„NSU-Komplex“ auflösenEigenes Tribunal zum NSU-Komplex

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Das depot in Köln-Mülheim

Köln – Zehn Morde, drei Bombenanschläge und viele Verletzte lautet die Bilanz der rassistischen Mord- und Terrorserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU).

Doch selbst nach etlichen Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern sowie einem seit fast vier Jahren laufenden Prozess, ist der Terror des NSU bis heute nicht restlos aufgeklärt. Grund genug für das Bündnis „NSU-Komplex auflösen“ ein eigenes Tribunal zum NSU-Komplex auf die Beine zu stellen.

Fokus soll auf gesellschaftliche Aspekte erweitert werden

„Bis heute ist die Hoffnung auf eine lückenlose Aufklärung nicht erfüllt worden“, sagte Schauspiel-Chefdramaturg Thomas Laue am Freitag bei der Vorstellung des Programms. Das Tribunal soll vom 17. bis 21. Mai im Depot 1 und 2 des Kölner Schauspiels stattfinden.

Mit zahlreichen Workshops, Ausstellungen, Theateraufführungen, Diskussionen, Filmvorführungen und Performance-Lesungen soll der Fokus von rein strafrechtlichen auf gesellschaftliche Aspekte wie Rassismus erweitert werden.

Perspektive der Betroffenen soll im Mittelpunkt stehen

„Die Opfer und ihre Angehörigen haben ein Recht auf eine lückenlose Aufklärung“, sagte Laue. Und Massimo Perinelli, Mitglied der Vorbereitungsgruppe des Tribunals, ergänzte: „Wir wollen über Rassismus reden und zeigen, dass Rassismus eine Struktur hat, die überwindbar ist.“ So solle ein Forum entstehen, sagte Perinelli weiter, das die Perspektive der Betroffenen in den Mittelpunkt rückt, indem sie „eigene Erfahrungen schildern und die Täter und ihre institutionelle Einbindung anklagen“.

Zudem beabsichtige das Tribunal, sich nicht ausschließlich mit dem NSU befassen zu wollen, sondern ein wichtiger Ort des Austauschs für Initiativen, Gruppen und Personen zu sein, die sich gegen Rassismus engagieren.

Aufsehen durch forensisches Gutachten erregt

Erwartet wird für die fünf Tage im Mai die Teilnahme zahlreicher Wissenschaftler, Künstler, Nebenklagevertreter aus dem Münchener Prozess sowie Aktivisten und Betroffene, „die immer gesagt haben, es habe sich um rassistische Anschläge gehandelt“, sagte Perinelli weiter.

Aufsehen hatte das Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“ erst am Donnerstag erregt. Es legte ein neues forensisches Gutachten zum Mord an Halit Yozgat vor. Der war 2006 in seinem Kasseler Internetcafé erschossen worden, während sich der Geheimdienstmitarbeiter Andreas Temme dort aufhielt. Temme hatte aber ausgesagt, dass er nichts von dem Mord mitbekommen habe. Das Gutachten kommt zu einem anderen Schluss und könnte noch eine Rolle im NSU-Prozess spielen.

Das NSU-Tribunal

Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ findet vom 17. bis 21. Mai in der Interimsspielstätte des Kölner Schauspiels in Mülheim statt. Mittwochs startet das Tribunal um 20 Uhr mit einer Eröffnung. An den restlichen Tagen beginnt das Programm ab 10 Uhr. Tageskarten sind ab sofort erhältlich. Karten für die Eröffnung kosten zehn Euro, ermäßigt fünf Euro. Für die restlichen Tage müssen Interessierte 15 oder sieben Euro zahlen.

Das Programm kann unter www.nsu-tribunal.de abgerufen werden. Zudem bittet das Organisationsteam um Spenden unter: www.betterplace.org/p52657

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