Wohnungen seit September bezogenMieter gefrustet über unfertigen Neubau in Köln-Zollstock

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Der Neubau an der Schwalbacher Straße 55 in Köln-Zollstock.

Der Neubau in der Nähe des Vorgebirgsparks in Köln-Zollstock weist Mängel auf.

Der Neubau am Vorgebirgspark wurde ein Jahr später fertig als geplant. Dennoch sind Monate nach Bezug viele Arbeiten noch nicht erledigt.

73 Quadratmeter, zwei Zimmer, Balkon, viele Fenster, Wohnzimmer mit Parkblick – seit September lebt André S. in seiner Neubauwohnung an der Schwalbacher Straße 55. „Die Wohnung finde ich sehr schön“, sagt der 42-Jährige. Zufrieden ist er dennoch nicht. „Fertig ist hier leider gar nichts, jede einzelne Wohnung hat Mängel, auch das Haus an sich ist alles andere als fertig“, beschwert er sich. Kratzer in Fensterscheiben, leichte Wellen in seinem Linoleumfußboden, fehlender Abschluss zwischen Wohnungstür und Treppenhaus, Macke an der Wohnungstür, ausstehende Malerarbeiten, Probleme mit den Brandschutztüren, Chaos in den Kellergängen und im Treppenhaus, Handwerker, die ohne Termin vor der Tür stehen – die Liste der Mängel und Unannehmlichkeiten, die der Verwaltungsangestellte im Gesundheitswesen aufzählt, ist lang.

„Über Wochen schloss die Eingangstür nicht. Da wurde hier eingebrochen, mir ist ein Fahrrad aus dem Keller gestohlen worden“, berichtet André. Seinen Nachnamen möchte er aus familiären Gründen nicht nennen. Seiner Meinung nach hätte der Neubau in diesem Zustand nicht bezogen werden dürfen. „Dabei sollten die Wohnungen schon vor einem Jahr fertig sein“, kritisiert er.

Neubau am Vorgebirgspark in Zollstock: Probleme mit den Handwerkern

Eigentümerin des Neubaus mit 39 Wohnungen ist die Wohnungsgenossenschaft am Vorgebirgspark eG. Sie bestätigt die Mängel und macht die Handwerksbetriebe verantwortlich. „Es ist eine schwierige Situation, für die Mieter und für uns. Der Bau sollte im Oktober 2022 fertig sein. Durch die spätere Fertigstellung sind uns Mieteinnahmen von rund 400.000 Euro entgangen“, sagt Geschäftsführer Thomas Meißner.

Anfang August erteilte die städtische Bauaufsicht die Genehmigung für eine vorzeitige Inbetriebnahme von 14 Wohnungen, am 25. August wurde der komplette Bau von der Bauaufsicht und dem TÜV abgenommen. Dass zu dem Zeitpunkt und in den Folgemonaten noch viele Arbeiten nicht erledigt waren, ärgert Meißner ebenso wie die Mieter. „Wir sind intensiv hinter Terminen mit den Handwerkern her, aber es läuft schleppend. Vereinbarungen werden oft nicht eingehalten“, sagt er. Die Genossenschaft hat mittlerweile Anwälte eingeschaltet.

„Bei der Genossenschaft sind alle eigentlich nett. Aber jetzt hapert es an der Kommunikation“, bemängelt André S. Das lässt Meißner nicht gelten. „Ich bin regelmäßig vor Ort und spreche mit den Mietern“, versichert er.

Bei bekannten Mängeln kein Anspruch auf Mietminderung

Anders als üblich, schließt die Genossenschaft die Mietverträge erst nach Bezug einer Wohnung ab. Seinen hat der Beschwerdeführer noch nicht unterschrieben. Ihn stört ein Passus, der den Verzicht auf Mietminderung während der Bauphase beinhaltet. Der ist jedoch zulässig. „Wenn bei Vertragsabschluss Mängel bekannt sind, verliert man das Recht auf Mietminderung und Ersatzvornahme, also eigene Beseitigung von Mängeln auf Kosten des Vermieters. Der Passus macht im Grunde nur geltendes Recht offensichtlich“, erklärt Jörg Hänsel, Rechtsberater beim Mieterverein Köln.

Von sich aus hat die Genossenschaft jedoch allen Mietern wegen der Umstände einen Monat Mietfreiheit gewährt. „Da war die Genossenschaft nicht knauserig. Bei einer Mietminderung dauert es, bis man auf die Summe einer ganzen Monatsmiete kommt“, sagt Hänsel. Mietminderung greife nur, wenn die Nutzungsmöglichkeit der eigenen Wohnung erheblich eingeschränkt sei. „Unfertige Treppenhäuser oder Außenanlagen sind kein Grund für Mietminderung“, so Hänsel.

Nehmen Handwerker zu viele Aufträge an?

Dass Arbeiten sich verzögerten, käme oft vor und nicht nur bei Neubauten, hier aber besonders, berichtet er. „Das ist aktuell ein großes Problem und ein großer Frust für Vermieter wie für Mieter“, so der Rechtsberater. Handwerker, so meint er, nähmen oft zu viele Aufträge an. Das wiederum will die Handwerkskammer zu Köln nicht auf ihren Mitgliedern sitzen lassen.

„Für viele Verzögerungen sind unsere Betriebe nicht verantwortlich. Sie zeigen vielmehr in schwierigen Zeiten ein großes Engagement und hohe Flexibilität, um die Kundschaft zu bedienen“, sagt Geschäftsführerin Stephanie Bargfrede. Sie weist, unter anderem, auf die nach wie vor bestehenden Lieferengpässe und langen Wartezeiten auf bestellte Waren hin. „Natürlich verzögern auch gegebenenfalls erforderliche Nachbesserungen schon einmal die Fertigstellung. Dies gilt ebenso für Planungsfehler und Finanzierungsprobleme. Unter dem Strich kann man aber sagen, dass die kritischen Fälle die Ausnahme sind“, so Bargfrede.

Die Arbeiten im Neubau an der Schwalbacher Straße gingen jetzt etwas voran, informiert André S. nach Abschluss der Recherche. So hoffen er und seine Nachbarn, Weihnachten doch noch in fertigen Wohnungen und einem fertigen Gebäude feiern zu können.

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