Gespräch mit der schwedischen Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter vor ihrer Premiere von „Die letzten Tage der Menschheit“ an der Oper Köln.
Schwedische MezzosopranistinAnne Sofie von Otter über ihre Premiere an der Oper Köln und moderne Inszenierungen

Anne Sofie von Otter nach einer Probe für „Die letzten Tage der Menschheit.“
Copyright: Toni Borgert
Ihr Vater war Diplomat, und Ihre Familie hat eine Zeit lang in Bonn gelebt.
Ja, in Mehlem. Außerhalb von Bad Godesberg. Wir sind nach Deutschland gegangen, als ich vier war, und ich war sechs, als wir wieder weggingen. Ich war im Kindergarten und ein Jahr in der Schule, das heißt, ich habe hier schreiben und lesen gelernt. Am Sonntag war ich noch einmal da, um zu sehen, ob ich es wiedererkennen.
Und?
Absolut. Es gibt einen wunderbaren Blick auf Petersberg und Drachenfels.
Sie haben an so vielen Opernhäusern überall auf der Welt gesungen. Auch schon einmal in so einer Interimsspielstätte wie dem Staatenhaus?
Das kommt immer mal wieder vor. Vor zwei Jahren am Theater an der Wien war es auch in einem Ausweichquartier. Aber wenn man eine moderne Inszenierung macht, hat das ja was.
Sichern Sie sich vorher ab, ob Sie in so einer Umgebung eine Arbeit nach Ihren Standards abliefern können?
Nein. Wir singen in dieser Produktion alle verstärkt, man wird mich also hören. Generell sind Konzertsäle besser, Opernhäuser sind oft „trocken“. Und damit muss man leben. Es wäre etwas anderes, wenn ich 30 wäre und hier den Cherubino singen sollte.
Weil Sie keine Angst haben, ihren Ruf zu verlieren?
Ich bin ja nicht mehr jung und könnte mich auch zurückziehen. Aber ich singe weiter, weil das Singen mir Spaß macht.
Was hat Sie bewogen, bei diesem Projekt mitzumachen?
Ich wurde überredet.
Überredet?
Ja, eigentlich hätte ich lieber den Sommer in Schweden verbringen wollen. Aber Philippe Manoury ist zu mir nach Stockholm gekommen. Er und alle anderen Beteiligten hatten bei der Rolle an mich gedacht.
Ein Risiko bei einer Uraufführung ist sicher, dass man nicht weiß, wie die Musik wird.
Manchmal habe ich moderne Rollen gelernt, da habe ich mich richtig geärgert. Aber jetzt war das sehr befriedigend. Es ist sehr klug geschrieben, es gibt gute Linien. Philippe Manoury ist wahrlich kein Schreibtischkomponist!
Bei Opernpremieren wird gern einmal das Regieteam ausgebuht. Wie geht man als Darstellerin damit um, wenn einem das Konzept nicht gefällt?
Man kann versuchen, eine Diskussion zu führen. Aber wenn der Regisseur oder die Regisseurin von Anfang an eine Idee hat, die quer zu dem geht, was man selbst gut fände, dann muss man damit leben oder Auf Wiederseh’n sagen. Denn zu viele Konfrontationen bei der Arbeit sind nicht gut. Andererseits: Regisseur zu sein, ist auch keine leichte Arbeit!
Es gibt viele Opernfans, die es gerne immer „klassisch“ hätten.
Das will ich nicht. Wenn alles ständig „schön“ ist, das finde ich unmöglich. Doch wenn es zu viele Maschinengewehre, Kokain und Sex gibt, ist das auch wieder dumm.
Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie viele unterschiedliche Genres gesungen, neben der Klassik auch Popmusik, was viele als No-Go betrachten. Was hat Sie damals dazu bewogen, diesen Schritt zu wagen?
Ich hatte eine CD mit Kurt-Weill-Liedern gemacht und wusste, dass ich immer noch so singen kann, dass ich nicht zu „klassisch“ klinge. Denn manchmal klingt es komisch, wenn ein klassischer Sänger solche Sachen singt.
Wie verhindert man das?
Man muss ein bisschen von der klassischen Technik wegnehmen. Nicht so laut singen, denn es ist Mikrofonmusik. Beim Rhythmus nicht genau nach dem Metronom, sondern flexibler. Aber vor allem muss man die Stimme viel weicher klingen lassen.
Ihre Stimme klingt auf „For The Stars“, der Platte mit Elvis Costello, und „I Let The Music Speak“, wo sie Lieder von Abba singen, wirklich ganz anders.
Ich wollte immer unterschiedliche Sachen machen. Nicht immer Mozart, nicht immer „Rosenkavalier“, sondern abwechselnd Monteverdi, Strauss und Volksmusik, und meine Stimme hat brav alles mitgemacht. Aber je älter ich werde, wird es nicht einfacher, denn die Stimme wird auch älter.
Wie ein Sportler sich mit zunehmendem Alter neu mit seinem Körper auseinandersetzen muss?
Oder wie ein Tänzer. Man kann lange tanzen, aber es kostet auch sehr, sehr viel. Ich übe jeden Tag. Und ich muss mich gut einsingen, sonst macht die Stimme das nicht mit. Das bedeutet etwa im Moment, dass ich nicht nur aus diesem Stück singe. Es kommt ein bisschen Mahler, um die tiefere Lage aufzuwärmen. Danach singe ich ein Schubertlied oder was Schwedisches. Und erst dann Philippe Manoury.
Jetzt muss ich aus ganz persönlichem Interesse fragen: Planen Sie ein weiteres Popalbum?
Ich würde gerne, auch Elvis Costello würde gerne noch eines machen. Ich habe ein paar Plattenfirmen kontaktiert, aber die Reaktionen waren eher lauwarm, denn die Kosten sind natürlich sehr hoch. Und ich würde auch nur eine Aufnahme machen wollen und keine anschließende Welttournee. Denn die wäre für meine Agentur nicht so leicht zu planen: Ich bin nicht Renée Fleming oder Bryn Terfel, ich bin schwieriger zu verkaufen (schmunzelt).
Die Premiere ist am 27.6. (18 Uhr). Weitere Termine: 29.6. (16 Uhr), 4., 6. und 9.7. (je 18 Uhr).