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Kunst in ZündorfIm Wehrturm sind derzeit provokante Arbeiten zu sehen

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Eine Frau mit langem blonden Haar und Brille hält einen aus der Wand ragenden Arm, bei dem es sich um eine Kunstinstallation mit dem Titel "Tu was" handelt.

Agii Gosse freut sich, der Aufforderung der Installation "Tu was!" nachzukommen und den Arm herunterzudrücken.

Ein Hitlergruß empfängt die Besucher der aktuellen Ausstellung im Zündorfer Wehrturm. Der Kunstverein 68elf bittet dort zu seiner Jahresschau. 

Mit der schmutzigsten Geste der Nation werden Gäste im Eingangsbereich des Zündorfer Wehrturms empfangen. Ein Silikonarm hängt an der Wand, ausgestreckt mit flacher Hand zum Hitlergruß. Das Werk von Caspar Reuter gehört zu insgesamt 38 Exponaten des ersten Teiles der Jahresausstellung des Kunstvereines 68elf mit dem Titel „Was von Dir bleibt“, die derzeit im Zündorfer Wehrturm zu sehen ist. Der in Sülz ansässige Verein hat sie mit dem Bundesverband bildender Künstlerinnen und Künstler Bon/Rhein-Sieg und dem Kunstverein für den Kreis Rhein-Sieg organisiert.

Kunstverein 68elf befasst sich mit politischen Themen

Er befasst sich seit seiner Gründung vor nahezu 40 Jahren vor allem auch mit politischen Themen. So verkörpert Reuters Installation mit dem Titel „Tu was!“ einen Aufruf an die Gesellschaft: Die Ausstellungsbesuchenden können den mit Scharnieren befestigten Arm herunterdrücken – der allerdings, durch ein Gewicht beschwert, wieder hochschnellt. Agii Gosse, die die Ausstellung zusammen mit Tanja Chimes, Suki Meyer-Landrut, Christine Pohlmann und Georg Schnitzler kuratiert hat, erläutert den Zusammenhang des bösen Grußes mit dem Ausstellungstitel: „Was bleibt, bezieht sich hier auf eine Person, über deren Verschwinden, man froh ist, Hitler“, sagt sie. Geblieben sei das faschistische Gedankengut in der Gesellschaft, das aktuell wieder aufflamme, dieses Mal nicht in Gestalt von braun Uniformierten, sondern der Partei mit dem blauen Logo.

Ausstellung im Zündorfer Wehrturm läuft bis 5. Oktober

Die Werke der Ausstellung sind von der Arbeitsweise und den transportierten Aussagen vielfältig. In Form von Zeichnungen, Malerei, Skulpturen, Installationen, Drucken und Fotografien haben die teilnehmenden Künstler und Künstlerinnen politische, poetische und sehr persönliche Themen zum Ausdruck gebracht. Gosse selbst hat eine Fotografie beigesteuert von zwei Cowboys, die durch die Prärie reiten. Die Aufnahme stammt aus dem Film „Brokeback Mountain“. Gosse hat sie bearbeitet zu einem mystisch bläulich-verschwommenen Traumbild. „Was von dem Verlorenen bleibt, ist die Sehnsucht“, erklärt sie. Die Fotografie bildet ein Gefühl ab, mehr als nur romantisches Sehnen nach einer bestimmten Person, das nach einem verlorengegangenen Lebensgefühl, nach Freiheit, Natur, Kameradschaft dem einfachen Leben, das sich auf die wichtigen Dinge beschränkt.

Auf einem Schwarz-Weiß-Foto ist ein einzelner Handschuh zu sehen, der verloren auf einer Straße liegt, darauf ein verwittertes Blatt.

Ein Handschuhfoto von Sabina Flora hängt an einer Treppenstufe.

Überall in der Ausstellung, oft an den Treppenstufen, hängen kleinformatige Fotos von Sabina Flora. Sie zeigen jeweils „Ein halbes Ganzes“, verlorene einzelne Handschuhe, die einst als Paar unterwegs waren. Flora hat sie an verschiedenen Fundorten in der Stadt fotografiert hat, und damit eine Bildreihe über für das schmerzliche Vermissen von Dingen und Einsamkeit geschaffen. Ein schmerzvolles Gefühl als Überbleibsel ist Thema von Tanja Chimes berührenden Installation „Jetzt bist Du erwachsen“, ein embryoartiges rund-niedliches Tongebilde, das mit einigen dünnen Schnüren an den es umgebenden Metallrahmen verknüpft ist, manche sind durchtrennt. „Auch erwachsen, fühle ich mich nach dem Tod der Eltern verletzbar und schwach wie ein Kind“, erläutert Chimes im Flyer zur Ausstellung.

Die Ausstellungsebenen verbindet ein leuchtender von der Decke hängender Stab von Helmut Hergarten, der zugleich Architekt ist und sie für das Treppenhaus im Turm von Gottfried Böhm kreiert hat. Sie symbolisiert den himmelwärts aus dem Körper schwindenden Geist und somit die Endlichkeit des Lebens, verweist aber gleichzeitig auf Teil Zwei der Ausstellung: Hergartens Lichtinstallation trägt denselben Titel wie sie: „Welt ohne mich“ wird am 13. September im Pumperwerk in Siegburg eröffnen.


Die Ausstellung im Zündorfer Wehrturm, Hauptstraße 181 läuft bis Sonntag, 5. Oktober, und ist mittwochs sowie samstags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.