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Prozess in Köln beginntMissbrauchsfall Wermelskirchen zeigt „neue Dimension der Brutalität“

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ARCHIV - 20.02.2017, Nordrhein-Westfalen, Köln: Außenansicht des Landgerichts Köln. Im Dezember 2022 beginnt der Prozess im Missbrauchskomplex Wermelskirchen gegen einen heute 45-Jährigen.

Ein 45-jähriger Mann aus Wermelskirchen muss sich vor dem Kölner Landgericht wegen schwerster Missbrauchsfälle an Kindern verantworten.

Der Prozess in Köln gegen den Angeklagten Markus R. wird schockierende Details offenbaren. Am Dienstag wird die Staatsanwaltschaft zunächst nur die erschütternde Anklage vorlesen. Der 45-Jährige soll Babys brutal missbraucht haben.

Es ist ein Prozess, der Richter, Staatsanwälte, Schöffen und Journalisten an ihre Grenzen bringen wird: Ab Dienstag muss sich ein 45-jähriger Mann aus Wermelskirchen vor dem Kölner Landgericht wegen   schwerster Missbrauchsfälle an Kindern verantworten. Schon jetzt ist klar:   Die 138 Seiten umfassende Anklage der Staatsanwaltschaft ist ein Schriftstück des Entsetzens. „Erschütternd“, „grausam“, „menschenverachtend“ oder eine „neue Dimension der Brutalität“ sind Worte und Sätze derjenigen, die sich mit den Taten aus beruflicher Sicht bisher befasst haben.

45-Jähriger führte ein unauffälliges Leben

Verheiratet, kinderlos, Computerspezialist: Der Angeklagte Markus R. führte bis zu seiner Festnahme ein unauffälliges Leben. Der 45-Jährige arbeitete zuletzt im IT-Bereich für die Leverkusener Bayer AG. Als die Polizei bei ihm am 3. Dezember 2021 einfiel, rückte sie mit einem Spezialeinsatzkommando (SEK) an. Nicht etwa weil der Beschuldigte als gefährlich galt, vielmehr wollte man ihn am „offenen Rechner“ erwischen, wie Hauptkommissar Jürgen Haese berichtete. Dadurch konnte verhindert werden, dass verschlüsselte Daten verloren gehen.

Als das SEK in die Wohnung stürmte, war Markus R. gerade in einem beruflichen Video-Meeting, und die Teilnehmer glaubten an einen Überfall. Die Kollegen wählten den Notruf – aber die Polizei war schon da. Sie fand über 30 Terabyte Daten, 3,5 Millionen Bilder und 1,5 Millionen Videos, die sexuellen Missbrauch von Kindern und Säuglingen zeigen. „Das, was ich gesehen habe, hat mich bis ins Mark erschüttert“, sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Roth. Auf die Spur des Mannes waren die Ermittler durch ein Verfahren in Berlin gekommen, bei dem es auch um sexuellen Missbrauch von Kindern ging.

Angeklagter gab sich im Internet als Babysitter aus

Laut der Anklage soll sich der Angeklagte über Internetportale als Babysitter angeboten haben. Er habe „mehr als zehn Jahre Erfahrung als Babysitter“, Referenzen gebe es auf Anfrage, behauptete er. Er lege Wert auf ein Kennenlernen und eine   Eingewöhnungszeit zusammen mit den Eltern, ist in dem Bewerbungsschreiben zu lesen.

Bei seinen Babysitterdiensten soll R.   wiederholt Kinder massiv vergewaltigt haben. Mitunter soll er ihnen vorher Schlafmittel verabreicht haben. In anderen Fällen, so heißt es in der Anklage, habe er wenige Monate alte Kinder missbraucht – obwohl sie schrien, weinten und versuchten, vor ihm wegzukrabbeln. So sollen manche Kinder während des Missbrauchs keine Luft bekommen haben.

R. soll mehrfach in Trinkfläschchen uriniert haben, um die Kinder im Anschluss daraus trinken zu lassen. Zudem soll er sich auch an behinderten Kindern vergangen haben, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Auf dem gesicherten Datenmaterial sehe man „brutalste Vergewaltigungen von Babys und Kleinkindern“, ergänzte Haese.

Am Dienstag wird die Staatsanwaltschaft zunächst nur die erschütternde Anklage vorlesen. Zeugen werden nicht erwartet. Nach der Verhandlung ist ein Statement der Anwälte vorgesehen. Dem „Spiegel“ sagte ein Verteidiger: R. wisse, „dass ihn zu Recht eine lange Freiheitsstrafe erwarte“.

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