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War es rechte Gewalt?LKA prüft Brandanschlag von 1994 in Köln

Lesezeit 3 Minuten
Bei einem Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993 (Foto) starben fünf Menschen türkischer Herkunft. Knapp acht Monate später brannte es auch in Köln - dadurch kamen zwei Roma ums Leben.

Bei einem Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993 (Foto) starben fünf Menschen türkischer Herkunft. Knapp acht Monate später brannte es auch in Köln - dadurch kamen zwei Roma ums Leben.

Sie suchten in Köln Schutz vor Krieg und Verfolgung. Doch was sie fanden, war der Tod.

Vor 30 Jahren starben Jasminka Jovanovic (12) und Raina Jovanovic (61) nach einem Brandanschlag auf eine Notunterkunft der Stadt Köln in Humboldt-Gremberg. Bis heute unbekannte Täter hatten am 26. Januar 1994 um kurz nach 2 Uhr morgens in dem Gebäude in der Lüderichstraße Feuer gelegt. Zehn Menschen erlitten teils schwerste Verbrennungen, darunter zwei einjährige Kinder. Jasminka und Raina verstarben einige Wochen später im Krankenhaus an den Folgen des Anschlags. Sie waren Roma.

Auf der Flucht vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien war die Familie Jovanovic Ende 1993 mit großen Hoffnungen nach Deutschland gekommen. Doch bald darauf erlebte sie eine unfassbare Tragödie. Mit Hilfe von Brandbeschleuniger zündeten die Täter an mindestens drei Stellen in der Notunterkunft abgestellte Möbel an. In dem Haus waren aus Serbien geflüchtete Roma und andere Wohnungslose untergebracht. Laut dem Verein Rom e.V., der sich für die Rechte von Roma und Sinti einsetzt, gab es in dem Gebäude keinen Feuerlöscher, die Feuerwehrzufahrt sei in der Tatnacht verriegelt gewesen.

Der Brand ereignete sich knapp acht Monate nach dem Mordanschlag auf das Wohnhaus der türkischen Familie Genc in Solingen am 29. Mai 1993, bei dem fünf Menschen getötet wurden. Zuvor hatte es am 23. November 1992 in Mölln (Schleswig-Holstein) einen Brandanschlag auf zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser mit drei Toten und neun Schwerverletzten gegeben. Auch in anderen deutschen Städten kam es in dieser Zeit zu Übergriffen auf Migranten und Flüchtlingsheime mit Todesopfern.

Schwere Brandspuren in einer Notunterkunft der Stadt Köln in der Lüderichstraße in Humboldt-Gremberg. Am frühen Morgen des 26. Januars 1994 hatten Unbekannte hier Feuer gelegt.

Schwere Brandspuren in einer Notunterkunft der Stadt Köln in der Lüderichstraße in Humboldt-Gremberg. Am frühen Morgen des 26. Januars 1994 hatten Unbekannte hier Feuer gelegt.

Trotz deutlicher Indizien für ein möglicherweise rassistisches Tatmotiv bei dem Kölner Brand schloss die Polizei laut Rom e.V. „bereits am nächsten Tag ein fremdenfeindliches Motiv aus“. Die Ermittlungen hätten sich nur auf Brandstiftung konzentriert und nicht auf Mord oder Totschlag.

Tat bisher nicht als rassistische oder rechtsmotivierte Gewalt anerkannt

Anders als die Bombenattentate des NSU in der Probsteigasse 2001 und in der Keupstraße 2004 wurde der Brandanschlag in Humboldt-Gremberg bisher nicht als rassistische oder rechtsmotivierte Gewalt anerkannt. Hinweisen auf mögliche Zerstörung von Beweismaterial sei die Polizei nicht nachgegangen, so Rom e.V.

Es ist von größter Bedeutung, dass die Tat als das anerkannt wird, was sie war: ein rassistisch motivierter Angriff auf Menschen, die Schutz und Sicherheit suchten.
Ruzdija Sejdovic, erster Sprecher des Vereins Rom e. V.

Der erste Sprecher des Vereins, Ruzdija Sejdovic, erklärte: „Die Hintergründe dieser schrecklichen Tat dürfen nicht vergessen werden! Es ist von größter Bedeutung, dass die Tat als das anerkannt wird, was sie war: ein rassistisch motivierter Angriff auf Menschen, die Schutz und Sicherheit suchten.“ Die aktuelle politische Stimmung und der   verbreitete Rassismus gegenüber Roma und Sinti erforderten es, „wachsam zu bleiben und den Betroffenen von rassistischer Gewalt Solidarität zu zeigen“.

LKA will Abschlussbericht in Kürze dem Innenministerium vorlegen

Ein Sprecher des Landeskriminalamts NRW (LKA) sagte auf Anfrage, der Anschlag von Gremberg werde derzeit im Rahmen des Projekts „Todesopfer rechter Gewalt NRW“ daraufhin untersucht, ob die Tat einen rechtsextremen Hintergrund habe. Der Abschlussbericht zu insgesamt 30 Verdachtsfällen sei kurz vor der Fertigstellung und werde bald dem Innenministerium übergeben.

Jasminkas Vater Dragan überlebte den Anschlag, weil er auswärts übernachtet hatte. Kurz nach ihrem Tod erhielt er Post vom Ausländeramt. Er solle ausreisen, sonst drohe die Abschiebung. Dies konnte Rom e. V. bisher verhindern – doch die Trauer und die ständige Unsicherheit über das Bleiberecht sind Dragan Jovanovic bis heute geblieben.