Goldmann entwickelte ein Trainingsgerät für die Zehenbeugemuskulatur. Auch Leistungssportler trainieren damit.
Sporthochschule KölnDr. Jan-Peter Goldmanns Spezialgebiet ist die Fußmuskulatur

Die Fußmuskulatur ist das Spezialgebiet von Biomechaniker Dr. Jan-Peter Goldmann.
Copyright: Thomas Banneyer
Am liebsten läuft Dr. Jan-Peter Goldmann barfuß, auch im Dienst der Wissenschaft. Er ist der wohl eifrigste Tester seiner Erfindungen, „Rekordhalter sozusagen“, sagt der Biomechaniker lachend und führt auf bläcken Fööss durch das Labor im Institut für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln. Hier dreht sich alles rund um sein wissenschaftliches Fachgebiet, stehen Fitnessgeräte für den Großen Zeh & Co., anatomische Modelle, Laufbänder.
„Das hier ist eine Art Expander, der die natürliche Art des Gehens simuliert“, erklärt der Fachmann für Füße. Das von ihm entwickelte, patentierte Gerät wird als „Big Toe PowerPro“ von der Laufschuhmarke Joe Nimble vermarktet, im August ist die Markteinführung und das Modell frei verkäuflich. An ersten Modellen üben sich Athleten wie die Bob-Weltmeisterin Leonie Fiebig, der 1. FC Köln nutzt einige Exemplare und Elitetänzer der Elmhurst Ballet School haben in Kooperation mit der Uni Bern Kraftzuwächse von 16 Prozent festgestellt. „Sie können jetzt besser Spitze stehen.“ Nicht zuletzt Goldmanns Eltern, über 80, nutzen die Erfindung ihres Sohnes – „um mobil zu bleiben“.

Der „Big Toe PowerPro“
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Ob im Leistungssport beim Sprint und Bobrennen oder beim Diabetischen Fußsyndrom, vom Profi bis zum Rehapatienten - ein Training der Zehenbeugemuskulatur könne viel bewirken, belegen Goldmanns praxisnahe Forschungsprojekte für mehr Power für den dicken Onkel & Co. Füße fänden allgemein oft (zu) wenig Beachtung, dabei spielen sie bis in die Zehenspitzen eine tragende Rolle nicht nur für den aufrechten Gang. Auf ihnen lastet im Alltag unser ganzes Körpergewicht, beim Sport steigt es bis aufs Achtfache. „Wir behandeln unsere Fußmuskeln häufig wie Statisten, dabei steckt in ihnen enormes Potenzial, wenn man sie gezielt trainiert“, weiß der Experte.
Dafür tüftelte er das patente Teil aus. Es gleicht einem Schlagzeug-Pedal mit einer kippbaren Platte, auf der der Fuß steht. Am Pedal sind Gummiseile befestigt, je nach gewünschtem Kraftaufwand in verschiedenen Stärken. Die Zehen werden in den Grundgelenken gebeugt und gestreckt wie beim Gehen - was ihre Muskulatur und besonders den Musculus flexor hallucis longus aktiviert. Dieser Großzehenbeuger zieht sich von den Zehenendgliedern unter dem Fuß über die Ferse vorbei am Sprunggelenk bis zum Knie. Der Gorilla konnte mit seinem großen Zeh noch greifen, der Muskel ist beim Menschen zurückgebildet.

Dr. Jan-Peter Goldmann (links) und Industriemechaniker Hakan Caca von der Deutschen Sporthochschule Köln tüfteln an neuen Ideen in der Werkstatt.
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Der Kölner beschäftigt sich seit rund 20 Jahren wissenschaftlich mit dem Spezialgebiet, vermisst Füße mit dem 3D-Scanner, analysiert ihre Kraft, Weichheit oder Steifigkeit, untersucht, wie sie in Schuhen sitzen und durch welches Training die Muskulatur gekräftigt werden kann. Studien belegen, dass Übungen zu Kraftzuwächsen bis zu 70 Prozent führen, bei trainierten Sportlern 10 bis 15 Prozent. Starke Füße können etwa beim Anlauf auf der Bobbahn oder beim Sprint helfen, sie können auch Problemen wie der Überlastung der Achillessehne entgegenwirken und nützen Diabetespatienten.
Denn von an Diabetes Erkrankten entwickeln bundesweit rund zwei Millionen das Diabetische Fußsyndrom, bei dem sich die Muskulatur zurückbildet und der Druck unter dem Fuß sich ungleich verteilt. Druckspitzen führen dabei zu Öffnungen und Entzündungen der Haut, bei rund 30.000 Betroffenen zu Amputationen. Für die Druckverteilung sind die Zehenbeugemuskeln wesentlich verantwortlich. „Ein Training führt dazu, dass sie kräftiger und größer werden und sich der Spitzendruck unter dem Fuß reduziert.“
Faszination begann 2003
Goldmanns Faszination für den Themenbereich begann 2003 als Mitarbeiter im Institut, wo mit dem Unternehmen Nike der Barfußschuh Free entwickelt wurde. Auch in der Diplomarbeit und Promotion befasste er sich mit der bis dahin kaum untersuchten Funktion der Zehenmuskeln, ihrem Training und Effekten. Der Biomechaniker beschloss dann, die Erkenntnisse „nicht im Labor verkümmern zu lassen. Ich bin in den Baumarkt gefahren, habe ein paar Sachen gekauft und mit einem Ingenieur das erste Gerät gebastelt.“ Aufwendige Studien folgten bis zum ausgereiften Expander-Modell. In der Spoho-eigenen Feinmechanikwerkstatt nehmen Pläne konkrete Formen an.
Rund 300 Toe-Trainer sind bis jetzt innerhalb der Crowdfunding-Kampagne verkauft. Nun startet die Vermarktung. Währenddessen tüftelt der Biochmechaniker längst wieder an neuen Methoden, etwa um die funktionelle Steifigkeit oder Weichheit des Fußes zu untersuchen. Und er testet wieder eifrig barfuß. Wenn der Fußforscher Schuhe trägt, „dann flache, flexible, mit Zehenfreiheit“.