitigen, unwiderruflichen, notariell beurkundeten und grundbuchlich gesicherten Kaufofferte verbunden ist“. Zusammen mit der Anmietung habe der Rat auch beschlossen, so die FDP, eine Rücklage von 53 Millionen D-Mark festverzinslich für 30 Jahre anzulegen, um damit den Ankauf des Stadthauses nach Ende der Mietzeit zu finanzieren. Mit dieser Rücklage sei Köln nach Aussage der Stadt von 1995 „im Jahre 2027 völlig frei, über die Annahme der Kaufofferte ohne finanzielle Zwänge zu entscheiden“.

Wie zu erfahren, sollen weder das Vorkaufsrecht noch die feste Kaufoption im Grundbuch stehen. Die Rücklage soll es jedoch geben, ihr Wert soll sich im Jahr 2016 auf rund 67 Millionen Euro belaufen haben.

Auf detaillierte Fragen der Rundschau zum Thema erklärte das Baudezernat lediglich: „Da wir der Beantwortung an die Politik nicht vorgreifen können, ist es noch nicht möglich, diese Anfrage derzeit zu beantworten.“

Die FDP will nun wissen, welcher Schaden der Stadt Köln und damit dem Steuerzahler entstanden ist. Spannend ist auch die Frage, welche Rolle der 2012 verstorbene Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (siehe Infotext unten) bei den Vorgängen spielte.

Fraglich ist auch, warum das Thema jahrzehntelang niemandem auffiel, denn das Stadthaus wechselte mehrfach den Eigentümer. Laut Medienberichten kaufte es DIC Asset im Jahr für rund 500 Millionen Euro für fünf Investoren: Gothaer Asset Management, Versicherungskammer Bayern, DEVK-Versicherungen, ein Pensionsfonds der Lufthansa sowie die Ärzteversorgung Land Brandenburg.

Zur künftigen Nutzung des rund 70 000 Quadratmeter großem Westteils des Stadthauses will die Stadt keine Aussage treffen. Auch hier läuft der Mietvertrag aus, der Sanierungsbedarf dürfte ähnlich hoch sein. Doch für dieses große Gebäude ist auf dem Kölner Immobilienmarkt schwerlich Ersatz zu finden.


SPD-Politiker Lothar Ruschmeier

1990 wurde der SPD-Politiker Lothar Ruschmeier aus Troisdorf Oberstadtdirektor von Köln. Er war ein Vertrauter des Troisdorfer Bauunternehmers Josef Esch, mit dem er in den 90er-Jahren gemeinsam den Bau von Kölnarena und Stadthaus vorantrieb. Finanziert wurde das Projekt in Zusammenarbeit mit der Oppenheim-Bank über einen geschlossenen Immobilienfonds, dessen Geschäftsführer Esch war.

Ruschmeier erntete viel Kritik, als er unmittelbar nach Ende seiner Dienstzeit bei der Stadt Köln im April 1998 in die Geschäftsleitung der Oppenheim-Esch-Holding wechselte. Er wurde gleichberechtigter Geschäftsführer neben Matthias Graf von Krockow und Josef Esch.

Der im Jahre 2000 verstorbene Oberbürgermeister Harry Blum nannte den von Ruschmeier und Esch ausgehandelten Mietvertrag für das Stadthaus in Deutz den „vermieterfreundlichsten“ in Köln. Vorwürfe, der Vertrag mit seiner 30-jährigen Mietgarantie sei überteuert und er habe der Stadt geschadet, hat Ruschmeier stets zurückgewiesen.

In seine Amtszeit fallen auch die umstrittenen Entscheidungen zum Bau der Müllverbrennungsanlage in Niehl sowie der neuen Messehallen, die der Kölner Rat im Dezember 2003 ebenfalls an einen Oppenheim-Esch-Fonds vergeben hatte. Der Europäische Gerichtshof rügte die Vergabe ohne Ausschreibung später als rechtswidrig, daraufhin erklärte die Stadt Köln die Verträge für nichtig und handelte reduzierte Konditionen aus.

Lothar Ruschmeier starb 2012 im Alter von 66 Jahren. (fu)