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Fährbetrieb startet wiederWie Kölns Fährmann unter der Corona-Krise leidet

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Man muss sich eben zu helfen wissen: „Warteschilder“ für Passagiere in mit Sand gefüllten Eimern (l.).

Man muss sich eben zu helfen wissen: „Warteschilder“ für Passagiere in mit Sand gefüllten Eimern (l.).

  • Seit 1987 befördert der Fährmann Fußgänger und Radfahrer zwischen Weiß und Zündorf hin und her.
  • Doch dann kam Corona: Statt seit März hat er mit seinen drei Mitarbeitern erst im Mai den Betrieb wieder aufgenommen.

Weiß – Schon 2019 war für Fährmann Heiko Dietrich kein gutes Jahr. Anfang September wurden er und seine Frau mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, als ein Tanker sein Fähren-Ensemble am Leinpfad rammte, zu dem neben seinem Hausboot auch die Passagierfähren gehörten. Der Schaden war beträchtlich und ist noch zu sehen.

Nicht, dass Dietrich seitdem die Hände in den Schoß gelegt hätte. Schweißen, Flicken, Optimieren sind sein tägliches Geschäft. Seit 1987 befördert der Fährmann Fußgänger und Radfahrer zwischen Weiß und Zündorf hin und her. Doch dann kam Corona: Statt seit März hat er mit seinen drei Mitarbeitern erst im Mai den Betrieb wieder aufgenommen. Das „wie“ hat er sich selbst überlegen müssen, Stadt und Wasseramt waren, wie er sagt, keine große Hilfe.

Warteschilder made in Eigenbau

Am Leinpfad stehen nun die Radfahrer an vorgezeichneten Linien, um Abstand zu halten. Da die Fähre in Zündorf am Steg anlegt, musste sich Dietrich für die „Schäl Sick“ eine eigene Abstandsregelung einfallen lassen. In mit Sand gefüllten Eimern stehen zwölf „Warteschilder“ für die Passagiere bereit. „Wir recyceln hier eigentlich alles“, erklärt der 76-Jährige, selbst der Sand vom Ufer wird genutzt. Es ist ein anstrengendes Prozedere, denn morgens und abends müssen zunächst die Abstandshalter aufgestellt werden.

Generell sei Corona für ihn „lästig“, vor allem aber ein finanzielles Desaster. „Ich habe ein wirtschaftliches Problem“, sagt er und erklärt, dass er erst durch ein Rundschreiben der Stadt zu Veranstaltungen bis zu 100 Personen entnommen habe, dass er vielleicht wieder seinen Betrieb aufnehmen könne.

Mundschutz an Bord ist Pflicht

Auch von der Wasserschifffahrt waren keine Informationen einzuholen. „Amtlich haben wir nichts“, erklärt Dietrich. Löhne, Versicherungen und sonstige Kosten hat er zwischenzeitlich aus der eigenen Tasche bezahlt. „Wir müssen alleine monatlich 7000 Euro Löhne mit dem Fährdienst reinholen“, rechnet er vor.

Wer aktuell mit der kleineren der Fähren, der Krokolino, die derzeit in Betrieb ist, übersetzen möchte, muss einen Mund- und Nasenschutz tragen – auch während der Fahrt. 95 Prozent der Passagiere würden sich freiwillig daran halten, die restlichen werden angesprochen. Dietrich wertet eine Nichtbeachtung als persönlichen Affront: „Das ist eine Beleidigung. Menschen, die keine Maske tragen, gefährden das Leben anderer“, sagt der Fährunternehmer. Er war schon immer bekannt dafür, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg zu halten.

Wie über den Winter kommen

Der Corona-Modus auf dem Schiff ist „made bei Dietrich“. Mit einem gewissen verschrobenem Humor ist der „Kassenautomat“ zu verstehen, der am Eingang der Fähre steht. Normalerweise wird während der Fahrt per Handkasse abgerechnet. Jetzt übernimmt die Aufgabe ein aus Holz gebastelter Kasten, auf dem „Kassenautomat“ steht und mit dem der direkte Austausch mit Bargeld vermieden werden soll. Weiße Markierungen und Pfeile auf dem Fährboden erklären die neuen „Laufwege“ während der Überfahrt. Hier finden sich auch die Zahlen eins bis zwölf für die Räder – ohne Corona könnten bis zu 40 Personen mitfahren.

Bis jetzt werde vor allem am Wochenende das Angebot ganz gut angenommen. Doch in der Woche nutzten wenige die Überfahrt über den Rhein. Ein finanzielles Risiko: „Wenn wir ununterbrochen fahren, kommen wir vielleicht hin“, erklärt Dietrich. Ob der eingeschränkte Fährverkehr reicht, um den Winter zu überbrücken, weiß er noch nicht. „Wir müssten uns jetzt eigentlich ein Fettpolster ansparen“, sagt er. Aufgeben ist allerdings keine Option: Vor allem seine Mitarbeiter sollen einen Arbeitsplatz haben. Derzeit heckt er eine Strategie aus, den drei Angestellten das Fährunternehmen als „Mitarbeiter-Genossenschaft“ zu übergeben. Die Stadt will er mit 34 Prozent beteiligen. Dafür kämpft er derzeit, mittlerweile hat er sich auch einen Anwalt „ins Boot geholt“.

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