Else-Falk-PreisDiese Kölnerin leistet Besonderes für Gleichstellung

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Christiane Lehmann

Christiane Lehmann hat der Handwerkerinnenhaus in Nippes 1989 mitgegründet.

Der Else-Falk-Preis vergibt die Stadt für für besonderes Engagement von Frauen für Gleichstellung. 

Sie sind vielseitig qualifiziert. Was kam zuerst - das Tischlern oder die Sozialarbeit?

Ich habe erst soziale Arbeit studiert und in dem Bereich gearbeitet. Mit Anfang 30 habe ich mich daran erinnert, dass ich eigentlich als Jugendliche Tischlerin werden wollte, das war in den 70ern aber noch sehr ungewöhnlich. Also habe ich mir meinen Traum erfüllt und die Ausbildung gemacht.

Wie kamen sie zum Handwerkerinnenhaus?

Ich war eine von fünf Handwerkerinnen, die 1997 hier ein Werkstattgebäude errichtet haben. Die damaligen Vorstandsfrauen haben von meinem Hintergrund erfahren und mir eine Stelle im neuen Präventionsprojekt für Schulverweigerung angeboten. Das war vor 27 Jahren.

Sie machen beim Handwerkerinnenhaus auch Lobbyarbeit, was bedeutet das?

Einerseits unsere Arbeit mit Mädchen bei Politik, Stiftungen und Spendern und Spenderinnen bekannt machen, wir brauchen Finanzierungen und Förderungen. Das bindet bei allen Jugendhilfeträgern Jahr um Jahr viel Energie. Circa 70 Prozent der Finanzierung kriegen wir aus öffentlichen Mitteln. Etwa 200.000 bis 240.000 Euro müssen wir jährlich auftreiben. Die zweite Seite ist ebenso wichtig, da geht es um die Mädchen: Wir machen auf Diskriminierung und Lebenslagen von Mädchen aufmerksam. Leider ist Sexismus immer noch sehr weit verbreitet und stereotype Rollenerwartungen sind teils sogar wieder auf dem Vormarsch.

Wenn sie doppelt so viele Mittel hätten, wüssten Sie, was sie damit machen würden?

Oh ja! Wir sind hier sehr eng mit 15 Frauen und müssen nochmal anbauen, um noch eine Werkstatt und Büroräume einzurichten. Wir haben super viele Pläne, wir würden zum Beispiel gerne schon in die Grundschule oder sogar in die Kita gehen. Prävention und frühzeitige Stärkung ist das Wichtigste! Wenn Jugendliche die Schule abbrechen oder ohne Abschluss verlassen, kostet das den Staat viel mehr.

Was sind Ihre größten Herausforderungen?

Jedes Mädchen einzeln und individuell zu betrachten. Das ist eine Herausforderung, die ich sehr gerne annehme. Corona hat da auch was ausgelöst, den Jugendlichen fehlt ein Teil der Sozialisierung, sie sind vereinsamt oder häufiger psychisch krank, leiden etwa an Depression oder Phobien.

Das Handwerkerinnenhaus hat einen intersektionalen Ansatz, hat sich da über die Jahre viel geändert?

Ja. Auch Jugendliche, die sich als trans oder nonbinär bezeichnen, sind ein Teil von unserer Mädchenarbeit. In der Zeit der Flüchtlingswelle 2015 ist ein spezielles Angebot für Mädchen mit Fluchthintergund entstanden, das gibt es bis heute.

„Sie werden schon zum zweiten Mal ausgezeichnet.“

Das ist eine totale Ehre! Beim zweiten Platz vorletztes Jahr dachte ich: So, jetzt bin ich da raus – ich fühle mich geehrt genug! Heimlich still und leise bin ich vom Frauengeschichtsverein und vom DGB-Stadtfrauenausschuss nochmal vorgeschlagen worden. Als unsere Oberbürgermeisterin mich anrief, war ich völlig überrascht. Ich dachte im ersten Moment, dass sie mir mitteilen wollte, dass unsere dringend benötigte Förderung auch im neuen Doppelhalt weitergeht.

Der Preis soll Sichtbarkeit schaffen - welches Thema bekommt nicht genug Aufmerksamkeit?

Jugendhilfeträger müssen in der Lage sein, adäquate Gehälter zu zahlen, auch wir haben Fachkräftemangel. Und was mir oft Baugrimmen macht, ist unser Schulsystem, es gibt keine individuelle Förderung und psychische Belastungen werden nicht gesehen. Und das sind längst nicht alle Punkte!


Das Haus

Das Handwerkerinnenhaus ist ein Lern- und Bildungsort für Mädchen und Frauen und besteht seit 1989 in Nippes. Ein Kernthema ist Prävention von und Intervention bei Schulverweigerung, außerdem bestehen zum Beispiel Projekte zur Berufsorientierung oder für Schülerinnen mit Fluchtgeschichte. Pro Schuljahr profitieren circa 1400 Mädchen von den Angeboten. Für Frauen gibt es handwerkliche Kurse.

Die Ehrung

Den Else-Falk-Preis vergibt die Stadt alle zwei Jahre für herausragendes Engagement von Frauen für Gleichstellung. Der Preis ist nach der Frauenrechtlerin und Holocaustüberlebenden Else Falk (1872-1956) benannt, die lange in Köln lebte. Bisherige Gewinnerinnen sind Frauke Mahr (2020) und Behshid Najafi (2022). Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert.

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