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Live-Experiment in KölnTanztee bis Tinder – von den Tücken des Online-Datings

3 min
Symbolbild Frau mit Smartphone

Symbolbild - Frau mit Smartphone

Köln – Früher war alles anders. Wer auf der Suche nach der großen Liebe war, der musste dahin, wo andere Menschen waren. Ins Tanzlokal zum Beispiel, zum Speed-Dating oder an die Bar. Heute kann das zwar immer noch funktionieren, nötig ist das aber nicht mehr unbedingt. Online-Dating macht’s möglich. Was lange verpönt war, ist mittlerweile in der Gesellschaft akzeptiert. So gut wie jeder hat in seinem Bekanntenkreis Menschen, die ihren Partner übers Internet kennengelernt haben.

Online-Dating hat auch seine Schattenseiten

Eine gute Entwicklung also? Durchaus. Doch Online-Dating hat auch seine Schattenseiten. Wera Aretz von der Kölner Hochschule Fresenius kennt die Tücken. Die Professorin für Psychologie forscht schon lange zum Thema und ist so etwas wie eine Online-Dating-Expertin.

Beim Daten im Internet gehe es zunächst Mal um eine „strategische Selbstdarstellung“, sagt sie. Das, was dem Gegenüber in Bild und Text vorgesetzt wird, kann der Realität entsprechen – oft ist das Gegenteil der Fall. „Es wird oft geschummelt“, weiß Aretz. Schließlich gilt es, aus der grauen Masse hervorzustechen. Im Rahmen der Reihe „Wissenschaft in Kölner Häusern“ lud sie gemeinsam mit ihren Studierenden zum Live-Experiment und anschließenden Vortrag ins Hallmackenreuther am Brüsseler Platz.

Erster Eindruck wird live untersucht

Die erste Phase des Experiments: Elf Frauen und elf Männer bewerten die fiktiven Online-Profile aller Vertreter des anderen Geschlechts. Ein Foto, das Alter und eine kurze Information zur Person: Die Größe, ein Hobby oder ein besonderes Talent – mehr gibt das Profil nicht her. Die Teilnehmer bewerten unterschiedliche Parameter: Attraktivität, Sympathie, Offenheit oder Selbstbewusstsein. Dann geht es ins Speed-Dating. elf kurze Treffen á zwei Minuten bedeutet das.

Die Reihe

„Wissenschaft in den Kölner Häusern“ gibt es seit 2014. Die Idee: wissenschaftliche Themen mit außergewöhnliche Orten verknüpfen.

Die Veranstaltungen laufen noch bis zum Freitag. Infos zum Programm gibt es im Internet. (sim)

koelner-wissenschaftsrunde.de

Das Ergebnis an diesem Abend: Nur in gut einem Drittel der Fälle passt der Eindruck nach dem realen Aufeinandertreffen zum fiktiven Kurz-Profil. „Es war total spannend“, berichtet eine Teilnehmerin. „Mal stimmte alles überein, so wie man es sich vorgestellt hat. Mal lag ich mit dem ersten Eindruck komplett falsch.“

Idealvorstellung gegen realistisches Bild

Was im Hallmackenreuther nur im Ansatz sichtbar wird, ist wissenschaftlich bereits gut erforscht. „Bei der Erstellung des Profils orientieren sich Menschen eher an ihrem idealen Selbstbild statt an ihrem tatsächlichen Selbst“, sagt Aretz. „Frauen schummeln gerne beim Gewicht, beim Alter und retuschieren ihre Fotos oft noch ein bisschen mehr. Männer schummeln häufiger bei ihrer Größe und ihrem Bildungsstatus.“ Wenn es dann nach den ersten Annäherungen übers Internet zu einem realen Treffen kommt und die Erwartung nicht erfüllt wird, ist der Frust oft groß.

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Warum Online-Dating mittlerweile trotzdem von so vielen Menschen genutzt wird, liegt laut Aretz nicht nur an den Möglichkeiten des Internets, sondern an einer generellen gesellschaftlichen Veränderung. „Wir heiraten nicht mehr mit 18 und sind dann ein Leben lang zusammen, sondern haben serielle Beziehungen.“

Bis Menschen heiraten, haben sie viel mehr Partnerschaften durchgemacht, als das früher normal war. Frauen heiraten durchschnittlich erst mit 32 Jahren, Männer mit 35. Mit der Ehe ist dann im Schnitt nach 15 Jahren wieder Schluss. „Mit Ende 40 spülen die Menschen also wieder auf den Markt“, erklärt Aretz. So kommt es dazu, dass nicht nur junge Menschen im Internet auf Partnersuche gehen, sondern alle Altersgruppen.