Winterquartier in KölnEin Besuch der Werkstätten des Circus Roncalli – die Quelle der Traumwelt

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Historischer Hingucker: Das Karussell muss nach seinen Weihnachtsmarkt-Einsätzen in Hamburg vom Werkstätten-Team aufgehübscht werden.

Historischer Hingucker: Das Karussell muss nach seinen Weihnachtsmarkt-Einsätzen in Hamburg vom Werkstätten-Team aufgehübscht werden.

Als Werkstätten-Leiter ist Dimitri Filbert unter anderem für eine Schlosserei, Malerei, Tischlerei und Lackiererei verantwortlich - und für unzählige Schätze.

Es klingt komisch, sagt Dimitri Filbert selbst, aber es sei der Stress, der ihm an seinem Job am meisten Spaß bereitet. „Manchmal bist du einfach kaputt vom Hin- und Herhetzen. Aber es lohnt sich. Weil du siehst, wie Dinge entstehen. Und du bist da mittendrin.“ Dimitri Filbert ist der Leiter jenes Ortes, an dem die bunte Traumwelt des Circus Roncalli ihren Ursprung findet: den Werkstätten der Unternehmensgruppe Roncalli.

Liebt den Stress: Werkstätten-Leiter Dimitri Filbert.

Liebt den Stress: Werkstätten-Leiter Dimitri Filbert.

Hier, im Winterquartier in Mülheim entstehen das Bühnenbild, die Requisiten und alles, was sonst noch so für die Roncalli-Shows nötig ist. Nicht nur für die Tournee des Circus, sondern auch für das Apollo Varieté in Düsseldorf oder die Roncalli-Weihnachtsmärkte. Es gibt so gut wie nichts, was hier nicht möglich ist.

Der Elektro-Bereich kümmert sich um tausende LED-Glühbirnen und Lichterbögen, die beispielsweise das blau-weiße Zirkuszelt von innen und außen erstrahlen lassen. Im Dekobereich entstehen unter anderem auch Bühnenbilder fürs Apollo Varieté in Düsseldorf oder kleinteiligere Requisiten und Masken. Dazu kommen eine eigene Schlosserei, Malerei und Schreinerei.

Eines der Großprojekte, an dem Filbert und sein Team derzeit arbeitet, ist auf dem Hof unter einer Plane versteckt: ein buntes Karussell, deutlich über 100 Jahre alt, das jedes Jahr auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt seinen Platz findet. Die vielen Jahre sind nicht spurlos an den liebevoll gestalteten Pferden, Löwen und Gondeln aus Holz vorbeigezogen. Nach und nach bauen Filbert und sein Team die Figuren nun ab und hübschen sie bis zum nächsten Weihnachtsmarkt wieder auf. Museumsreif ist auch der Antrieb. Ein Traktorgetriebe, dicke Gurtriemen und der historische Salzanlasser sorgen dafür, dass sich das Karussell dreht. Gebremst wird manuell mit einem großen Hebel. „Wir könnten den Antrieb modernisieren, aber das gehört einfach zu diesem alten Charme dazu“, sagt Filbert.

Circus Roncalli in Köln: Die Ideen von Bernhard Paul

Als Auszubildender kam Filbert 2007 in das Unternehmen und beeindruckte Roncalli-Gründer und -Direktor Bernhard Paul schon mit seiner Bewerbungsmappe nachhaltig. Vor acht Jahren übernahm er schließlich die Werkstattleitung. „Jetzt will ich nichts anderes mehr machen“, sagt Filbert. Mittlerweile habe er mit Bernhard Paul eine freundschaftliche Verbindung, so dass er nicht mehr jede Kleinigkeit mit dem Chef abstimmen müsse. „Aber wenn eine neue Show entsteht, hat er natürlich seine Ideen, kommt auf mich zu und dann setze ich das mit meinem Team um.“ Oft versorge Paul ihn direkt mit Bildmaterial, das er im Internet gefunden oder selbst gezeichnet hat.

