„Kraut-Surfing“ in KölnChilly Gonzales kehrt zurück in die Philharmonie

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Der kanadische Musiker Chilly Gonzales sitzt am Konzertflügel in der Kölner Philharmonie. Er trägt einen Bademantel und Schlappen.

Chilly Gonzales in der Philharmonie

Nur echt mit Schlappen und Bademantel: Der kanadische Musiker Chilly Gonzales lässt sich vom Publikum in der Philharmonie Köln auf Händen tragen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Mit einem herzlichen „Music is back, motherfuckers“ meldet sich Chilly Gonzales zurück in die Philharmonie. Wegen der Corona-Pandemie musste er seine beiden Konzerte im letzten Jahr bekanntlich absagen. Nun holt er sie nach und lässt sich am Ende seiner zweieinhalbstündigen Show gleich dreimal auf den Händen seines Publikums rücklings durch die Reihen tragen.

„Krautsurfing“ nennt er das in Anspielung an die im englischen Sprachraum nicht immer nett gemeinte Bezeichnung „Kraut“ für jemanden aus Deutschland. „Surfing the Kraut“ rappt er dazu immer wieder und variiert damit seinen Song „Surfing the Crowd“. Den Gesang wandelt er allmählich zu „Who touched my ass“ ab. Die Stimmung im ausverkauften Saal kocht da längst.

Potpourri der Klaviermusik

Diese Nähe zu seinem Publikum habe er in den vergangenen zwei Jahren am meisten vermisst, erklärt der Kanadier mit Wohnsitz in Köln. Hier werden seine Auftritte immer wie ein Heimspiel gefeiert, und natürlich tritt er auch hier im edlen Bademantel und Pantoffeln auf. Dabei hatte alles so ruhig begonnen, mit wohlklingenden Potpourris aus seinen drei Klavieralben mit dem schlichten Titel „Solo Piano“. Darauf verschmelzen Einflüsse aus Minimal Music, Pop, Jazz und Neoklassik zu etwas Eigenem. Es ist der Gonzales-Stil der eingängigen Melodien, der sanften Fiorituren und der mitreißenden Rhythmus-Pattern.

Alles geht gut ins Ohr, hat aber immer auch Platz für überraschende Schlenker, etwa zu orientalisch anmutenden Tonfolgen. Mitunter flitzt er auch wie ein ungarischer Cimbalom-Virtuose über den Diskant seines Konzertflügels, der auch an diesem Abend von der Firma Bechstein kommt. Bereits im ruhigen ersten Konzertteil treten dem Klavierspiel bisweilen drei Streicher hinzu: die britische Cellistin Stella LePage, der niederländische Geiger Yannick Hiwat und der kanadische Bassist Taylor Savy. Allesamt coole Typen.

Seine schrulligen Moderationen dosiert Gonzales zunächst, sodass der 50-Jährige fast zu seriös wirkt. Doch irgendwann juckt es ihm in den Füßen und er beginnt mit seinen Pantoffeln einen Rapbeat zu stampfen. Die Frage, ob das Publikum so etwas hören will, braucht er eigentlich nicht zu stellen. Sein Sprechgesang im dadaistischen Poetry-Slam-Stil machte ihn einst berühmt. Seine Texte sind auch heute noch erfrischend unangepasst.

Natürlich wünscht sich die Menge später auch das über die Klaviatur rockende „Knight Moves“. Besonders Gonzales’ immer kraftvoller gehämmerten Bassoktaven und sein hinzutretender Stamm-Trommler Joe Flory sorgen für Partystimmung. Schließlich komponiert Gonzales nur für „Hot People“, knapp 2000 davon sind seiner Meinung nach diesmal in der Philharmonie.

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