Weihnachten in Köln„Männer dürfen keine Bäume kaufen“: Erkenntnisse eines Weihnachtsbaumverkäufers

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Der Weihnachtsbaumverkäufer Karl-Heinz Weber ist von Weihnachtsbäumen umgeben und schaut in die Kamera

Weihnachtsbaumverkäufer Karl-Heinz Weber steckt tief drin in der Materie.

Verzweifelte Männer, unschlüssige Frauen und reumütige Rückgaben: Nichts ist Karl-Heinz Weber fremd, der seit 22 Jahren Weihnachtsbäume in Köln verkauft.

„Dat is mir selber schon passiert, dat mich meine Frau mit dem Baum wieder wegjeschickt hat“, sagt Karl-Heinz Weber. Seit 22 Jahren verkauft der Kölner vor dem Rewe an der Friedrich-Karl-Straße in Niehl Weihnachtsbäume. „Ich könnte ein Buch darüber schreiben, was hier abgeht“, sagt der 66-Jährige – und legt los.

„Männer dürfen keinen Baum aussuchen. Zumindest in 90 Prozent der Fälle machen das die Frauen.“ Das ist offenbar auch besser so. Denn wenn jemand mit hängendem Kopf seine zuvor mühsam nach Hause beförderte Wahl wieder retour schleppt, ist das in hundert Prozent aller Fälle ein Mann. „Drei, vier, fünf Mal im Jahr kommt das schon vor“, sagt der Weihnachtsbaumverkäufer und lächelt mitfühlend.

Die „Herren“ verziehen sich 

Kommen Mann und Frau zusammen, so verziehen sich die Herren „schon häufiger“ über kurz oder lang auf den Parkplatz. Immer dann, wenn die Wahl für sie zur Qual wird. Weg von den Bäumen. „,Ich kann nicht mehr’, sagen die Männer dann nach einer Weile. Und: ,Ruf mich, wenn du fertig bist.‘“ Weber tun die Männer dann manchmal schon ein bisschen leid. Wenn jemand ganz unsicher ist, bietet Weber an, den Baum auszusuchen. Er weiß, was in der Regel gefragt ist. Dicht soll er sein, gerade gewachsen, möglichst eine − und nur eine (!) − Spitze haben.

Da sind sich − fast − alle einig. Bei Größe und Breite gehen die Vorlieben auseinander. Zwischen etwa 75 Zentimeter und deutlich über drei Meter hoch sind die Blautannen, Nobilis- und Nordmanntannen in Webers Angebot. „Vor allem alte Leute wählen oft die kleinen Tannen“, weiß Weber, der viele Stammkunden und ihre Lebensgeschichten und -umstände seit Jahrzehnten kennt.

Auch eine Frage des Geldes

Die Wahl des Baums ist auch eine Frage des Geldes. 23 Euro berechnet Weber für einen 1-A-Baum pro Meter. Für Menschen mit wenig Geld macht er auch schon mal den Preis ein bisschen niedriger. „Das sieht man ja, ob jemand arm ist oder nicht“, ist er überzeugt. Wer feilschen will, beißt allerdings bei dem ehemaligen städtischen Angestellten auf Granit. „Das kann ich gar nicht ab. Schließlich sind das hier größtenteils Premiumbäume aus dem Sauerland.“

An die zehn Jahre hat ein Zwei-Meter-Baum gebraucht, um heranzuwachsen. Und damit das Wachsen auch möglichst so funktioniert, wie es den Ansprüchen entspricht, fließt viel Arbeit ein. Die Bäume werden gedüngt, gekerbt, damit sie mehr Geäst entwickeln, geschient, um die Spitze gerade zu halten, Triebe werden gekappt, damit der Wuchs buschig wird.

„Trotzdem gibt es immer ein paar Krücken unter den Bäumen“, gibt Weber zu. Doch auch solche Exemplare finden mit etwas Glück den Weg ins Weihnachtswohnzimmer. „Eben erst war eine Frau da, die hat gesagt: ,Geben Sie mir Ihren hässlichsten Baum. Das machen wir immer so.’“ Klar, so etwas ist eine Ausnahme. Ebenso wie die Frau, die ein paar Zweige Tannengrün kauft und dabei erzählt: „Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal einen Mietweihnachtsbaum mit Ballen. Er wird geliefert und dann zwei Wochen nach Weihnachten wieder abgeholt.“ Kostenpunkt: 60 Euro.

„Der Baum muss zu mir passen“

Fünf Euro mehr, 65 Euro, zahlt ein rüstiges Ehepaar Ende 80 für eine Nordmanntanne, in die sich die Frau auf der Stelle verliebt hat. „Der Baum muss zu mir passen! Ein Weihnachtsbaum ist mir sehr, sehr wichtig. Das war schon immer so. Schon als Kind“, sagt die 87-Jährige überschwänglich und mit strahlenden Augen, während sie einen 100-Euro-Schein aus dem Portemonnaie zieht. Zwischen zwei Minuten und einer halben Stunde dauere es, bis die Entscheidung für den Baum gefallen sei, erzählt der Verkäufer.

Im Prinzip hat er Langmut, lässt die Leute schauen, redet ihnen nicht rein, wenn sie ihre persönliche Sicht des Baums präsentieren und schält schicksalsergeben auf Wunsch Bäume aus ihren Plastiknetzverpackungen. „Egal wie viele Bäume offen rumstehen, viele glauben immer, dass die Schönsten noch in den Netzen sind“, sagt er. „Sieben Bäume hat eine Frau mich letztens aus den Netzen holen und ihr zeigen lassen. Dann ist sie wutentbrannt abgezischt und hat gesagt: ,Sie haben keinen!’“

Eindeutig eine Vertreterin der unter Weihnachtsbaumverkäuferinnen und -verkäufern gefürchtetsten Gruppe. „Die Peniblen!“ Weber stöhnt. Ihn stört es nicht, wenn ein Baum nicht rundrum gleich schön ist. „Der steht doch meistens eh in einer Ecke und man läuft nicht drumrum.“ Immerhin gibt es auch andere Kunden. „Schwule und Lesben sind entschlussfreudiger. Die wissen, was sie wollen“, lobt der Verkaufsexperte. Für sein eigenes Zuhause sucht Karl-Heinz Weber seit dem Debakel vor einigen Jahren übrigens konsequent keinen Baum mehr aus. „Dat lass’ ich nur noch meine Frau machen.“

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