Der Dokumentarfilm „Fritz Litzmann, mein Vater und ich“ erkundet das Verhältnis von Kabarettist Rainer Pause und seinem Sohn Aljoscha.
Dokumentarfilm über Kabarett-LegendeAljoscha Pause erkundet die Beziehung zu seinem Vater Rainer Pause

Aljoscha (l.) und Rainer Pause in „Fritz Litzmann, mein Vater und ich“.
Copyright: Aljoscha Pause
Was bleibt, wenn ein Vater zeitlebens auf der Bühne stand – aber selten im Kinderzimmer? Aljoscha Pauses Dokumentarfilm „Fritz Litzmann, mein Vater und ich“ liefert darauf keine einfachen Antworten, aber viele eindringliche Fragen. Er ist persönliches Bekenntnis, Familienchronik und Bonner Kulturgeschichte in einem – getragen von seltener filmischer Aufrichtigkeit. Dabei wird auch deutlich, wie stark das Persönliche und das Politische verwoben sind. Die Gründung des Pantheons 1987 im Schatten des Bundeskanzleramts ist Teil der Bonner Republikgeschichte – und Teil einer Familienerzählung, in der das Private oft dem Bühnenlicht weichen musste.
Im Zentrum steht die Beziehung zwischen dem Regisseur und seinem Vater Rainer Pause – Pantheon-Gründer, Kabarettist und legendäre Bühnenfigur Fritz Litzmann. Doch der Film erzählt in 144 Minuten weit mehr als nur das Porträt eines Künstlers. Es ist die Geschichte eines Sohnes, der sich seinen Vater Stück für Stück zurückerobert – und dabei auch sich selbst. Pauses filmisches Wagnis geht tief, manchmal ist es schmerzhaft und immer aufrichtig. Die Kamera wird dabei zum Katalysator: 18 Stunden Interviewmaterial allein mit dem Vater flossen in den Film, es ist ein Gespräch, das Jahrzehnte lang nicht geführt wurde.
Bekannte Kabarettisten kommen zu Wort
Neben Vater und Sohn kommen zahlreiche Wegbegleiter zu Wort – und das nicht nur als dekoratives Beiwerk. Norbert Alich, kongenialer Bühnenpartner von Rainer Pause als Hermann Schwaderlappen, reflektiert sehr eindrücklich die Zeit, in der das legendäre Duo „Pause & Alich“ zusammenfand, Kabarett-Kollegen wie Sebastian Pufpaff, Helge Schneider, Gerhard Polt, Georg Schramm, Michael Mittermeier oder Carolin Kebekus erzählen davon, was das Pantheon für ihr Leben und ihre Karriere bedeutete.
Besonders bewegend sind die Auftritte der alten Schulfreunde und Weggefährten von Aljoscha Pause, mit denen die Jugendlichen in der Pause-Wohnung in der Kölnstraße wilde Partys feierten, die in hübschen Cartoon-Animationen nachgezeichnet werden. Die Jungs blieben unter sich, der Vater schaute nur selten vorbei.
Klassenkamerad Bastian Pastewka
Zu diesem engsten Kreis zählte zwar Bastian Pastewka nicht, aber er besuchte zusammen mit Aljoscha das Clara-Schumann-Gymnasium und erzählt gewohnt unterhaltsam unter anderem von der ambitionierten Schulaufführung der „West Side Story“ von Leonard Bernstein, in der beide mitwirkten. Dass sein alter Klassenkamerad Aljoscha die Schule mit einem Zeugnis voller Sechsen verließ, macht dann aber selbst Pastewka sprachlos.
Die Weggefährten schildern die Jahre eines Jugendlichen, der zwischen Rebellion und Orientierungslosigkeit taumelte, aus der er sich erst befreien konnte, als ihn eine extrem heftige Panikattacke ereilte – ein Erweckungserlebnis. Er holte das Abitur nach und begann, sein Leben zu ordnen.
Eltern trennten sich
Manche Verhaltensweisen des jugendlichen Aljoscha lassen sich dadurch erklären, dass er in eine Zeit und in ein Milieu hineingeboren wurde, die von der linken Studentenbewegung geprägt waren; eine Zeit, in der in den WGs Intimsphäre verpönt war und man nach dem Slogan „Das Private ist politisch“ lebte. Während die Eltern sich in der Szene ausprobierten, mit linkem Bewusstsein, wechselnden Nebenbeziehungen, denen schließlich die Trennung folgte, blieb für den kleinen Aljoscha nur wenig Raum, Kind zu sein. Manche Abende blieb er allein zu Hause. Einmal, als er wieder einmal nicht einschlafen konnte, errichtete er in seinem Kinderzimmer ein riesiges Lego-Bauwerk – ein Mahnmal gegen die Einsamkeit.
Die Zuschauer erleben nicht nur eine Vater-Sohn-Geschichte, sondern die Emanzipation eines Sohnes vom künstlerischen Schatten des Vaters – mit Bonn als innerem wie äußerem Ankerpunkt. Auch Aljoscha Pauses Privatleben ist ein Gegenentwurf zu dem seines Vaters: Seit 25 Jahren sind er und seine Frau Caro verheiratet, ihre beiden Töchter wuchsen behütet in einem Bonner Einfamilienhaus auf.
Kein Denkmal für den Vater
Für Zuschauer aus dem Rheinland ist „Fritz Litzmann, mein Vater und ich“ ein atmosphärisches Heimspiel. Die Stadt – einst politisches Machtzentrum und zugleich kulturelles Biotop – spielt mehr als nur Kulisse eine Rolle. Das Pantheon wird zur Projektionsfläche für Träume, Konflikte und Aufbruch. Wer das Theater kennt, erkennt seine Geschichte: Von der Unterbringung im Bonn-Center bis zum Umzug nach Beuel, vom politisch motivierten Kabarett der 80er über den begehrten „Prix Pantheon“ bis hin zur kabarettistischen Karnevalsrevue „Pink Punk Pantheon“, in der Litzmann und Schwaderlappen das rheinische Brauchtum respektlos, urkomisch und auf politische Korrektheit pfeifend auf den Kopf stellten.
Aljoscha Pauses Film ist kein Denkmal für seinen Vater – sondern ein ehrlicher, oft unbequemer Dialog über Nähe und Abwesenheit, über Verantwortung und Erbe. Dass dabei auch Bonner Stadtgeschichte lebendig wird, ist ein Geschenk. Dass dabei keine Heldenverehrung, sondern ein lebendiges Zeugnis vorsichtiger Annäherung entsteht, macht den Film umso sehenswerter.
Der Film läuft in Bonn (Rex, 1.6., 13.15 Uhr und, 17.30 Uhr), Köln (Odeon, 1.6., 12.15 Uhr und, 19.30 Uhr), Hennef (Kur-Theater, 1.6., 19 Uhr) und Wachtberg-Adendorf (Drehwerk 17/19, 1.6., 20.15 Uhr).