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Serie „Das andere Gespräch“Thore Schölermann: „Wäre bereit, eine Waffe in die Hand zu nehmen“

Lesezeit 7 Minuten
Thore Schölermann schaut aus einem Panzer, er trägt eine Uniform der Bundeswehr.

Thore Schölermann im Panzer auf dem Truppenübungsplatz der Bundeswehr.

Die Flut im Ahrtal und der Krieg in der Ukraine haben den Kölner Moderator Thore Schölermann dazu motiviert, sich der Bundeswehr als Reservist anzuschließen.

Sie haben 2004 Ihren Grundwehrdienst absolviert. Was für ein Bild hatten Sie vorher von der Bundeswehr?

Ich komme aus einer Zeit, in der es selbstverständlich war, einen Zivildienst zu machen oder zur Bundeswehr zu gehen. Deswegen stand das für mich nicht zur Debatte. Es gab aber auch viele, die darauf keine Lust hatten. Zu der Zeit dachten viele, dass wir die Bundeswehr überhaupt nicht brauchen. Viele redeten von Geldrausschmeißerei und von Blödsinn.

Sie haben das nicht geglaubt?

Nein, ich war immer der Überzeugung, dass man die Bundeswehr braucht. Mein Opa war Berufssoldat. Ich bin der Meinung: Wenn man irgendein Privileg genießt, dann muss man auch dafür arbeiten. Dieses Selbstverständnis, das ich damals hatte, das ist bei vielen Menschen heute total weg.

Moderator Thore Schölermann

Moderator Thore Schölermann

Wie war Ihr Grundwehrdienst damals?

Mit Abstand kann man sich es schönreden. Aber die Zeit war natürlich nicht lustig. Es war eine Zeit, in der man auch mal Scheiße fressen und die Zähne zusammenbeißen musste. Das ist ein großer Einschnitt, gerade für einen Jugendlichen. Trotzdem war es eine gute Zeit. Ich würde es immer wieder tun. Ich habe Sachen erlebt, die ich sonst nie erlebt hätte.

Was war das zum Beispiel?

Einfach mal gehorchen. Keine Widerworte geben. Einfach mal machen. So anstrengend und so beschissen das war, weiß man danach die Freiheit umso mehr zu schätzen.

Eine lehrreiche Zeit also auch für das Leben danach?

Voll. Sowohl die negativen, als auch die positiven Dinge haben mir etwas fürs Leben gebracht. Meiner Meinung nach ist ein Dienst für die Gesellschaft eine Zeit, die die Einstellung zum Leben verändert.

Fänden Sie eine Pflicht für einen solchen Dienst gut?

Ein verpflichtendes Jahr im Dienst für die Gesellschaft – da wäre ich absolut für. Egal ob bei der Bundeswehr, der freiwilligen Feuerwehr oder im Kinder und Jugenddienst. Gerade meine Generation ist eine, die sehr viel redet, sehr viel kritisiert und in Frage stellt. Aber sie ist oft nicht bereit, etwas von sich zu geben, das einen selber einschränkt. Die Generation ist sehr verwöhnt mit den Selbstverständlichkeiten und Freiheiten dieser Gesellschaft aufgewachsen. Es würde jedem guttun, wenn er dafür mal was getan hat.

Haben Sie nach dem Wehrdienst darüber nachgedacht, Berufssoldat zu werden?

Es gab die Überlegung, ich habe mich aber dagegen entschieden. Auch auf Anraten meiner Familie. Als ich dann Schauspieler und Moderator wurde, war lange Zeit  dann erst mal die Karriere im Kopf.

Irgendwann kam die Bundeswehr dann aber wieder in den Kopf.

Die Flut im Ahrtal, wo ich auch mitgeholfen habe, war ein einschneidender Punkt. Ich habe gesehen, wie wichtig es ist, eine Armee zu haben, die auch in so einem Fall unterstützen kann. Der Krieg in der Ukraine war dann der Punkt, durch den ich noch überzeugter war, dass ich mich als Reservist bei der Bundeswehr einbringen will.

Was hat das genau mit Ihnen gemacht?

Ich wurde in meinem Wehrdienst zum Panzerfahrer ausgebildet. Als der Krieg begann, konnte ich mir plötzlich wieder vorstellen, im Kampfpanzer zu sitzen. Dass der Punkt noch mal kommt, hätte ich nicht gedacht. Ich bin zwar der Meinung, dass Waffen keine Lösung sind. Aber sowas kann man nur unter Leuten sagen, die alle vernünftig genug sind, einen Konflikt ohne Waffen lösen zu können. Wenn jemand mit Waffen in dieses Spiel einsteigt, dann muss man sich verteidigen. Und das geht nur mit Waffen. Gegen Panzer kann man sich nicht mit Worten wehren.

Jeder, der körperlich dazu im Stande ist, sollte bereit sein, für Familie und Freunde zu kämpfen.
Thore Schölermann

Das beinhaltet auch das Schießen auf andere Menschen. Können sie sich das vorstellen?

Diese Frage muss man sich ganz schnell stellen. Eine Bundeswehr ist nicht dafür da, um Krieg zu führen, sondern um sich zu verteidigen. Und um Leute zu beschützen, wäre ich auf jeden Fall bereit, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Das gehört dazu. Jeder, der eine Gesellschaft angreift, greift auch unsere Familie und unsere Freunde an. Und jeder, der körperlich dazu im Stande ist, sollte bereit sein, für Familie und Freunde zu kämpfen.

