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Igel, Siebenschläfer und EichhörnchenWie eine Wildtierstation in Köln rund 2000 Leben im Jahr rettet

4 min
Ein Igel liegt in einem Handtuch und wird per Spritze mit Brei gefüttert.

Die Igel in der Station müssen in vielen Fällen mehrmals am Tag mit der Hand gefüttert werden.

Tierärztin Susanne Mitlacher und ihr Team sind jeden Tag auf Gut Leidenhausen in Porz im Einsatz. Ehrenamtliche Hilfe ist dafür dringend nötig.

Eine Schublade für jeden Igel. Wie ein kleines Archiv wirkt der schmale Gang aus zwei deckenhohen Regalen. Nur, dass dort keine Dokumente, sondern pflegebedürftige Tiere untergebracht sind. Zwischen 40 und 60 Igel sitzen in den Fächern und warten darauf, dass Tierärztin Susanne Mitlacher und ihr Team sie behandeln. Aus der ganzen Stadt bringen besorgte Menschen die verletzten oder schwachen Igel zur Wildtierstation auf Gut Leidenhausen in Porz.  Mähroboter, Autos, Parasiten, Futtermangel: Probleme haben sie genug.

In einer extra für die Station gebauten Konstruktion finden die Igel Platz. Ehrenamtliche hegen und pflegen sie täglich.

In einer extra für die Station gebauten Konstruktion finden die Igel Platz. Ehrenamtliche hegen und pflegen sie täglich.

Die kleinen Stacheln eines Jungtieres piksen in das Handtuch, in dem Mitlacher ihn hält. Er bekommt sein Futter mit Hilfe einer Spritze, weil er nicht selbstständig frisst. Andere haben Verletzungen, brauchen Medikamente oder eine Infusion. Bei besonders schweren Verletzungen operiert die Tierärztin. „Ziel ist immer die Auswilderung“, erklärt die 36-jährige Tierärztin. Wenn die Hilfe zu spät kommt, müssen die Tiere eingeschläfert werden, um ihnen weiteres Leid zu ersparen. „Auch das gehört zum Tierschutz dazu.“ 

Rund 2000 Tiere wurden laut Mitlacher in diesem Jahr auf der Station gerettet. Neben Igeln leben dort auch Eichhörnchen, Singvögel und Bilche, also Nagetiere wie Siebenschläfer. In großen Volieren kommen sie im Außenbereich unter. Zwei Siebenschläfer, die am Wegesrand aufgelesen wurden, kuscheln sich in einem Holzhäuschen aneinander. Das scheue Eichhörnchen flitzt aus seinem Holz-Laufrad in sein Versteck. Im Innenbereich stehen weitere Käfige: Neben Spechten, Schwalben und anderen Singvögeln sind hier manchmal auch seltene Gäste wie Fledermäuse, ein Kuckuck oder ein Eisvogel zu finden. Die Stille, wie sie in den Wintermonaten in der Station herrscht, ist in der Brutzeit von April bis August allerdings vorbei. Dann brauchen hunderte junge Vögel die Hilfe des Teams – und machen in den Brutkästen ordentlich Lärm.  

Susanne Mitlacher hält einen Igel in einem Handtuch.

Susanne Mitlacher (36) hat die Wildtierstation gegründet.

Täglich sind mindestens drei Personen im Einsatz, um eine Zwölf-Stunden-Schicht abzudecken. Unterstützt wird Mitlacher, die in Teilzeit in der Station arbeitet, stundenweise von zwei Tierpflegern, zwei Personen im Bundesfreiwilligendienst und rund 30 Ehrenamtlichen. Eine davon kommt gerade mit einem Igel in einem Einkaufskorb in die Station. Anna Meurer hat für einige Tage die Fütterung eines kleinen Igels mit der Spritze übernommen. Wegen mangelnder Kapazität nehmen die Ehrenamtlichen die Tiere teils mit nach Hause. Sogar ins Büro durfte er mitkommen. Umso trauriger ist es, wenn der Einsatz nicht zum erhofften Erfolg führt. „Wenn die Tiere sterben, geht einem das ans Herz. Da vergießt man auch mal eine Träne“, sagt die Ehrenamtlerin. 

Als Mitlacher ihre Wildtierstation vor fünf Jahren gründete, war diese noch notdürftig auf einem Gelände in Mülheim untergebracht. „Es ist das absolut Schönste, die Tiere wieder freizulassen und zu sehen, wie sie aufblühen“, erklärt sie ihre Motivation. Vor rund zwei Jahren kam dann durch die Unterstützung der Stadt Köln der Umzug in eines der Backsteingebäude von Gut Leidenhausen. Die Stadt finanziert ein Drittel der Kosten, für den Rest ist die Station von Spenden abhängig. Rund 150.000 Euro benötigt das Projekt jährlich.

Zwei Siebenschläfer kuscheln sich aneinander.

Auch Siebenschläfer finden Unterschlupf in der Wildtierstation.

„Jedes Leben ist schützenswert. Die meisten Probleme, mit denen die Tiere zu kämpfen haben, sind menschengemacht. Und weil wir als Gesellschaft mitverantwortlich dafür sind, dass es ihnen nicht gut geht, sind wir auch mitverantwortlich dafür, ihnen zu helfen“, sagt die Tierärztin. Igel werden das ganze Jahr lang in der Station abgegeben. Das häufigste Problem sind laut der Tierärztin Parasiten. „Die bekommen die Parasiten, weil sie vermehrt Weichtiere wie Schnecken fressen, die oft befallen sind. Eigentlich fressen Igel größtenteils Käfer, aber von denen gibt es durch den Klimawandel immer weniger.“ Und auch die Lebensräume der Igel schwinden. „Kaum noch jemand lässt seinen Garten wild wachsen oder einen Laubhaufen liegen.“


Ehrenamtliche Hilfe wird in der Wildtierstation in Gut Leidenhausen ständig gesucht. Sowohl beim Versorgen der Tiere, als auch bei administrativen oder handwerklichen Aufgaben kann geholfen werden. Darüber hinaus freut sich das Team immer über Sach- und Futterspenden. Seit kurzem gibt es zudem die Möglichkeit, Patenschaften für Tiere zu übernehmen (oder zu verschenken). Interessierte Personen können sich unter der Mail-Adresse wildtierstation@gut-leidenhausen.de melden. Alle Infos auch online.