Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Clint Eastwood wird 90Als Schauspieler und als Regisseur überragend

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Clint Eastwood, US-amerikanischer Filmschauspieler, Regisseur und Produzent

  1. Clint Eastwood feiert am 31. Mai seinen 90. Geburtstag.
  2. Anlass genug auf seine überwältigenden Erfolge und seine lange Karriere zurückzublicken.

Anfangs ätzte er ein scharfkantiges Männerbild in die Leinwand: zu Schlitzen zusammengekniffene Augen, Zigarillo im Mundwinkel und eine rechte Hand, die den Poncho über dem Colt blitzschnell beiseite fegt, um sofort abzudrücken. In Sergio Leones Italo-Western („Eine Handvoll Dollar“, „Für ein paar Dollar mehr“ sowie „Zwei glorreiche Halunken“) war Clint Eastwood in den 60er Jahren ganz maulfaule Tatkraft – und ein Typ, den Amerikas Linke (einschließlich Top-Filmkritikerin Pauline Kael) lustvoll hasste.

Umso mehr, als dieser Cowboy in Don Siegels „Dirty Harry“ zum Großstadt-Cop Harry Callahan mutierte, der mit Verbrechern ähnlich kurzen Selbstjustiz-Prozess machte. Wobei Kritiker gern die inneren Brüche dieses Einzelgäng ers und die keineswegs abwegige Kritik an liberaler Täter-Hätschelei übersahen.

Dennoch: Auf dieser letztlich schmalen Macho-Spur wäre der Buchhaltersohn aus San Francisco zwangsläufig in einer Sackgasse gelandet. Doch wenn er am kommenden Sonntag unglaubliche 90 Jahre alt wird, feiert nicht nur Hollywood einen der wandlungsfähigsten Schauspieler und eine Oscar-belohnte Regie-Ikone.

Wegen Meryl Streep sogar Tränen vergossen

Eastwood wusste immer, wann er sowohl auf der Leinwand als auch hinter der Kamera ganz neue Geschichten erzählen musste. Als „Mann aus San Fernando“ wählte er ausgerechnet einen Orang-Utan als Kumpel und ironisierte so sein kerniges Image. Und 1995 verdrückte er als Fotograf in „Die Brücken am Fluss“ sogar ein paar Tränen, als seine Liebe zu einer gelangweilten Farmersfrau (Meryl Streep) zerbrach.

Auch als Regisseur zog es ihn oft dahin, wo ihn niemand vermutet hätte: zur abgründigen Story von der Selbstzerstörung des schwarzen Jazzmusikers Charlie Parker („Bird“), zu Dennis Lehanes Drama unvergesslicher Kindheits-Traumata („Mystic River“) oder dem Melodram einer im Koma liegenden Boxerin („Million Dollar Baby“).

Auch als Regisseur überragend

Als man das Kapitel des Kriegsfilms nach Meisterwerken von Francis Ford Coppola („Apocalypse now!“) und Michael Cimino („Die durch die Hölle gehen“) für auserzählt hielt, wagte Eastwood gleich zwei Pazifik-Kriegsfilme („Flags of our Fathers“, „Letters from Iwo Jima“), davon einen aus der Sicht der japanischen Feinde. Auch von seinem Karrieresprungbrett, dem Western, katapultierte er sich noch in einsame Höhen: Das begann vor der Kamera mit der surrealen Parabel „Ein Fremder ohne Namen“ und endete 1992 mit „Erbarmungslos“, einem infernalischen Schlusspunkt unter das amerikanischste alle Genres. Einer der vier Oscars würdigte auch die über ragende Regie des Hauptdarstellers.

Der schlaksige Hüne gibt zwar unumwunden zu, „dass ich einige Filme besser nicht gemacht hätte“. Doch war er als Mime, Regisseur und Produzent stets hochprofessionell – und drehte derart schnell, dass man heimliche Geniestreiche wie „Perfect World“ fast übersah. Wie viel Humor der bekennende Anhänger der Republikaner (und Ex-Bürgermeister des kalifornischen Küstenorts Carmel) hat, zeigte er etwa als wehrhafter Rentner in „Gran Torino“.

Neuer Inhalt

Clint Eastwood macht auch als Regisseur eine gute Figur - hier mit Angelina Jolie.

Und kaum jemand hat die Fragwürdigkeit von Heldentum so gründlich hinterfragt wie er. Das gilt für seinen „American Sniper“ im irakischen Häuserkampf, aber noch eindrucksvoller für den tatsächlichen Fall des Flugkapitäns Chesley Sullenberger, der am 15. Januar 2009 mit einer Notlandung auf dem Hudson River alle 155 Passagiere an Bord der defekten Maschine rettete. Was danach in einer hochnotpeinlichen Untersuchung streckenweise als überflüssiges Hasardspiel geschmäht wurde. In „Sully“ lässt Eastwood Tom Hanks als Titelhelden denn auch auf dem schmalen Grat zwischen Denkmalwürde und öffentlicher Demontage balancieren.

Nicht an einfachen Storys interessiert

Und der zweifach geschiedene Vater von acht Kindern (von sechs Partnerinnen) denkt nicht an Ruhestand. 2019 sah man ihn in der Rolle eines greisen Drogenkuriers (“The Mule“). Und seine 38. Regiearbeit „Der Fall Richard Jewell“ erzählt von jenem Wachmann, der beim Bombenanschlag auf die Olympischen Spiele von Atlanta 1996 erst als Held gefeiert und dann als geltungssüchtiger Pseudo-Retter verdächtigt wurde. Für einfache Storys ist Clint Eastwood seine Zeit zu schade.

Und wenn ihn US-Medien auf seinen 90. Geburtstag ansprechen, wird er so einsilbig wie die Cowboys seiner frühen Italo-Western: „Ich denke nicht darüber nach.“