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PilotprojektWie die Stadt Köln mit Textilfassaden die Luft reinigen will

Lesezeit 3 Minuten
Die Visualisierung zeigt die Textilmembran an der Fassade des VHS-Studienhauses.

Die mögliche Einbausituation am VHS-Studienhaus an der Cäcilienstraße nahe des Neumarkts.

Was den Schutz des Klimas angeht, hat die Stadt Köln große Ziele. Auf dem Weg zur Klimaneutralität 2035 führt kein Weg an Innovation vorbei.

 Ein Pilotprojekt soll von Köln aus in andere Großstädte strahlen: Zwei riesige Textilfassaden in der Nähe des Neumarkts sollen Stickoxid aus der Luft filtern und sozusagen zu Dünger umwandeln.

Wo genau werden die Luftfilter angebracht?

Am Studienhaus der Volkshochschule Köln an der Cäcilienstraße 35, gleich neben dem Kulturzentrum am Neumarkt. Die Straße ist die Verlängerung des Neumarkts in Richtung Pipinstraße, Heumarkt und Deutzer Brücke. Mit der Anbindung ins Rechtsrheinische gehört sie zu den meistbefahrenen Straßen der Stadt. Die Textilmembrane sollen vor die Fassade des Studienhauses zur Straße hin gespannt werden, jeweils in einer Größe von acht mal 20 Meter. Wie sie bedruckt werden, ist noch offen.

Wie lange bleiben die Textilfassaden dort?

Der Projekt-Startschuss ist sozusagen schon gefallen. Derzeit laufen die Abstimmungen zwischen Stadt und den Projektpartnern. Läuft alles nach Plan, sind die beiden überdimensionalen Luftfilter bis Ende des Jahres produziert und werden Anfang 2024 aufgehängt. Rund ein Jahr lang sollen sie bleiben.

Welche Unternehmen stecken dahinter?

Die Stadt Köln hat gleich mehrere Kooperationspartner bei diesem Umweltprojekt. Zum einen die Stiftung „Lebendige Stadt“, die als Projektförderer und Impulsgeber fungiert. Die Stiftung hat bereits 2020 die weltweit erste luftreinigende Textilfassade in Hamburg (siehe Foto) realisiert. Als weiterer Partner fungiert die Firma Schüco mit Sitz in Bielefeld, die Systemlösungen entwickelt, unter anderem für Fassaden. In Kooperation mit der münsterländischen Fassadenfirma Hillebrandt übernimmt Schüco Herstellung und Montage der Fassaden. Zudem gehört noch das Forschungszentrum Jülich zu den Beteiligten. Denn die Fassade soll in Echtzeit Daten über die Luftreinigung liefern. Und wo Daten erfasst werden, dürfen Wissenschaftler nicht fehlen, die sie auswerten.

Die Textilfassade in Hamburg.

Die Textilfassade in Hamburg.

Wie funktionieren diese Luftfilter?

Jede dieser zwei Textilfassaden ist eine Membranfläche, die mit Messtechnik ausgestattet ist. Diese Membranen – hergestellt aus recycelten PET-Flaschen – erhalten eine Beschichtung mit Nano-Titandioxid. Diese Kleinstpartikel befinden sich zum Beispiel in Wandfarbe. Über Titandioxid gibt es in der Gesundheitswelt viele Diskussionen, seit 2019 ist das Farbpigment in Nahrungsmitteln verboten. Im Falle der Membranen sind die Partikel jedoch gebunden und werden nicht freigesetzt. Die Stadt erklärt: „Die Fassade filtert mittels aufgebrachter Wirkstoffe gesundheits- und umweltschädliche Stickoxide und wandelt diese in unschädliche Nitrate um.“ Die übrig bleibenden Nitrate kommen als wasserlösliche Salze von Natur aus im Boden vor und können als Dünger genutzt werden. Damit schließt sich der Kreislauf des Umweltprozesses.

Wer trägt die Kosten?

Die Stadt stellt die Fassade zur Verfügung und erstattet rund 20.000 Euro an Gebühren. Die Stiftung „Lebendige Stadt“ finanziert mit rund 100.000 Euro die Forschungsarbeit und den Löwenanteil übernimmt das international agierende Unternehmen aus Ostwestfalen: Schüco finanziert die Membran mit rund 250.000 Euro.

Woher kommt die Idee?

Die Weltpremiere der Fassade ermöglichte die Firma ECE aus Hamburg. Der Kopf dahinter ist Architekt Jan Serode, der mit dem Forschungsprojekt der funktionalisierten Textilfassade im Bereich Baukonstruktion an der RWTH Aachen seinen Doktortitel erlangte.

Was verspricht sich die Stadt Köln davon?

„Dieses innovative Projekt soll wegweisenden Charakter auch für andere Städte haben“, erklärt die Stadt. Tatsächlich hat die Fassade in Hamburg laut ECE die Schadstoffbelastung um ein Drittel reduziert. Zudem sei nachgewiesen worden, dass die Gebäudehülle die Kühllasten von Häusern um bis zu 78 Prozent verringern kann.