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Die Tücken des „t“Schreibschrift zu lernen, ist mühsam – dennoch halten es Lehrkräfte immer noch für wichtig

Lesezeit 4 Minuten
Schulranzen stehen in einer Grundschule.

Wie lernen Kinder an Grundschulen das Schreiben? (Symbolbild)

Die Schreibschrift ist dabei ein großer Teil der Entwicklung. Mit ihr lernen wir unsere individuelle Handschrift kennen und können schneller schreiben.

29 Kinder recken in der Igelklasse in der katholischen Grundschule Mainstraße in Rodenkirchen die Arme in die Luft und wedeln mit den Händen. „Die Hände lockern sich“, weist Lehrerin Annette Vogel-Föll ihre Klasse an. „Die Finger begrüßen sich“, geht es weiter. Dann folgen weite Schwünge und Bögen durch die Luft. Die Stimmung ist so locker wie die Übungen. Was aussieht wie Sport im Sitzen, gehört zum Schreibschrift-Training im zweiten Schuljahr.

Schwung und Lockerheit sind wichtig

„Schwung und Lockerheit sind wichtig. Wir führen die Schreibschrift mit allen Sinnen ein“, erklärt Klassenlehrerin Vogel-Föll. Die erfahrene Lehrkraft weiß, dass es anspruchsvoll ist, Schreibschrift zu lernen. Seit Wochen trainiert sie mit den Sieben- und Achtjährigen.

Heute ist das kleine „t“ an der Reihe. Auf der Tafel sind Buchstaben in der sogenannten Schulausgangsschrift (SAS) aufgemalt. Unten im „Buchstabenhaus“ ansetzen, dann hoch, dann in der Mitte des „Buchstabenhauses“ wieder runter und dann noch einen Kringel am unteren Ende ansetzen. „An den sich der nächste Buchstabe anschließt. Welcher zum Beispiel?“, fragt die Lehrerin. „Ein i. Ein l. Ein a …“, begeistert rufen die Kinder ihre Antworten. „L ist mein Lieblingsbuchstabe“, erklärt Leo. Das kann er schon schreiben in Schreibschrift.

Das „t“ malt jedes Kind erst ein paar mal an der Kreidetafel nach. Dann schnappen sich die Schülerinnen und Schüler vier verschiedene Arbeitsblätter und erledigen sie selbstständig an ihren Plätzen. Nach der sportlichen Einführung sind die meisten mit Feuereifer bei der Sache. „Schreibschrift ist sehr, sehr schön“, sagt Henrik, 8. Auch Viktoria, die als einzige mit links schreibt, findet das. „Es ist ein bisschen anstrengend“, gibt indes die achtjährige Beren zu.

Ist es noch zeitgemäß?

Klassenkamerad Can ergänzt: „Wir hatten doch schon Druckschrift gelernt.“ Warum sich also nochmal abmühen? Und das in einer Zeit, in der das Tippen auf Tastaturen zum Alltag gehört? Ist es zeitgemäß, Schreibschrift zu unterrichten? „Ganz bestimmt“, findet Vogel-Föll. Die „verbundene Schrift“ sei so viel mehr als einfach eine Art, sich auszudrücken. Zum einen fordere sie durch die Motorik Kopf und Geist ganz anders als Druckschrift zu schreiben oder zu tippen. „Die gebundene Schrift schafft auch mehr Textfülle“, sagt die Lehrerin.

Die gebundene Schrift schafft mehr Textfülle. In der Handschrift drücken sich Persönlichkeit und Gefühl aus.
Annette Vogel-Föll, Lehrerin

Heißt: Wer erst einmal die Schreibschrift routiniert beherrscht, kann wesentlich schneller schreiben als, wenn er oder sie mühsam Druckbuchstaben malt. Einzelne Wörter sind eher voneinander getrennt und werden sichtbar. Und es entwickele sich eine persönliche Handschrift. „Ich finde, in der Handschrift drücken sich Persönlichkeit und Gefühl aus. Wenn wir hantieren, kommen Texte eher ins Fließen“, sagt Vogel-Föll.

Schreibschrift zu können, sei nicht unerheblich für die Persönlichkeit. Dass die Lehrpläne zuerst das Erlernen von Druckbuchstaben vorschreiben, lässt die Lehrerin unkommentiert. Gut findet sie indes, dass das Prinzip „Schreiben durch Lesen“, nach dem Grundschulkinder vor einigen Jahren unterrichtet wurden, kaum noch angewandt wird. Der Ansatz hatte bei vielen Kindern erst einmal zu einer äußerst eigenwilligen Rechtschreibung geführt. Silben und Wörter vermittelt Vogel-Föll schon früh. „Die Rechtschreibung prägt sich so besser ein“, findet sie.

Dass das Tippen auf Tastaturen Teil des täglichen Lebens ist, findet die Lehrerin in Ordnung. „Beides hat seine Berechtigung, man sollte nicht das eine gegen das andere ausspielen.“

Zum Ende der Doppelstunde Schreibschrift geht den Kindern in der Igelklasse das kleine „t“ locker von der Hand. Sie haben mehrere Arbeitsblätter mit Schwüngen und Buchstaben gefüllt. Jetzt soll jede Schülerin und jeder Schüler sein Werk noch einmal genau begutachten. „Und unter den Buchstaben, der euch am besten gelungen ist, mal ihr ein Herzchen“, fordert Vogel-Föll die Igelklasse auf. Ein „t“ zum Liebhaben.


Tipps für Eltern

Die Eltern sind als Vorbilder gefragt, die Handschrift im Alltag anzuwenden und sie mit ihren Kindern zu trainieren. Diese Auffassung vertritt Anne Deimel, stellvertretende Landesvorsitzende des Verband Bildung und Erziehung (VBE) NRW. Ihre Tipps: „Einkaufszettel, Notizen und kleine persönliche Briefe sind gute Möglichkeiten, gemeinsam mit den Kindern, die Handschrift zu üben.“

Der VBE fordert, die Handschrift nicht zu vernachlässigen. „Die Handschrift ist keinesfalls überholt, sondern elementar für das erfolgreiche Lernen. Die Handschrift trainiert die motorischen Fähigkeiten und fördert das Gedächtnis. Diese positiven Auswirkungen der Handschrift sind auch im Zeitalter der Digitalisierung nicht zu unterschätzen“, sagt Deimel.

Anstelle der Schulausgangsschrift kann auch die sogenannte Grundschrift in der Grundschule unterrichtet werden. Dabei handelt es sich um eine sehr vereinfachte Form einer verbundenen Handschrift. (dha)