„Rund um Köln“Mit neuer Lunge beim Radsport-Klassiker am Start

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Beim Radsport-Klassiker „Rund um Köln“ dabei: Christian Knees, Elmar Sprink, Reiner Heske, Peter Lipinski (v.l.) vom Organspende-Team „Autour de Cologne“.

Beim Radsport-Klassiker „Rund um Köln“ dabei: Christian Knees, Elmar Sprink, Reiner Heske, Peter Lipinski(v.l.) vom Organspende-Team „Autour de Cologne“.

Beim Radsport-Klassiker „Rund um Köln“ starteten am Sonntag auch Menschen, die durch Organspende eine neue Lunge oder ein neues Herz bekommen haben. Wir haben ihr Team begleitet.

Der Mann, den sie im Team liebevoll „Die Lunge“ nennen, pumpt. Mit gleichmäßigem Tritt kämpft sich Reiner Heske (54) im Bergischen Land den Anstieg nach Neschen hoch. Weil die Anstrengung groß ist, hat er den kleinen Gang eingelegt. „Ich fühle mich wohl, wenn ich schnaufe wie eine Dampflok“, sagt er in der anschließenden Abfahrt und lächelt. Sich richtig verausgaben kann er erst seit elf Jahren. Am 13. Juni 2013 hatte sein zweites Leben begonnen. An diesem Tag wurde ihm eine neue Lunge transplantiert.

Reiner Heske genießt es, im Sattel zu sitzen und durch die Landschaft zu rollen. Ähnlich geht es Elmar Sprink, in dessen Brust seit zwölf Jahren ein neues Herz schlägt. Und Peter Lipinski fährt das Hobbyrennen über 70 Kilometer beim Radklassiker „Rund um Köln“ mit neuem Herz und neuer Niere. Sie alle starten im Team „Autour de Cologne“ und tragen ein weißes Trikot mit den Regenbogenfarben als Brustring – das Projekt „Rund um Köln mit Herz“ ist die Idee von Dr. Helge Knigge vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Deutschen Sporthochschule.

Jahr für Jahr wirbt er bei dem Radrennen und auch beim Kölner Marathon für Organspenden. „Es ereignen sich jeden Tag Tragödien. Wir wollen das Thema klar formulieren, denn Organspende wird oft als uninteressant empfunden“, stellt Knigge fest.

„Rund um Köln“: Knapp 6500 Hobbysportler dabei

Bei der 106. Auflage des ältesten deutschen Radrennens tragen rund 30 Fahrerinnen und Fahrer das weiße Jersey des Teams. Einer von ihnen ist Ex-Profi Christian Knees, der im Jahr 2006 für das Team Milram „Rund um Köln“ gewonnen hatte. „Das Thema Organspende schiebt man meistens vor sich her, es sollte aber thematisiert werden. Es ist die einfachste Art, Leben zu retten“, meint er.

Auch viele Studierende der Sporthochschule fahren mit. Bei angenehmen Frühlingstemperaturen und trockenen Straßen hatten sich knapp 6500 Sportlerinnen und Sportler für die Hobbyrennen über 30, 70 und 130 Kilometer angemeldet – Rekord. Im Rheinauhafen gab es nach der Zielankunft im Verpflegungsdorf kaum noch ein Durchkommen und lange Wartezeiten. Der Radsport boomt.

Nicht nur am Rheinauhafen, wo sich Start und Ziel befinden, herrscht am Sonntag viel Betrieb. An den Anstiegen im Bergischen feuern viele Fans die Radlerinnen und Radler an. Kurz hinter der Severinsbrücke im Rechtsrheinischen reckt eine Gruppe junger Männer ein Plakat in die Höhe: „Ihr radelt, wir trinken“, lassen sie wissen und klatschen rhythmisch in die Hände. Viele Kinder strecken ihre Hände aus, Reiner Heske, die Lunge, klatscht fröhlich ab und ruft den applaudierenden Menschen „Danke“ zu.

