Musik im stillgelegten TraditionslokalIm Flittarder Hof findet ein Konzert statt, ein neuer Wirt wird gesucht

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Sechs Männer stehen im Halbkreis in dem Saal einer Kneipe.

Die sechs Musiker der Band Karnevallica im Saal des Flittarder Hofs.

Die Flittarder Band Karnevallica spielt ein Konzert in der stillgelegten Kneipe. Der ehemalige Wirt wünscht sich dringend einen Nachfolger.

„Vorübergehend geschlossen“ steht auf einem Zettel im Schaukasten des Flittarder Hofs, da, wo mal die Ankündigungen für den Silvester-Schwoof oder die Sause für Weiberfastnacht hingen. Ein Zeichen trotziger Hoffnung, dass die Kneipe bald wieder öffnet. Am Freitag, 22. Dezember, tut sie das, zumindest für einen Abend. Dann spielt die Flittarder Band Karnevallica dort ihr Weihnachtskonzert. Und neben einem vollen Saal hofft sie auf einen neuen Pächter für ihr „Wohnzimmer“.

Die Außenansicht einer Kneipe ist zu sehen.

Der Flittarder Hof in seiner alten Pracht, normalerweise sind die Rollos heruntergelassen.

Die Geschichte des Flittarder Hofs ist eng mit der der Band verwoben. „Meine Eltern haben sich hier kennengelernt“, sagt Marcel Kühle, der die Blasinstrumente der jecken Combo spielt. „Die Gesangsvereine, der Fußball-, der Handball- und der Volleyballverein, alle kamen hierher. Karneval sowieso und wenn der FC gespielt hat, bekam man drinnen keinen Platz mehr. Es gab keine Diskussion, dass man hier hin ging“, schildert Kühle.

2019 hörte der langjährige Wirt des Flittarder Hofs auf

Bis 2019. Da legte Hanspeter Zimmer, Eigentümer des Lokals, gewissermaßen den Deckel auf das Kölsch-Glas. 29 Jahre stand er als Wirt hinter der Theke. Dann verließ den heute 70-Jährigen die Kraft in den Beinen. Er verpachtete seine Kneipe an die Firma LHL, einen Getränkegroßfachhandel für die Gastronomie. Seitdem suchen sie gemeinsam nach einem Unterpächter, der die Kneipe betreibt. Drei Anläufe, so schildert es Zimmer, habe er bereits unternommen. Dem ersten Kandidat sei die Corona-Pandemie dazwischen gekommen.

Ein älterer Herr mit wenig Haaren steht hinter einem Zapfhahn.

29 Jahre lang betrieb er den Flittarder Hof: Hanspeter Zimmer.

„Die zweiten waren zwei Freunde aus der Nachbarschaft, sie haben mich auf der Straße angesprochen und waren zunächst Feuer und Flamme.“ Doch dann habe sich herausgestellt, dass einer von beiden in Berlin lebe und nur am Wochenende Zeit für den Vollzeit-Job Gastwirtschaft gehabt habe. Dessen Ehefrau habe das Lokal zusammen mit dem Verbliebenen, dem Einheimischen, weitergeführt. Doch die beiden standen bald vor der Pleite und gaben auf. Das war im März. Seitdem steht der Gasthof leer, mal wieder. Kurz nach Kriegsende, 1949, da zählte der Ort noch neun Kneipen. Der Flittarder Hof war die letzte.

Generationen trafen sich im Flittarder Hof zum Fußballschauen und Feiern

Erbaut 1905, erweitert in den „Goldenen 20ern“, befindet sich der kleinere der beiden Säle noch heute im Originalzustand. Die hölzernen Dielen knarzen und erzählen die Geschichten der unzähligen Feiern, die hier stattgefunden haben. Die Bilder an den Wänden von den Schlachten, die auf den Sportplätzen der Umgebung geschlagen wurden. „Das macht für mich eine Kneipe aus: Dort treffen sich Generationen und der Enkel erkennt seinen Opa, als der aktiv Fußball gespielt hat – und umgekehrt“, sagt Zimmer, dessen Großvater das Lokal einst erwarb. „In all der Zeit hatte es nur vier Betreiber.“

Zimmer ließ die IG Gastro aus der Südstadt einen Nachfolger suchen – keiner meldete sich. Woran das liegt, kann er sich nicht erklären. Und versucht es trotzdem. Die Lage, einerseits. Flittard ist ein Nest am Stadtrand, wo die Bahnschienen manchmal eine unüberwindbare Barriere zwischen dem Alt-Ort und dem Neu-Ort bilden. „Ich glaube aber auch, die Leute wollen nicht so viel arbeiten. Ein guter Facharbeiter verdient das gleiche Geld mit weniger Arbeit.“ 50 Wochenstunden seien für einen guten Kneipier aber keine Seltenheit und für einen kölschen sowieso.

 „Da steht kein Personal am Tresen, sondern der Chef persönlich, das ist wichtig“, meint Zimmer, das Urgestein. „Es braucht einen gastfreundlichen, kreativen Menschen, der den Laden gestalten will“, sagt Marcel Kühle, der Musiker. Zusammen wollen sie dem Flittarder Hof für einen Abend Leben einhauchen. „Wir spielen unser Jahresabschluss-Konzert mit eigenen und gecoverten Songs. Ein paar Restkarten gibt es noch, und dann sollen die Leute sehen, wie lebendig dieser Gasthof eigentlich ist“, sagt er.

Das Interview ist zu Ende, Hanspeter Zimmer hat die Besucher nach draußen gekehrt. Er lässt die Rollos runter, dreht den Schlüssel um. Die Evergerstraße liegt verlassen da. Fast wie damals, fast wie immer.

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