Ausstellung in KölnMartin Kippenberger – Humor in der Beziehungskiste

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Der "Sozialkistentransporter" von Martin Kippenberger ist in der Galerie Gisela Capitain zu sehen.

Der "Sozialkistentransporter" von Martin Kippenberger ist in der Galerie Gisela Capitain zu sehen.

Der Performancekünstler Martin Kippenberger wäre am Samstag 70 Jahre alt geworden. Die Galerie Gisela Capitain widmet ihm die Ausstellung „Heavy Mädel“.

Makkaroni versenkte Martin Kippenberger in seiner Skulptur „Bergwerk II“. Die waren ihm die Liebsten. In einem Schaumstofftorso eingebettet, liegen die Nudeln unsichtbar unter einer winzigen Perserteppichbrücke. Darauf wiederum stakst eine Lederstiefelette mit protziger Goldsole. „Heavy Mädel“ heißt die Schau in der Galerie Gisela Capitain, in der die Arbeiten des Malers, Installationskünstlers, Performancekünstlers, Bildhauers und Fotografen (1953-1997) derzeit zu sehen sind.

Werksverzeichnis zum 70. Geburtstag 

Am Samstag wäre er 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass gibt es nun den Band II des Werkverzeichnisses von Martin Kippenberger, der die Gemälde der Jahre 1983 bis 1986 erfasst. Die Herausgeberinnen Gisela Capitain und Lisa Franzen stellen den Band am Samstag zwischen 15 und 18 Uhr in der Albertusstraße 9-11 vor.

1978 gründeten Kippenberger und Capitain das „Kippenberger Büro“ in Berlin, in dem Ausstellungen junger Künstler gezeigt wurden. In „Heavy Mädel“, wie auch in „Heavy Burschi“ ließ Kippenberger Bilder malen, beauftragte damals Merlin Carpenter als Assistenten. Der malte Kippenberger Bilderkosmos auf der Grundlage aller der bis dahin erschienenen Künstlerbücher und Kataloge.

Kunst im Container

Das fertige Produkt aus zitatenreichen und in der Art brut skizzierten Buntstiftbildern war Kippenberger jedoch zu malerisch, zu gut, zu sehr Kitsch. Er beschloss, daraus einen „Doppelkitsch“ zu machen. Die Gemälde wurden zertrümmert und auf drei Container verteilt. Vorab wurden allerdings die Originale fotografiert und zu je zwei Exemplaren reproduziert, gerahmt und mit je einem Container ausgestellt.

Es strotzt nur so von der Selbstbezüglichkeit. Und das gerade macht Spaß. „Nicht die glänzenden Plastikhüllen des Konsums, sondern ihre ausgewürgten Partikel ergötzen das Auge hier“, heißt es im Begleittext zum Zeichenprozess: „Eine verfilzte Semiose, die vom Alltagsballast kontaminiert, Flachwitze aus Werbe-Pop-Schnipseln, Markenzeichen und Politsymbole paart.“

52 originale Heavy Mädel Zeichnungen zeigt die Galerie Gisela Capitain nun in der Sankt-Apern-Straße. Spiegelverkehrt verweist Carpenter auf den Briefbögen des Hotels Chelsea Köln gleichsam auf das Medium der Fotografie und somit auch die Reproduktion der ursprünglichen Gemälde. Wegbegleiter wie Jeff Koons oder Albert Oehlen finden sich auf den Skizzen wieder und vieles aus der Bildsprache Kippenbergers.

Schicksal der Stechkarte

Wie zum Beispiel der „Worktimer“, der auch als fast raumhohe Skulptur zu bestaunen ist. Ein Nonsens-Vehikel aus der „Peter“-Serie - eine Hommage an einen unbestimmten Arbeitsmann, der von der Aktentasche bis zum Stechkarten-Schicksal so viele Merkmale vereint, dass er dem Betrachter irgendwie bekannt vorkommt. Am Vehikel allerdings versteigt er sich in Assoziationen, die zwar möglich, aber immer auch ein bisschen unsinnig sind.

Aus dem Kunstmarkt das Hochtrabende herauszunehmen, darin war Kippenberger ein Meister. Seine Installationen und Performances haben etwas Provozierendes, halten den Spiegel vor und landen dazu ein, alles nicht so ernst zu nehmen. Beliebig ist seine Botschaft nicht. Er war in der Punkszene eine Nummer und Schauspieler Ben Becker widmete ihm den „Kippy Song“.

Auch ein schönes Objekt in der Ausstellung ist der „Sozialkistentransporter“ – eine venezianische Gondel aus groben Eisen, die eine viereckige Kiste transportiert, die wiederum für die Beziehungskiste steht. Ein Fahrzeug, das mit Kitsch und Romantik überschwappt.

Bis 18. März, Di bis Sa 10 - 18 Uhr, Preise auf Anfrage Sankt-Apern-Str. 26.

Zur Person

Martin Kippenberger wurde 1953 in Dortmund geboren und starb 1997 in Wien. Er wuchs in Essen mit je zwei älteren und zwei jüngeren Schwestern auf. Der Vater war Direktor der Zeche Katharina, die Mutter Dermatologin. Kippenberger war ein Ururenkel von Carl Leverkus (1804–1889), dem Namensgeber der 1930 gegründeten Stadt Leverkusen. 1968 brach er die Schule ab und begann eine Dekorateurslehre. 1972 bis 1976 studierte er an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg . Danach zog er nach Florenz um, wo er mit der Bilderserie „Uno di voi, un tedesco in Firenze“ beginnt. (EB)

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