Auch für die vielen Zirkuswagen ist das Werkstatt-Team zuständig. Derzeit in Arbeit: ein zweiter Schneiderei-Wagen, der in Zukunft mit auf Reise gehen soll und aktuell von innen komplett umgebaut wird. 60, 70 Jahre sei der Wagen bereits alt. Es gäbe aber noch deutlich ältere Wagen. Wo diese ihren Ursprung haben, ist nicht immer so leicht zu sagen. „Herr Paul kauft und sammelt sein Leben lang immer wieder Dinge, die er irgendwo sieht. Viele Dinge kauft er, weil da eine Geschichte dranhängt oder ein großer Clown drin gewohnt hat“, sagt Filbert. Ein langfristiges Projekt ist ein großer und zunächst komplett entkernter Souvenirwagen. „Wenn er fertig ist, ist das ein gutes Beispiel dafür, was wir hier in der Werkstatt alles machen können.“ Selbst geschreinerte Eichenschränke sind schon eingebaut, mehrere Madonnen stehen als Zierelemente bereit, für die Sanierung kommen teils alte Handwerktechniken zum Einsatz.

Roncalli-Winterquartier: Morsche Holzwagen und russische Saalpläne

In der Montagehalle entstehen Wohnwagen für Zirkus-Mitarbeiter. Ein Bett, ein Schrank und ein kleiner Tisch finden später auf jeweils vier Quadratmetern Platz. In einem Wagen kommen fünf Personen unter, die Restaurierung und der Neubau dauern rund drei bis fünf Monate.

Ein morscher Holzwagen, in dem das fahrende Volk früher unterwegs war, geschlafen und gekocht hat, ist schon so alt, dass er wohl nie wieder seiner ursprünglichen Bestimmung nachgehen wird. „Wagen wie dieser kommen mittlerweile eher als Kulisse für Artisten zum Einsatz, etwa bei den Roncalli-Gastspielen bei den Swarovski-Kristallwelten in Tirol“, erklärt Filbert. Neben den Wagen hängen alte Roncalli-Werbetafeln, Emaille-Schilder oder sogar ein Saalplan auf Russisch, der Teil der Auftritte 1986 in Moskau war.

Blumig-bunt: In diesem Wagen wurde früher geschlafen und gekocht.

Blumig-bunt: In diesem Wagen wurde früher geschlafen und gekocht.

Die vielen Lagerhallen erzählen zwischen viel kreativem Chaos unzählige Geschichten. Dort steht unter anderem ein Bett aus dem Hotel Adlon, in dem Charlie Chaplin einst geschlafen haben soll, als er zur Deutschland-Premiere seines Films „City Lights“ in Berlin weilte. Die größten Schätze sind allerdings in Bernhard Pauls Nostalgie-Halle zu finden, für deren Pflege das Werkstätten-Team ebenfalls zuständig ist. Über Bernhard Pauls Sammelleidenschaft und die Geschichten hinter den einzelnen Objekten ließen sich gleich mehrere Bücher schreiben. Was sich im Laufe der Jahre in den Hallen angesammelt hat, ist schlichtweg beeindruckend. Paul kaufte und sammelte tausende Plakate, Werbeschilder, Puppen, Masken, Tierfiguren, Lampen, Leuchten und die Einrichtung dutzender Kaufmannsläden, Caféhäuser oder Metzgereien mitsamt Tresen und Vitrinen mit dem Charme vergangener Zeiten.

Was tut das Schwein da? Zu Bernhard Pauls Besitz zählt die Einrichtung dutzender Kaufmannsläden, hier eine fast vollständige Metzgerei.

Was tut das Schwein da? Zu Bernhard Pauls Besitz zählt die Einrichtung dutzender Kaufmannsläden, hier eine fast vollständige Metzgerei.

Die größten Schätze will Bernhard Paul der Öffentlichkeit in seinem Zirkusmuseum zugänglich machen. Den Traum hegt er bereits seit vielen Jahren, doch die Pläne stocken seit langem. Bis dahin schlummern die vielen Schätze in den Lagerhallen – bestens aufgehoben bei Dimitri Filbert und seinem Werkstatt-Team.


Der Circus Roncalli in Köln

80 000 Zuschauer sahen die Vorstellungen des Circus Roncalli während des Gastspiels auf dem Neumarkt. Am Sonntag endet der Tournee-Stopp in Köln, den die Rundschau als Medienpartner begleitet hat. Für den Circus Roncalli geht es ohne Pause weiter. Am 31. Mai steigt die Premiere in Krefeld. Fest steht bereits, dass der Circus Roncalli in zwei Jahren zurück auf den Kölner Neumarkt kehren wird. Dann steht das 50-jährige Jubiläum des Kölner Unternehmens an.

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