„Wer schweigt, stimmt zu“Gegen Hetze und Stammtischparolen – Seminar hilft gegen Sprachlosigkeit

Lesezeit 3 Minuten
Menschen feiern bei der CSD-Parade in Köln: Der Kölner Christopher-Street-Day ist eine der größten Veranstaltungen der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren (LGBTIQ) Community in Europa.

Menschen feiern bei der CSD-Parade in Köln: Der Kölner Christopher-Street-Day ist eine der größten Veranstaltungen der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren (LGBTIQ) Community in Europa.

Ein Seminar in Zündorf informierte über Hintergründe von Hetze und bot Alternativen zum Schock-Schweigen.

Mit Vorurteilen gegen Ausländer, Geflüchtete, Homosexuelle, Arbeitslose, Muslime und weitere Gruppen sehen sich viele Menschen oft unerwartet konfrontiert. Fallen in der Kneipe, im Freundeskreis oder bei Familienfeiern diskriminierende Äußerungen, ist man als Andersdenkender bisweilen so erschüttert, dass einem keine Replik einfallen will. Hilfestellung beim Wunsch, bei derartigen Vorfällen nicht stumm zu bleiben, gab jetzt ein Abendseminar in der katholischen öffentlichen Bücherei Zündorf.

Diskriminierende Äußerungen: Wer schweigt, stimmt zu

„Grundsätzlich gilt: Wer schweigt, stimmt zu“, sagte Ellen Anders vom Büro „das Anderswerk“. Auf Einladung von Büchereileiterin Irene Herschbach zeigte sie Alternativen auf und schulte Interessierte darin, Polemik und deren Hintergründe zu erkennen. Jeder der Gäste hatte persönliche Erfahrungen mit Sprüchen, auf die die meisten im ersten Schock keine Antwort wussten. Und selbst wenn sie Gegenargumente vortragen konnten, war das Gegenüber nicht interessiert.

Ellen Anders arbeitete mit den Seminarteilnehmern heraus,  dass Polarisieren und Pauschalieren zum Wesen der Stammtischparolen gehört. Die Welt werde dann eingeteilt „in ein schlechtes ‚Die‘, dem ein gutes ‚Wir‘ gegenübersteht“. Oft entsprängen solche Sprüche dem Wunsch, simple Antworten auf die als bedrohlich empfundenen Fragen zu finden, mit denen Menschen in der heutigen Welt konfrontiert seien. Da würden Schuldige gesucht und mit Hass überzogen.

Die Belastungen in der Corona-Zeit hätten Polemik und Stammtischparolen zu bis dahin nicht gekannter Blüte gebracht, sagten einige Besucher – und seither seien die nicht mehr verstummt.

Strategie finden, die Sprücheklopfern den Wind aus den Segeln nimmt

Leicht sei es nicht, derlei Sprüche auszuhebeln, machte Ellen Anders deutlich. Mit logischen Argumenten komme man selten weiter, denn die Betreffenden seien an einem offenen Diskurs oft nicht interessiert. Um das Gesagte dennoch nicht als letztes Wort im Raum stehenzulassen, empfiehlt die Beraterin: „Nicht gleich drauflosreden, sondern sich erst sammeln und dann einer Strategie folgen, die nicht auf Konfrontation zielt, sondern den Sprücheklopfern den Wind aus den Segeln nimmt.“

Ein Zauberwort sei „genau“, empfahl Anders den Teilnehmenden. Hetze jemand etwa gegen „die Ausländer, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen“, helfe vielleicht schon eine dieser Fragen: „Wen genau meinst du? Um welche Arbeitsplätze genau geht es? Hast du genau das selbst erlebt?“ Dann erweise sich oft, dass die Parole auf wenig Grundlage beruhe.

Parolen nicht kommentarlos hinnehmen

Ein weiterer Weg sei, in nicht verletzender Weise deutlich zu machen, dass solche Sätze als persönlich kränkend empfunden werden. Es sei wichtig, das nicht als Vorwurf zu formulieren, sondern eben von den eigenen Gefühlen zu sprechen. Und schließlich könne auch ein deutliches Stopp-Signal helfen, das Ausufern solcher Parolen zu beenden.

„Das alles braucht Übung“, machte Anders deutlich. Es lohne sich aber,   Parolen nicht kommentarlos hinzunehmen. Das sei gut fürs Selbstwertgefühl und könne vorbeugend wirken. Denn es gebe fließende Übergänge zwischen verbaler Verunglimpfung und der Ausübung von Gewalt. „Wer bei den Äußerungen interveniert, schützt damit auch Bedrohte und Verfolgte“, sagte sie.

Rundschau abonnieren