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Clint EastwoodHollywoodstar feiert 95. Geburtstag

Lesezeit 4 Minuten
Clint Eastwood

Clint Eastwood 

Schauspieler Clint Eastwood feiert seinen 95. Geburtstag

Er hätte sich schon früh in die kreative Komfortzone kuscheln können. Als Viehtreiber in der Westernserie „Rawhide“ hatte Clint Eastwood mit 28 für sieben Jahre einen festen Job ohne alle Geldsorgen. Doch seine Devise lieh er sich vom Baseballstar Satchel Paige: „Blick nie zurück, denn irgendwas könnte dich einholen.“

Mit „Dirty Harry“ zum Superstar

Mit diesem Motto wurde der am 31. Mai vor 95 Jahren geborene Mann aus San Francisco als Filmschauspieler, -regisseur und -produzent zum einzigartigen Dreifachgenie. Cowboys kommen überall hin. Eastwood bekennt sich zum Genrekino, dessen Korsettstangen er freilich vor wie hinter der Kamera kräftig verbiegt.

Das beginnt 1964 mit der Hauptrolle in Sergio Leones billigem Spaghetti-Western „Für eine Handvoll Dollar“, die Kritikern anfangs als Verrat an John Waynes Erbe erscheint. Doch seine Figur des maulfaulen Machos mit Zigarillo im Mundwinkel und lässig über dem Revolverhalfter weggewischten Poncho wird auch dank mehrerer Fortsetzungen eine Ikone der Popkultur.

Als Hauptdarsteller und zugleich Regisseur möchte er freilich noch viel weiter gehen: Zuerst mit dem nihilistischen Rachewestern „Ein Fremder ohne Namen“, dann als geisterhafter „Pale Rider“ und 1992 mit dem grimmigen Meisterwerk „Erbarmungslos“. Doch schon 21 Jahre zuvor holte Eastwood den Cowboy in die Großstadt. 1971 ist das wohl markanteste Jahr seiner Karriere: Sein Regie-Lehrmeister Don Siegel stößt ihn als Titelhelden in „Dirty Harry“ über die Schwelle zum Superstar.

Granitmimik

Mag die Kritikerin Pauline Kael den Polizeithriller auch „faschistisch“ nennen, so glückt dem Protagonisten trotz seiner Granitmimik das schillernde Porträt eines Cops, der angesichts staatlicher Nachgiebigkeit gegenüber einem psychopathischen Serienmörder zur Selbstjustiz greift. Laut Stephen King sehen „selbst die besten Liberalen“ beim Verlassen des Kinos aus, „als wären sie von einem Zug überfahren worden“. Das umstrittene Werk sowie seine vier(!) Fortsetzungen zementieren Clint Eastwoods lakonisches Leinwandcharisma.

Doch ebenfalls 1971 gibt Hollywoods Männlichkeits-Modell sein verblüffendes Regiedebüt: In „Sadistico“ verkörpert er einen Kleinstadtcasanova, der bei einer seiner zahlreichen Affären an eine lebensgefährliche Stalkerin gerät. Der Frauenheld im Fegefeuer, plötzlich all seiner Überlegenheit beraubt. Überhaupt fährt der Kassengarant von Warner Brothers gern mit dem eigenen Image Schlitten, wenn er etwa als „Mann aus San Fernando“ einen Orang Utan als Partner hat. Solche überraschend erfolgreichen Abstecher ins Schräge produziert er mit seiner eigenen Firma Malpaso.

Im Lauf seiner Karriere lässt der zeitweilige Bürgermeister im kalifornischen Carmel kein Genre aus: vom Musikerporträt „Bird“ als Tribut an Charlie Parker über die Science-Fiction-Komödie „Space Cowboys“ und den Polit-Thriller „Absolute Power“ bis zum Liebesmelodram mit Meryl Streep. Im ironischen Rückblick meint er: „Als ich ‚Die Brücken am Fluss’ drehte, dachte ich: „Dieses romantische Zeug ist echt hart. Wann kann ich endlich wieder schießen und töten?“

Während sein Privatleben bei acht Kindern von sechs Frauen ins Chaotische tendiert, ist der Star am Set ein ruhiger, bestens vorbereiteter Regisseur ohne jede Wichtigtuerei: „Ich bin nur ein Typ, der Filme macht“ heißt ein 2010 erschienenes Buch von seinem Freund Richard Schickel. Einige seiner stärksten Arbeiten glücken ihm nach der Jahrtausendwende: Die Klischees des Kriegsfilms hebelt er in „Flags of our Fathers“ und „Letters from Iwo Jima“ aus, indem er die Pazifikschlacht von 1945 aus amerikanischer wie japanischer Perspektive zeigt.

Tragische Geschichte einer Boxerin

In „Mystic River“ (nach Dennis Lehanes Roman) fängt er die Nachbeben schockierender Jugenderlebnisse mit aufwühlender Intensität ein. „Million Dollar Baby“ schließlich erzählt die tragische Geschichte einer Boxerin (Hillary Swank), die im Ring zwar triumphiert, dann aber mit einem verbotenen Schlag gelähmt wird. Und so endet der Sportfilm als erschütterndes Sterbehilfedrama. Neben „Erbarmungslos“ gewinnt auch diese Tragödie die Oscars für beste Regie und besten Film. Clint Eastwood, als bester Hauptdarsteller nominiert, bekommt für die Rolle des Boxtrainers nicht den verdienten Lohn.

Doch fügt er der illustren Garde seiner oft nur scheinbar hartherzigen Einzelgänger („Gran Torino“!) ein weiteres Mitglied hinzu. Wie souverän der Altmeister sein Handwerk immer noch beherrscht, zeigt sein vielschichtiger Justizthriller „Juror No.2“. Doch dieses Werk von Ende 2024 soll sein letztes sein. Und ausnahmsweise könnte sein Regisseur doch einmal zurückblicken. Auf eine Hollywoodkarriere in leuchtendstem Cinemascope.

Zu Eastwoods besten Schauspielerleistungen zählt sein Part als Bodyguard in Wolfgang Petersens „In the Line of Fire“ (1993). Da sich der Secret-Service-Agent vorwirft, John F. Kennedys Ermordung nicht verhindert zu haben, sucht sich dieser angeknackste Mann zwanghaft seine zweite Chance. Wie wenig dem Mimen an einem aalglatten Heldenbild lag, zeigt sich im Film „Ein wahres Verbrechen“ (1999), bei dem er selber Regie führte. Sein abgehalfterter Reporter, Trinker und Schmalspur-Casanova wächst bei der Rettung eines Todeszellen-Insassen mühsam über sich hinaus.