Hin und wieder kommt es zu Stürzen bei den Hobbyrennen. Einen Schreckmoment erlebten die Profifahrer in Wipperfürth, denn dort hatte eine ältere Dame mit Rollator die Rennstrecke auf einem Zebrastreifen überquert. Ole Theiler vom Team Storck konnte nicht mehr ausweichen und rammte den Rollator. Bei dem Zwischenfall wurde niemand verletzt.

Durchschnittstempo von 30,67 Stundenkilometern

Im Ziel lächelt Reiner Heske immer noch. „Am Ende habe ich ein gutes Hinterrad gefunden und konnte etwas im Windschatten fahren“, erzählt er zufrieden. Mit einem Durchschnittstempo von 30,67 Stundenkilometern erreicht er nach 2:16:54 Stunden den Zielstrich. Von Geburt an leidet er an Mukoviszidose, zu seinem Leben gehören unzählige Krankenhausaufenthalte, Therapien und tägliche Inhalationen, um einigermaßen Luft zu bekommen. Als er 18 Jahre alt war, hatte er eine Lungenleistung von 50 Prozent, erzählt er. Kurz vor der Transplantation seien es nur noch 18 Prozent gewesen.

Doch das war in seinem ersten Leben. Jetzt holt er das nach, was er sich schon als Jugendlicher gewünscht hat: „Endlich frei durchzuatmen“, sagt er. Und schnaufen wie eine kräftige Dampflok.


Das Comeback der „Schmitzebud“

Drei Radsport-Idole aus Köln sind neuerdings als großes Graffiti an einer Wand der „Schmitzebud“ in Rath verewigt. Es sind die einzigen Kölner, die je eine Etappe der Tour de France gewinnen konnten, nämlich Rolf Wolfshohl, Nils Politt und Marcel Wüst. Bei „Rund um Köln“ erlebte der traditionsreiche Ausflugs-Kiosk sein Comeback.

Neuer Eigentümer ist der Rather Holger Kirsch, Architekt mit eigenem Büro, Präsident von Viktoria Köln und Leiter des Rosenmontagszugs. „Ich möchte die Schmitzebud wieder zu dem machen, was sie mal war. Nämlich Anlaufstelle für Wanderer und Radfahrer“, sagt Kirsch (Foto mit Frau Christina und Tochter Grete). Um den Betrieb kümmern sich seine Frau Christina und der Gastronom Pascal Droege, der auch die „Coffee Lounge“ in der Apostelnstraße betreibt. Im März hatte die Sanierung begonnen.

Die Schmitzebud in Köln-Rath mit neuen Betreibern: Holger Kirsch, Christina Kirsch und Tochter Grete

Die Schmitzebud in Köln-Rath mit neuen Betreibern: Holger Kirsch, Christina Kirsch und Tochter Grete

Zur Eröffnung war die „Schmitzebud“ nun Fan-Hotspot des Radrennens – mit Leinwand und Live-Musik. Auch künftig sollen hier Radrennen gezeigt werden, ebenso die Spiele der Fußball-EM im Sommer. Die regulären Öffnungstage sind donnerstags bis sonntags. Vorab hatte Rolf Wolfshohl bereits eines seiner alten Trikots als Dekoration für die Innenausstattung der Bude zur Verfügung gestellt. „Auch viele andere Radfahrer kommen vorbei und bringen Geschenke mit“, freut sich Kirsch.

Neuerdings fährt Kirsch selbst Rennrad, seine Tochter Grete trainiert beim VfR Büttgen. Jahrelang hieß die Inhaberin der „Schmitzebud“ Marita Wimmer, doch 2007 gab sie den Betrieb ab. Seitdem erlebt die Bude häufigere Wechsel, zuletzt war dort eine Pizzeria beheimatet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte eine Familie Schmitz den Kiosk gepachtet, daher der Name „Schmitzebud“. (tho)

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