Simon Solberg zeigt in Bonn seine Inszenierung von Brecht/Weills „Dreigroschenoper“.
Klassiker von Brecht und WeillSimon Solbergs „Dreigroschenoper“ scheitert in Bonn an fehlender Lebendigkeit

Daniel Stock als Mackie Messer.
Copyright: Bettina Stöß
Stellen Sie sich vor, sie kommen aus Mozarts „Zauberflöte“ und haben Papagenos Arie „Der Vogelfänger bin ich ja“ nicht im Ohr. Oder schlimmer: Sie haben sie irgendwie überhört.
Dieses Kunststück bringt Regisseur Simon Solberg mit seiner Inszenierung von Kurt Weills (Musik), Bertolt Brechts und Elisabeth Hauptmanns (Libretto) 1928 entstandenen „Dreigroschenoper“ fertig. Die Moritat von Mackie Messer („Und der Haifisch, der hat Zähne ...“), die sich mittlerweile zu einem weltweit erfolgreichen Pop- und Jazz-Standard entwickelt hat, wird in Bonn gleich nach dem (Ensemble-)Vorspiel von Mackies Geliebten Lucy (Marie Heeschen) geradezu lustlos weggesungen.
Alberne Splattereffekte
Dabei wäre das die Gelegenheit gewesen, diese erste Annäherung Weills an das amerikanische Musiktheater, dem er ja nach seiner Emigration in die USA 1935 mit seinen Musicals (wie „Lady in the Dark“, 1941) neue Reize abgewann, offenkundig werden zu lassen.
Aber stattdessen setzt Haus-Regisseur Solberg mehr auf die wohlfeile, aktuelle Anspielungen („...für die Armee wird jetzt wieder geworben“) und alberne Splattereffekte, wenn Mackie Messer im Gefängnis gefoltert wird. Schon bald ist einem die Handlung so ziemlich egal, weil Solberg keine der Figuren zum Leben erweckt.
Schützende Hand der Polizei
Mackie Messer (Daniel Stock), ist der Unterweltboss in Londons berüchtigtem Stadtteil Soho. Als er Polly (Julia Kathinka Philippi), der Tochter des Bettlerkönigs Peachum (Özgür Karadeniz) einen Heiratsantrag macht, ist der gar nicht begeistert. Fürchtet er doch, dass Mackie ihm sein zweifelhaftes Geschäft verderben könnte.
Doch Polly ist fest entschlossen, ihren Geliebten zu heiraten. Gesagt, getan. Zu den Hochzeitsgästen gesellt sich neben Mackies Gang – Trauerweiden-Walter (Wilhelm Eilers), Münz-Matthias (Alois Reinhardt) und Hakenfinger-Jakob (Jacob Z. Eckstein) auch Londons Polizeichef Tiger-Brown (Timo Kählert). Weil beide alte Kriegskameraden sind, hält Brown seine schützende Hand über den untergetauchten Mackie.
Böse Spiel der Schwiegereltern
Doch Peachum und seine Frau (Marion Kracht) finden einen Weg, um ihn doch noch in den Knast zu bringen: Mit einem Koffer voll Geld überreden sie die Prostituierte Spelunken-Jenny (Imke Siebert), ihren Schwiegersohn an die Polizei zu verraten, wenn er wieder mal im Bordell auftaucht.
So haben die Gesetzeshüter schließlich leichtes Spiel, Mackie dingfest zu machen. Zumal Peachum parallel Brown droht, mit seiner Bettlerschar die bevorstehende Krönung der Königin zu stören.
Viel Herumgehampel
Doch es gibt ein unerwartetes Happyend: Die Königin begnadigt den, schon am Galgen baumelnden Mackie und erhebt ihn zu allem Überfluss auch noch in den Adelsstand. Da wird die Kapitalismus-kritische Oper in letzter Sekunde doch noch zum Wohlfühl-Musical!
Aber dieser eine leichte Moment reicht nicht aus, um die bleierne Langeweile, die sich von Anfang an über die Inszenierung gelegt hat, vergessen zu machen. Zu dürftig, ist das dramaturgische Gewand, in das Solberg und sein offensichtlich genauso Genre-fremder Dramaturg Jan Pfannenstiel die „Dreigroschenoper“ gehüllt haben: viel Herumgehampel statt sinnvoller Bewegungschoreographie. So, als hätten sie sich nicht so richtig entscheiden können, zwischen einem „Singspiel“ und einer konzertanten Aufführung.
Prolliger Kleinkrimineller
Letzteres wünscht man sich im Lauf des Abends immer mehr, zumal sich das Beethoven-Orchester Bonn unter der Leitung von Daniel Johannes Mayr weitaus mehr mit der musikalischen Vorlage zu identifizieren scheint als die Regie.
Unter der einfallslosen Inszenierung leiden natürlich auch die Darsteller, Da verkommt der ursprüngliche Gentleman-Gauner Mackie Messer zu einem prolligen Kleinkriminellen. Und Daniel Stock kann sich auch noch so anstrengen, man glaubt seiner Figur einfach nicht, dass die Frauen reihenweise auf ihn hereinfallen.
Gag mit IKEA-Karton
Die Rolle der Lucy mit einer Opernsängerin zu besetzen, erweist sich gerade im Duett mit Polly („Komm heraus, du Schönheit von Soho“) als – eigentlich voraussehbarer – Fehlgriff.
Und da sich der in der Story angelegte bissige Humor auch nicht so richtig einstellen will, geht der einzig originelle Einfall fast völlig unter: Da wird das Galgen-Zubehör in einem IKEA-Karton mit der Aufschrift „HÄNGON“ geliefert. Das war wenigstens einen Zwischen-Applaus wert!
160 Minuten (inkl. Pause). Wieder am 8.4., 10.5. und 17.6., jeweils um 19.30 Uhr sowie am 20.4. ,19.5. , 1. und 8.6., jeweils um 18 Uhr, weitere Termine im Juli.