Prozess um Missbrauch in KölnGummersbacher Pfarrer U. sieht sich als „Bauernopfer“

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angeklagter Missbrauch Gummersbach 2

Der angeklagte katholische Priester hält sich im Gerichtssaal eine Mappe vor das Gesicht. 

Köln – Es waren zwei sehr unterschiedliche Geistliche, die am Dienstag im Missbrauchsprozess gegen den katholischen Priester U. vor dem Kölner Landgericht aussagten. Laut Anklageschrift soll sich der frühere Pfarrer zwischen 1993 und 1999 in 31 Fällen in Gummersbach an seinen drei minderjährigen Nichten vergangen haben - davon in drei Fällen schwer. Zudem soll U. 2011 in Wuppertal zwei Mal ein elfjähriges Mädchen missbraucht haben.

Bonner Zeuge will nicht über „Mitbruder“ herziehen

Zunächst sprach vor der zweiten Großen Strafkammer ein 77-jähriger Priester aus Bonn, der den Angeklagten 1979/80 beherbergt hatte, während dieser in Alfter sein Diakonat abgeleistet hatte. Der Angeklagte habe eine Mansardenwohnung im Pfarrhaus gehabt, in der zeitweise auch seine beiden Pflegekinder über längere Zeiträume hinweg übernachtet hätten. Über die Zimmeraufteilung könne er aber nichts sagen, so der Zeuge, da seine Wohnung im Stockwerk darunter gelegen habe. „Es ist nicht meine Aufgabe, etwas zu beurteilen. Ich habe was dagegen, wenn ein Mitbruder über einen anderen herzieht“, äußerte der Bonner als Zeuge.

Klare Position bezog hingegen der 50-jährige Euskirchener Kreisdechant im Zeugenstand – etwa, als der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann ihn darauf ansprach, ob er davon wisse, dass Mädchen im Pfarrhaus übernachtet hätten. „Ich habe nie davon gehört, aber es wäre ein absolutes No-Go. Man kann als Priester keine Kinder mit ins Haus nehmen, schon gar nicht Mädchen.“ Nach seiner Einschätzung wäre das auch 1990 oder 2000 nicht anders gewesen.

Weitere Opfer meldeten sich

Die Vorwürfe, die im Prozess zur Rede stehen, bezogen sich zunächst überwiegend auf die 1990er Jahre. Seit Verfahrensbeginn haben sich jedoch weitere mutmaßliche Opfer gemeldet, die eventuell auch deutlich früher oder in der jüngeren Vergangenheit Opfer von Kindesmissbrauch geworden sein könnten.

Gegenstand des Verfahrens ist inzwischen unter anderem das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Pflegetochter. Schon, dass er überhaupt zwei Pflegekinder hatte, gilt als ungewöhnlich: Er habe niemals davor oder danach von einem vergleichbaren Fall gehört, berichtete der ältere der beiden Zeugen. Gleichwohl könne er sich kaum an Details erinnern: „Dazu kann ich beim besten Willen nichts sagen“, war wohl sein häufigster Satz an diesem Vormittag.

Kreisdechant kannte Vorwürfe gegen U zunächst nicht

Auch schriftliche Unterlagen, aus denen Richter Kaufmann zitierte, halfen seinem Gedächtnis nicht auf die Sprünge. Aus einem Brief an den damaligen Kölner Erzbischof Joseph Höffner aus dem Jahre 1980 geht hervor, dass der Angeklagte offen um das Sorgerecht für die beiden Pflegekinder kämpfte. Der 77-jährige Zeuge habe sich nur gefragt, ob der Angeklagte zeitlich in der Lage sein würde, sich neben seiner Aufgabe als Priester um zwei Kinder zu kümmern.

Der Zülpicher Kreisdechant berichtete, den Angeklagten 2016 kennengelernt zu haben, als dieser ein leerstehendes Pfarrhaus kaufte. Dass es zu dem Zeitpunkt bereits eine kirchenrechtliche Beurlaubung wegen Missbrauchsvorwürfen gegeben habe, sei ihm unbekannt gewesen. Als er von den Vorwürfen erfahren habe, sei er schockiert gewesen und habe das Gespräch gesucht. Der Angeklagte habe sich als „Bauernopfer“ dargestellt und gesagt, die mutmaßlichen Missbrauchsopfer verfolgten mit ihren Aussagen finanzielle Interessen. Dem Kreisdechanten zufolge soll der Angeklagte so auch noch argumentiert haben, als eine Frau aus der Gemeinde ihm in der Weihnachtszeit Plätzchen brachte. Das Verfahren lief da bereits seit Wochen und hatte mehrere Personen veranlasst, sich auch als Betroffene zu outen.

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Warum man ihn nicht von Anfang an über die Missbrauchsvorwürfe gegen U informiert habe, habe er noch nicht herausgefunden, sagte der Kreisdechant aus. „Ich hätte ihn ja ohne Weiteres auch in der Jugendseelsorge eingesetzt“, so der 50-Jährige. „Was wäre, wenn auch in Zülpich etwas passiert wäre? Wir haben gehört, es soll auch dort Übernachtungen gegeben haben“, hielt Richter Kaufmann dem Zeugen vor. „Das höre ich zum ersten Mal. Das wäre schrecklich. Das wäre schon sehr belastend“, antwortete dieser.

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