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Serie

Schulplatznot in Köln
Was Absagen für Eltern und Kinder bedeuten - und was die OB-Kandidaten tun wollen

3 min
Demonstration von Eltern und Schüler zur Schulplatzvergabe

Gegen das Losverfahren an Schulen protestierten Eltern immer wieder. Vor einigen Jahren jedoch offensiver als aktuell. (Archivbild vom 06.03.2022) 

Vor der Kommunalwahl 2025: In unserer Serie berichten Betroffene, wo in Köln der Schuh drückt. Hunderte Erstklässler wurden an Wunschschulen abgelehnt. Mit schwerwiegenden Folgen. 

„Seit ein paar Wochen geht es mir wieder besser, aber einen Haken habe ich an die Geschichte noch nicht gemacht“, sagt Susanne Boltz. Die Ablehnung ihres Sohns Tim (Name geändert) am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium (HvB) hat die 49-Jährige aus der Bahn geworfen.

„Auch ich persönlich fühlte mich abgelehnt. Tim muss jetzt als einziger von neun Grundschulfreunden auf eine Schule gehen, wo er kein einziges anderes Kind kennt“, sagt Boltz. Tim ist einer von hunderten Kölner Viertklässlern, die in diesem Jahr nicht den Platz an einem Wunschgymnasium erhalten haben. Beim HvB gab es 57 Ablehnungen, ermittelt per Losverfahren. Damit hält das Gymnasium in Sülz in diesem Jahr den traurigen Absage-Rekord.

Dass er gemeinsam mit seinen Freunden von der katholischen Grundschule Lohrbergstraße auf das HvB gehen sollte, lag für Tim und seine Eltern ähnlich nahe wie die Schule, die fußläufig von ihrer Wohnung ist. „Dann kam mit der Post der Wisch, dass er abgelehnt ist. Da ist mir der Boden unter den Füßen weggerissen worden“, erinnert sich Susanne Boltz an einen schicksalshaften Freitag Anfang März. Tränen flossen. Bei ihr und bei Tim, der das gar nicht verstehen konnte.

Gefahren auf dem Schulweg

Susanne Boltz ist Projektmanagerin. Sie arbeitet halbtags, in ihrer vierköpfigen Familie ist sie für Dinge wie Schulwahl zuständig. Die Schulen, die auf dem Ablehnungsbescheid standen, kannte sie nicht. „Eineinhalb Wochen Zeit hatte ich, Tim wo anzumelden.“ Am Montagmorgen nach dem Schock steht sie vor der erzbischöflichen Liebfrauenschule. Es gibt noch wenige freie Plätze. Susanne Boltz bittet, man möge sich ein Bild von ihrem Sohn machen. Sie lässt sämtliche Zeugnisse von Tim da. Dann macht sie sich auf den Weg zu den verschiedenen Innenstadt-Gymnasien, die laut städtischer Mitteilung noch freie Plätze haben: Kaiserin-Augusta-, Königin-Luise- und Friedrich-Wilhelm-Gymnasium.

Zwei Kinder und ihre Mutter in einem leeren Schwimmbecken.

Auf dem Trockenen sitzen gelassen fühlt sich Mutter Susanne Boltz bei der Schulplatzsuche.

„Als ich am Friesenplatz ausgestiegen bin, hat mir ein Penner vor die Füße gemacht. Da kommen einem die Drogis entgegen.“ Das will sie nicht für ihren Sohn, ist sich die Mutter sicher. In der KLS trifft sie auf wunderbare Lehrkräfte, verbringt Stunden mit Fragen. „Super Schule. Furchtbare Lage“, lautet ihr Fazit.

Keine offene Kommunikation

Beim FWG erfährt sie, dass die Schule noch 16 freie Plätze hat, die per Losverfahren vergeben werden. „Da war mir das Risiko zu groß, wieder abgelehnt zu werden.“ Dass die Stadt nicht offenlegt, wie viele Plätze auf einem Gymnasium noch frei sind, ärgert sie und es macht die Entscheidung für eine Schule noch schwieriger.

Das neue Gymnasium Köln Nord, das erst am Ubierring startet und dann an den Gladbacher Wall im Norden der Stadt zieht, hat die Stadt auch auf die Liste geschrieben. „Nach dem Umzug aus dem Interim wäre es viel zu weit weg.“ Tims kleine Schwester, die in die zweite Klasse geht, fragt inzwischen schon: „Mama, wo gehe ich auf die Schule?“ Die Kinder kriegen schnell den ganzen Druck mit. Tim meint, er könne ja einfach auf der Grundschule bleiben. Da fühlt er sich sicher.

Kind „nur eine Nummer“

„Das Hildegard-von-Bingen-Gymnasium nennt sich Veedelsschule und dann geht die Schule nicht nach der Entfernung. Eine Familie, die gegenüber wohnt, hat keinen Platz bekommen“, kritisiert Susanne Boltz. Sie plädiert dafür, dass die Kinder in ihrem sozialen Umfeld bleiben, Freundschaften in der Nähe der Wohnung pflegen können. Mit dem Losverfahren würden sich die Schulleitungen vor Klagen schützen wollen. „Das Kind ist dann nur eine Nummer und wird gar nicht mehr gesehen.“

Nach vier Tagen meldete sich die Liebfrauenschule bei Familie Boltz. Tolle Zeugnisse habe Tim, er könne kommen. Inzwischen gibt es den nächsten Ärger bei Susanne Boltz: „Jetzt weigert sich die Stadt, das Ticket für die Bahn zu Schule zu zahlen.“