Scharfe Kritik der IHKIst die Verkehrswende in Köln nur ein abgekartetes Spiel?

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Alles schon geregelt? Stauchaos rund um den Dom an einem Samstagabend.

Alles schon geregelt? Stauchaos rund um den Dom an einem Samstagabend.

Die Industrie- und Handelskammer hat scharfe Kritik an der Agentur geübt, die den Mobilitätsbeirat der Stadt begleitet. Der Chef der Agentur war für den Verkehrsclub Deutschland tätig und sei alles andere als unabhängig.

Ist die Verkehrswende nur ein abgekartetes Spiel? Nach außen hin wird der Schein der Basisdemokratie gewahrt und im Inneren wird alles in die Richtung gelenkt, die politisch gewollt ist. Ein geharnischter Brief des Hauptgeschäftsführers der Industrie- und Handelskammer Köln (IHK), Uwe Vetterlein, an Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker erhebt im Kern diesen Vorwurf. Der Zorn Vetterleins entzündet sich an der Person Michael Adler. Dessen Agentur „tippenpoints“ begleitet im Auftrag der Stadt Köln den sogenannten Mobilitätsbeirat.

Im Mobilitätsbeirat sollen verschiedenste Interessensgruppen gemeinsam an der Entwicklung eines „nachhaltigen Mobilitätsplans“ für Köln mitarbeiten. Dazu sitzen unter anderem der Allgemeine Deutsche Autoclub (ADAC) und die IHK sowie der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) an einem Tisch. Vereinfacht gesagt also: Interessenvertreter der Autolobby auf der einen und Interessenvertreter der Fahrradlobby auf der anderen Seite.

Adler hat die kommunikative Begleitung des Projektes übernommen. Bei der Auftaktveranstaltung des Mobilitätsbeirates übernahm er beispielsweise die Eröffnungsmoderation. Doch kann Adler zwischen den Positionen wirklich moderieren? Unter anderem war er über 20 Jahre lang Chefredakteur des Magazin „fairkehr“, der „Vereinszeitschrift“ des VCD. Die Kritik des Hauptgeschäftsführers der IHK in seinen Brief an Reker geht weit über diese Station im Lebenslauf Adlers hinaus.

IHK-Chef Vetterlein richtet offenen Brief an OB Reker

„Wir wenden uns persönlich in größer Sorge an Sie“, eröffnet Vetterlein sein Schreiben an die Verwaltungschefin. „Denn wir haben festgestellt, dass die Stadt Köln für entscheidende Prozesse eine Agentur (tippingpoints GmbH) beauftragt hat, deren Geschäftsführender Gesellschafter in seinen Äußerungen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Rechtsprinzip in Frage stellt. Und wir gehen davon aus, dass diese Einstellung auch seine Arbeit für die Stadt Köln stark beeinflusst.“ Ein schweres Geschütz, das Vetterlein auffährt und an der Behauptung festmacht, Adler habe in Kommentaren die Aktionen der Klimaaktivisten der sogenannten „letzten Generation“ begrüßt und als demokratisch legitimiert sowie notwendig bewertet.

Um diese angebliche Position Adlers zu untermauern, zitiert der IHK-Chef aus dem Internetauftritt der Agentur „tippingpoints“: „Mit unserer Kommunikation wollen wir die guten Kräfte mobilisieren, damit Prozesse kippen, die schon seit langem in die falsche Richtung laufen“, ist dort zu lesen, wie die Rundschau überprüft hat.

Agentur nennt Vorwürfe „aus der Luft gegriffen“

Adler zeigt sich auf Nachfrage der Rundschau zutiefst irritiert von den Vorwürfen. „Das hat es in elf Jahren Agenturarbeit noch nicht gegeben“, sagt er. Er habe schon im Auftrag von Bundes- und Landesministerien gearbeitet. „Mein demokratisches Grundverständnis wurde noch nie in Frage gestellt.“ Auch aus dem Mobilitätsbeirat seien ihm keine Irritationen zugetragen worden. „Diese Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen“, kontert der Agentur-Chef.

