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Mord im AgnesviertelZehn Jahre Haft für 87-Jährigen

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Auf der Anklagebank: Der 87-jährige Domenico A. (Mitte), flankiert von Anwalt Sebastian Schölzel (r.) und dem Übersetzer.

Köln – Ein 87-Jähriger muss wegen Mordes für zehn Jahre ins Gefängnis – das Urteil, das das Landgericht Köln am Mittwoch fällte, ist so aufsehenerregend wie Teile des Prozessverlaufs. Der alte Mann, den der Richterspruch trifft, verfolgte die Urteilsverkündung allerdings weitgehend teilnahmslos. Schon gegenüber einem psychiatrischen Gutachter hatte er sich vollkommen resigniert geäußert: Man solle ihm einfach tödliche Tabletten geben oder ihn in einen Fluss werfen. Die Tat sei eine Katastrophe.

Darum war es vor Gericht gegangen: Am 2. Dezember 2011 war ein junges Paar von einer Reise in seine Wohnung im Agnesviertel zurückgekehrt. Man packte gerade die Reisetaschen aus, als der 87-jährige Nachbar klingelte und die junge Frau (31) aus nächster Nähe erschoss. Bis zum 25. Dezember 2011 kämpfte sie noch um ihr Überleben, erlag dann jedoch den Folgen des Schusses.

Im Verfahren wurde eindringlich die Frage diskutiert, ob der Rentner überhaupt schuldfähig gewesen sei. Ein Gutachter hatte ihm Wahnvorstellungen attestiert. Diese sollen die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt haben. Das Motiv des Angeklagten war nach seiner eigenen Aussage, dass er sich durch Geräusche in dem hellhörigen Mehrfamilienhaus belästigt fühlte. Schon seine langjährige Lebensgefährtin, die 2007 verstorben war, soll sich über häufigen Lärm so sehr aufgeregt haben, dass der 87-Jährige ihren Tod im Zusammenhang damit sah.

In der Tatnacht war er, so seine Einlassung, der Meinung, dass seine Nachbarn ihn verhöhnten und absichtlich besonders laut waren. Mit geladener, entsicherter Pistole stieg er durch das dunkle Treppenhaus, klingelte und stellte die Nachbarin zur Rede. „Ich verstehe nicht“, soll die Frau gesagt haben. „Jetzt verstehst du“, habe darauf der Angeklagte gesagt und geschossen.

Von einer „vollkommen sinnlosen Tat“ sprach der Anwalt der Nebenklage. „Ein Verfahren, das auch uns unter die Haut ging“, nannte es der Vorsitzende Richter. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft und niemals als Gewalttäter in Erscheinung getreten. Dem Gutachten zufolge sei der Mann zur Tatzeit eingeschränkt steuerungsfähig, aber durchaus einsichtsfähig und damit eben auch schuldfähig gewesen.

Die Menschenwürde gebiete es zwar, dass auch ein 87-Jähriger noch „irgendeine Aussicht auf Freilassung“ habe. Andererseits dürften aber auch alte Menschen nicht straffrei gewalttätig werden, so der Richter. Daher folgte die Kammer weder dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine lebenslange Haftstrafe, noch dem Antrag der Verteidigung auf eine milde Haftstrafe von unter fünf Jahren und erklärte zehn Jahre Haft für angemessen.