Der neue Kriminalband von Andreas Storm ist im Mai erschienen: Dieses Mal führt der gebürtige Kölner Autor den Kunstermittler Lomberg nach Großbritannien.
Neuer Krimi von Andreas StormKomplott mit Todesfolgen um ein Gemälde

Krimi-Autor Andreas Storm.
Copyright: Maya Claussen
Johannes SpätlingEinmal quer durch Europas jüngste Geschichte: Fans historischer Krimis kommen bei Andreas Storm seit einiger Zeit auf ihre Kosten. Die modernen Politromane rund um den Bonner Ermittler Lennard Lomberg sind spannende Reflexionen unserer Zeit und behandeln europäische Nachkriegsgeschichte und Gegenwart sowie die Aufarbeitung deutsch-europäischer Beziehungen, launig und spannend erzählt von Andreas Storm. Der gebürtige Kölner, nebenbei Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur, ist ein Spätstarter in der schreibenden Zunft.
In seinen Bänden widmet sich der inzwischen 61-Jährige stets einem anderen europäischen Land und dessen historischer Verknüpfung mit Deutschland. Waren es im Erstlingswerk „Das neunte Gemälde“ die Nachwirkungen der deutschen Besatzung Frankreichs und im zweiten Band („Die Akte Madrid“) eine Referenz auf die deutsch-spanischen Beziehungen im 20. Jahrhundert, ist es nun Großbritannien und dessen Aussöhnung mit Deutschland, welches in „Die Victoria Verschwörung“ im Mittelpunkt steht.
Jeder Band spielt in einem anderen Land
Der Roman ist jüngst Anfang Mai erschienen – zeitlich gut eingeplant. Genau sechzig Jahre zuvor hatte Queen Elizabeth II. die Bundesrepublik bereist. Der elftägige Staatsbesuch zwischen dem 18. und 28. Mai 1965 gilt als Meilenstein in der deutsch-britischen Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der packende und sehr britische dritte Fall des Bonner Kunstexperten und Ermittler Lennard Lomberg, einem Experten für Beutekunstforschung, spielt auf drei eng miteinander verknüpften Zeitebenen im Kriegsjahr 1940, im besagten Versöhnungsjahr 1965 und im Brexit-Jahr 2016. Im Roman erhält die Queen Elizabeth bei ihrem Staatsbesuch im Jahr 1965 ein Geschenk der Bundesregierung – ein Gemälde aus dem Jahr 1845, welches ihre Ur-Urgroßmutter, Königin Victoria, zeigt. Bald stellt sich heraus, dass es sich um eine diskret eingefädelte Restitution handelt, denn das Gemälde wurde 1940 von den Nazis aus der Pariser Exil-Residenz von Edward VIII. gestohlen.
Bald folgt in der Handlung ein Sprung in die Gegenwart und der erste Wendepunkt: 2016 behauptet ein Erpresser, dass das Gemälde eine Fälschung sei, und droht mit der Entlarvung eines blutigen Komplotts rund um das Kunstwerk, in dessen Folge drei Männer ihr Leben ließen. Die Suche nach der Wahrheit um Königin Victoria beginnt und führt den Bonner Kunstermittler nicht nur in die royalen Hinterzimmer, sondern wiederum an die Abgründe der jüngeren Zeitgeschichte – und ein wenig auch an seine eigenen.
So gleicht der dritte Band in zahlreichen Abläufen den ersten beiden Bänden, mit einer Ursprungshandlung und einem Urverbrechen – und ist doch noch näher an der Gegenwart, da auch wiederblühender Rechtsextremismus, Reichsbürger und Identitäre, sowie der Brexit zentrale Motive sind.
„Fiktion plötzlich ganz nah an der Wirklichkeit“
Storm wirft einen kritischen, zugleich aber auch zärtlichen Blick auf das heutige Großbritannien mit all seinen Irrtümern, Widersprüchen und Vorzügen. Der Fall ist eine Art Heimspiel für den selbstständigen Kunstberater Lennard Lomberg, aber auch für Andreas Storm, denn sowohl die Figur als auch ihr Autor haben zeitweilig in London gelebt, was man dem Band anmerkt. Die Tochter Lombergs entstammt einer deutsch-britischen Beziehung und spielt in diesem Band eine zentrale Rolle, wie auch weitere Charaktere der vorangegangenen Bände, unter anderem seine Liebschaft Sina Röhm, welche als taffe BKA-Spezialistin für Kunst- und Kulturgut-Kriminalität Lennard Lomberg elegant ergänzt.
„Wer die ersten beiden Folgen rund um Lomberg nicht gelesen hat, dem sei geraten, diese vielleicht voranzustellen – das ist aber kein Muss“, betont Andreas Storm, der sich im Übrigen unbewusst ein Stück Wahrheit in seinem Roman ausgedacht hat: „Bei den Recherchen rund um den Staatsbesuch 1965 habe ich später festgestellt, dass man Queen Elizabeth tatsächlich auf diesem Staatsbesuch ein Bild übergeben hat – ebenfalls von Queen Victoria. Da lief es mir kalt den Rücken herunter – meine Fiktion war plötzlich ganz nah an der Wirklichkeit.“ Nicht nur deswegen ist der neue Roman von Andreas Storm ein lesenswertes Stück deutsch-britischer Freundschaft.
Andreas Storm: „Die Victoria Verschwörung“, erschienen am 8. Mai. Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 368 Seiten. Paperback: 17 Euro.