Konkret möchte er die Vorwürfe im Zusammenhang mit der „Letzten Generation“ nicht kommentieren. „Das hat nichts zu tun mit meinem Auftrag für die Stadt Köln.“

Diesen Auftrag sieht er durch den IHK-Hauptgeschäftsführer falsch gewichtet. Wie die Stadt auf Nachfrage der Rundschau bestätigt, seien „in einem EU-weiten Vergabeprozess zwei Konsortien für die Begleitung der Entwicklung des nachhaltigen Mobilitätsplans der Stadt Köln ausgewählt“ worden. „Ein Konsortium für die Kommunikation und das Projektmanagement und ein Konsortium für die fachlich-inhaltliche Unterstützung. „tippingpoints“ ist eins von drei Unternehmen im Konsortium „Kommunikation und Projektmanagement“. Die Agentur „tippingpoints“ hat dabei die kommunikative Begleitung des Projekts, insbesondere Gestaltung, übernommen, die weniger als 20 Prozent des Auftragsvolumens ausmacht.“

Mein demokratisches Grundverständnis wurde noch nie in Frage gestellt.
Michael Adler, Agentur „tippingpoints“

Doch auch wenn sein Anteil am Gesamtauftrag nur ein Fünftel umfasst, kann Adler den angesichts seiner Vita und seiner veröffentlichten Positionen neutral erfüllen? „Dieser Prozess ist neutral angelegt“, sagt er zum Mobilitätsbeirat. „Ansonsten hat er auch keine Chance.“   Zu seiner Rolle sagt er: „Ein Moderator ist immer neutral. Aber wenn die Stadt einen nachhaltigen Mobilitätsplan aufstellen möchte, dann verfolgt sie damit ein Ziel. Dieses Ziel versuche ich zu erfüllen“, so der Agenturleiter.

Doch genau dieses Erfüllen politischer Vorgaben ist eben die Sorge der IHK. Diese Sorge sieht zu nicht zuletzt bei zwei Onlinebefragungen bestätigt, die von der Stadt Köln in Hinblick auf eine zukünftige Mobilität durchgeführt wurden. Laut des IHK-Chefs seien die Fragestellungen höchst suggestiv gewesen, um das Ergebnis zu beeinflussen. Auch habe gerade Adler über soziale Netzwerke in seiner Lobby für zu einer verstärkten Teilnahme aufgerufen.   Allerdings liefen die Onlinebefragungen nicht im Zuständigkeitsbereich Adlers. Dennoch scheint sein Werben für die Teilnahme zum Erfolg beigetragen zu haben. „Insgesamt war es eine der erfolgreichsten jemals gelaufenen Beteiligungsformate“, heißt es dazu aus der Verwaltung.

Wir wenden uns persönlich in größer Sorge an Sie.
Uwe Vetterlein, IHK-Hauptgeschäftsführer, Brief an die OB

Dass die Beteiligung nicht eine ebenso breite Bevölkerungsschicht widerspiegelt, diese Sorge teilt auch der ADAC. „Diese Umfragen wurden bei den Verbänden sehr gut kommuniziert“, sagt Roman Suthold, Verkehrsexperte des ADAC-Nordrhein. „Dadurch sind die Interessen gesteuert“, lautet seine Kritik. Im Zweifel kämen viele Teilnehmer gar nicht aus Köln. „Damit sind solche Umfragen nicht repräsentativ“, so Sutholds Einschätzung. Eine Ungleichgewicht macht er auch im Mobilitätsbeirat aus. „Umweltnahe Verbände sind dort in der Überzahl.“

Die Stadt Köln erwidert auf die Kritik an den Umfragen: „Das Dezernat für Mobilität hatte dazu allen im Mobilitätsbeirat Beteiligten – auch der IHK – den Link zur Beteiligung zur Verfügung gestellt und gebeten, diesen so breit wie möglich zu verteilen und zur Teilnahme zu animieren.“ Also ist selbst schuld, wer seine Lobby nicht mobilisieren kann? So wenig die Verwaltung die Kritik an den Umfragen teilt, so wenig zweifelt sie an der Objektivität und Neutralität Adlers: „Herr Adler ist ein sehr erfahrener Kommunikator im Themenfeld ‚Nachhaltigkeit‘ und im Besonderen im Thema ‚Mobilität‘. Das Dezernat für Mobilität ist von seiner Professionalität überzeugt.“

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