Ihre Tochter war auch ausschlaggebend für Ihre Entscheidung.

Auf jeden Fall. Ich hatte gedacht, dass meine Tochter zu einer Generation gehören wird, die gar keinen Kontakt mehr zum Thema Krieg haben würde. Ich will dafür kämpfen, dass meine Tochter es in zehn bis 20 Jahren wieder für Blödsinn hält, dass man eine Bundeswehr braucht.

Was hat Ihre Frau zu Ihrer Entscheidung gesagt?

Meine Frau und meine Familie haben erst gefragt, ob ich bescheuert bin. Wir haben viel darüber gesprochen. Jetzt habe ich das Gefühl, dass sie meine Entscheidung eher schätzen.

Sie waren letztes Jahr auf einem Truppenübungsplatz. Was hat sich in den fast 20 Jahren verändert?

Viel. Mit der Technik musste ich mich erst einmal wieder auseinandersetzen. Gerochen hat es wie früher: Nach schwerer Maschine und Fett – nach Bundeswehr eben. Alles bei der Bundeswehr riecht nach Bundeswehr.

Thore Schölermann: Soldaten haben Anerkennung verdient

Wie wurden Sie dort empfangen?

Die Menschen haben mich im ersten Moment nicht ernst genommen. Doch später waren die Soldaten auch dankbar über meine öffentliche Aussprache und haben gemerkt, dass ich mich mit dem Thema wirklich auseinandersetze und mich auskenne. Ich möchte dafür keinen Applaus oder Lob. Aber ich möchte, dass die Menschen, die das beruflich machen, ganz viel Anerkennung und Unterstützung aus der Gesellschaft bekommen.

Müssen Sie jetzt regelmäßig auf den Truppenübungsplatz?

Noch ist alles freiwillig. Es steht gerade zur Diskussion, ob man die Regeln verschärft. Das fände ich gut. Ende Oktober möchte an einer Übung teilnehmen. Dann stehen fünf Tage Truppenübungsplatz an.

Haben Sie bei der Bundeswehr auch etwas gelernt, das Sie in Ihrer Karriere weitergebracht hat?

Es gibt immer Tage, an denen nicht die Sonne scheint, die anstrengender und unbequemer sind. Nicht jede Arbeit ist jeden Tag so erfüllend, dass ich täglich mit einem Lächeln durch die Gegend laufe. Ich habe gelernt, dass auch sowas dazugehört und dass man da durch muss. Man sollte nicht alle Themen bis zum Umfallen ausdiskutieren. Das wird in meiner Branche gerne mal getan. Egal in welcher Branche, oft hilft es, fünf Minuten früher anzupacken, als zehn Minuten länger zu diskutieren.

Von Menschen, die sonst eine große Reichweite und Stimme haben, fehlt mir bei diesem Thema die Unterstützung.
Thore Schölermann

Wie kommt es bei Ihren Kollegen in der TV-Branche an, dass Sie Reservist sind?

Viele Kollegen setzen sich für vieles ein, wo sie Applaus für bekommen. Aber gerade über so ein Thema wollen viele in der Branche nicht reden. Mir fällt niemand ein, der das wirklich macht. Das Thema ist für viele unbequem, man kann sich da auch auf Glatteis bewegen. Von Menschen, die sonst eine große Reichweite und Stimme haben, fehlt mir bei diesem Thema die Unterstützung.

Was muss passieren, dass die Bundeswehr anruft und sagt: „Herr Schölermann, wir brauchen Sie jetzt.“

Ehrlicherweise bin ich in meinem Kopf noch nicht so weit gewesen, um ernsthaft darüber nachzudenken. Ich glaube aber, dass dieser Fall zum Glück noch absurd erscheint. Aber eben nur, weil wir das alles haben. Wir haben gefüllte Arsenale mit Waffen. Wir haben Kasernen mit gutausgebildeten Soldaten. Und hoffentlich kommt all das nie zum Einsatz. Die Bundeswehr ist wie eine Versicherung. Wenn etwas passiert, ist man froh, dass man sie hat.

Wie sicher fühlen Sie sich gerade in Deutschland?

Ich fühle mich in Deutschland sicher. Ich möchte auch, dass es genauso bleibt und dass wir klar und ohne Einschränkungen leben können. Wir müssen und werden nicht erfrieren, verhungern oder Angst haben, etwas Falsches zu sagen und dafür verurteilt zu werden. Die Freiheiten, die wir haben, möchte ich für eine lange Zeit erhalten. Dafür möchte ich kämpfen. Nicht nur drüber reden.


Zur Person

Der Kölner Thore Schölermann (38) ist Moderator und Schauspieler. Seit 2012 moderiert er das ProSieben-Boulevardmagazin „taff“. Einem breiten TV-Publikum ist er vor allem durch seine Moderatoren-Rolle bei den Gesangs-Castingshows „The Voice of Germany“ (seit 2012) und „The Voice Kids“ (seit 2013) bekannt. Verheiratet ist er mit der Schauspielerin, Synchronsprecherin und Moderatorin Jana Schölermann. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter.