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Nach dem Unwetter im JuliBickendorfer Förderschüler pendeln nach Longerich

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In der ehemaligen Hauptschule sind die obdachlosen Schüler untergebracht. 

Longerich – Mit dem Tag im Juli, der die große Regenflut brachte, war für die Förderschule Lindweiler Hof von jetzt auf gleich nichts mehr, wie es war. Die Schule für soziale und emotionale Entwicklung an der Rochusstraße 80 in Bickendorf, die in einer kleinen Gelände-Senke liegt, wurde durch das Unwetter unter Wasser gesetzt. Mehrere Räume vor allem im Untergeschoss, Technik, Leitungen – alles hin. Ein Termin für den Wiedereinzug ist aufgrund der großen Schäden, die die Wassermassen verursachten, nicht einmal ansatzweise in Sicht.

Interim in der ehemaligen Hauptschule in Köln-Longerich

Unterschlupf gefunden hat die "obdachlos" gewordene Schule in Longerich – in der temporär leerstehenden früheren Hauptschule an der Paul-Humburg-Straße 13. Seit dem Schuljahresbeginn befindet sich die Schule hier. "Der Leerstand war ein Glück für uns, denn so haben wir ein Gebäude, um als Schule zusammenzubleiben", betont Schulleiter Ingo Beemelmanns. "Mit unserem Schwerpunkt ist das besonders wichtig, um den Schülerinnen und Schülern ein Stück Stabilität zu geben." Der schlimmstmögliche Fall wäre eine räumliche Trennung und Verstreuung über mehrere Standorte gewesen. Im Schulbau aus den Fünfzigerjahren hatte sich bis Sommer 2012 die Gemeinschafts-Hauptschule Paul-Humburg-Straße befunden; knapp sieben Jahre – von Jahresbeginn 2013 bis zu den Herbstferien 2019 – diente er der heutigen Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule als Zwischenquartier.

Et hätt noch immer jot jejange

Das Betreten des Gebäudes ist wie eine kleine Zeitreise: Das Mosaik im Eingangsfoyer stammt noch aus Hauptschulzeiten; ebenso die auf einer Flurwand bunt verewigten Artikel des Kölschen Grundgesetzes. "Et hätt noch immer jot jejange" – ein Motto, das die Schule gut gebrauchen kann. Um den Blitz-Umzug bewerkstelligen zu können, haben Schule, Verwaltung und beteiligte Firmen förmlich rotiert. Am letzten Donnerstag in den Sommerferien fand der erste Ortstermin im leerstehenden Schulhaus an der Paul-Humburg-Straße 13 statt. "Alles war abgeschaltet, Strom, Wasser, Telefon, und der Schulhof ein einziger Dschungel."

In Windeseile mussten die Vorbereitungen für den Einzug gestemmt werden: Von anderen Schulen im Gebäude gelagertes Material musste raus, und die notwendigsten Materialien für den Lehrbetrieb der Schule rein. "40 Leute haben bis zum Schulbeginn ununterbrochen gearbeitet", erinnert sich Beemelmanns. Zwei Tage dauerte allein das Packen der Sachen im Bickendorfer Schulhaus; die Lehrkräfte halfen sogar beim Anstreichen der Klassenräume und beim Putzen der teilweise "blind" gewordenen Fenster.

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Die Schule, die Grundschul- und Sekundarstufe I kombiniert, umfasst 121 Schülerinnen und Schüler in zehn Jahrgängen. Sie nutzt das komplette Gebäude der einstigen Hauptschule, sowie die Turnhalle, den Kleinfeld-Fußballplatz und die Mensa für die Übermittags-Verpflegung. Die noch aus Gesamtschul-Interimszeiten stammenden Klassencontainer auf einem Teil des Schulhofs dienen als Lagerräume, dort findet kein Unterricht statt.

Im Förderschul-Unterricht ist einiges anders als in "klassischen" Schulen – das fängt bei der besonders kleinen Klassengröße an, und setzt sich über die pädagogische Betreuung fort. In einem Werkraum können die Mädchen und Jungen handwerklich aktiv werden, als Ausgleich zur Theorie des Unterrichts. In einem Entspannungs- und Deeskalationsraum, "Brücke" genannt, können sie sich in Phasen von Krisen und emotionaler Angespanntheit zurückziehen und abschalten, auch ruhige Gespräche mit ihnen sind dort möglich.

Weg nach Longerich ist für viele Schüler weit

"Wir müssen dennoch zusammenrücken, denn in Bickendorf hatten wir ganz andere Möglichkeiten." Trotz des Glücksfalls, in ein fertiges Gebäude ausweichen zu können, ist die Situation nicht leicht zu bewältigen. "Für uns ist die Situation besonders schwer. In Bickendorf waren wir verwurzelt, und die Wege nach Longerich sind lang – fast, als ob man auf die andere Rheinseite müsste." Vor allem die jüngeren Kinder nutzen einen Bus-Shuttle, der sie von ihrer eigentlichen Schule nach Longerich und mittags wieder zurück bringt; die Älteren fahren  zumeist Bus und Bahn.

Was zusätzlich half, war die schnelle und unbürokratische Hilfe durch die Stadt, wie der Schulleiter betont – einschließlich der Neuanschaffung eines mobilen Stalls für die Schulhühner, die bei der tiergestützten Pädagogik eine Rolle spielen und momentan auf einem Hof in der Eifel Unterschlupf gefunden haben; bald kommen sie zurück. "Auch die Nachbarschaft hat uns herzlich empfangen; einige boten sogar ihre Hilfe beim Aufräumen an und sorgten für Verpflegung während der Umzugsphase."

Weil das Schulhaus in absehbarer Zeit als Erweiterungsquartier für die Gesamtschule gebraucht wird, die seit ihrem Auszug ihren Neubau an der nahen Ossietzkystraße bezogen hat, ist ein weiterer Umzug  wahrscheinlich. Am besten sei es natürlich, wieder ins vertraute Umfeld einzuziehen. "Die Raumnot bei den Schulen ist leider allgemein sehr groß. Ich hoffe, dass wir baldmöglichst eine Lösung finden können, wie wir nach Ehrenfeld zurückkehren können. Die Kinder und Jugendlichen hätten es verdient."  

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