Der vierteilige Opernzyklus „Der Ring der Nibelungen“ von Richard Wagner startet mit dem „Das Rheingold“ im Staatenhaus. Bühnenbildnerinnen Pia Dederichs und Lena Schmidt über die Herausforderungen.
Rheingold-Premiere in Köln„Das Gold steht für die kindliche Fantasie, unseren Ursprung“

Pia Dederichs und Lena Schmid (Bühnenbildnerinnen) über die Oper „Das Rheingold“
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Das Bühnenbild für „Das Rheingold“ gab es zum Beispiel in Bayreuth auch schon mal als Motel-Szenerie oder Netflix-Familiensaga. Wie kamen Sie auf die Idee, die Handlung aus kindlicher Perspektive zu erzählen?
Lena Schmid: Die Grundlage unseres Konzepts ist, dass das Gold, hier das ungeschmiedete Gold, das im Rhein bei den Rheintöchtern liegt, für die kindliche Fantasie steht, unseren Ursprung. Wir erzählen die Geschichte als reine Fantasie, ungebremst vom Erwachsenenleben oder vom Alterungsprozess.
Wie gelingt es Ihnen, sich in die Welt der Kinder zu versetzen, ohne dass – bewusst oder unbewusst – die Erwachsenen die Oberhand behalten?
Pia Dederichs: Das war tatsächlich eine spannende Herausforderung. Denn als Erwachsene fantasieren wir nicht mehr so wie Kinder. Zu Beginn haben wir daher meine Kinder malen lassen: Mein Sohn etwa hatte sehr lange Freude daran, die Riesen, Fasolt und Fafner, zu zeichnen und viele Walhallas zu entwerfen. Nicht alles davon ist auf der Bühne gelandet (lacht), aber es war ein guter Einstieg: die Fantasie der Kinder ernst nehmen, sie teilhaben zu lassen.
Sie gestalten die Bilder für den gesamten Ring-Zyklus, die nächsten Teile sollen am Staatenhaus und dann am Offenbachplatz stattfinden. Empfanden Sie das Kompatible als Einschränkung?
Lena Schmid: Ursprünglich war „Das Rheingold“ für den Offenbachplatz geplant, dann aber für das Staatenhaus umgeplant, dort sind die Dimensionen ganz anders. Und ohne Theater-Maschinerie mussten wir neue Lösungen finden, wie die Umbauten punktgenau zur Musik funktionieren, ohne Pausen. Am Offenbachplatz wird das, mit Bühnen-Maschinerie, sicher einfacher sein. Was das Technikteam hier ohne Hilfsmittel schafft, finden wir beeindruckend.
Auf dem Theaterwagen ziehen die Kinder Wolken als erste Bausteine der Götterwelt auf die Bühne …
Lena Schmid: Genau: im ersten Bild sind sie die Hauptakteure am Rhein. Wir starten mit einer leeren Bühne mit nichts als der kindlichen Fantasie. Die Kinder legen im ersten Bild selbst den ästhetischen Grundstein. Man spürt schon gegen Ende dieses ersten Bildes, dass wir die Geschichte durch ihre Augen sehen, wir schauen als Publikum gemeinsam, wie sie sich die Götterwelt vorstellen.
Also sehen wir durch die Augen der Kinder?
Lena Schmid: Ja, wir haben zwei große Augenhälften mit einem Glühbirnenrahmen, die die Kinder auf die Bühne ziehen. Mit dem Rahmen entsteht ein magisches Bild-Element. Das Auge bleibt fast bis zum Schluss präsent, während sich die Bühne dahinter stark verwandelt. Pia Dederichs: Die Temperatur verändert sich: Mit dem Raub des Rheingoldes und dem Fluch des Rings wird alles düsterer. Im Übergang von Märchenwelt in moderne, digitale Erwachsenenwelt. Die Kinder verlieren ihre Fantasie, sie werden von Alberich ausgesaugt, fast dämonisiert. Am Ende bleibt nur eine Hülle. Die Kinder haben viele Einsätze, sie bauen sämtliche Welten des „Rheingold“ auf.
Woher kommen diese Kinder?
Lena Schmid: Die Kinder wurden gecastet, wir haben sportliche Kinder gesucht. Viele stammen tatsächlich aus Turnvereinen, was die Bewegung und das Klettern erleichtert. Pia Dederichs: In Nibelheim gibt es ein mehrstöckiges Gerüst mit Treppen und Leitern. Das ist ein Bild für Alberichs Mine, das wiederum die Unterwelt darstellt. Hier steht jeder Raum für eine kindliche Angst. Die Kinder klettern dort hinein, in eine Fabrik-Unterwelt, in der sie versklavt werden. Dabei wird ihnen ihre ganze Energie entzogen.
Es gibt zudem einen dramatischen Moment: Der Vorhang mit allen kindlichen Projektionen wird heruntergerissen, die Riesen kommen mit dem Bagger und plätten das schöne Naturbild.
Lena Schmid: Ja, das wird sehr puristisch umgesetzt. Nachdem die Kinder verschwunden sind, bleiben die Hauptfiguren mit ihrer Hybris zurück und zeigen, wohin die Reise weitergehen wird: Walhalla, Macht, Fantasieverlust.
Sicher wäre es verlockend gewesen, Tagespolitik aufzugreifen – haben Sie das bewusst vermieden?
Lena Schmid: Klar könnte man Wotan als eine Art „Elon Musk“ zeigen, aber das war nicht unser Weg. Uns interessiert das Fantastische: Theater als Ort der Imagination, nicht nur der Aktualisierung. Pia Dederichs: Die Probleme, die im „Rheingold“ gezeigt werden, also Macht, Besitz, Entfremdung, sind so zeitlos wie Märchen. Das wollen wir zeigen.
Der neue Kölner „Ring“ startet mit der Premiere des „Rheingolds“ am Sonntag in Saal 1 des Staatenhauses Die Regie führt Paul-Georg Dittrich. Es singen unter anderem Jordan Shanahan, Mauro Peter, Daniel Schmutzhard, Karl-Heinz Lehner, Lucas Singer, Emily Hindrichs und Adriana Bastidas-Gamboa. Marc Albrecht dirigiert das Gürzenich-Orchester. Die Premiere ist ausverkauft, Tickets gibt es unter anderem für den 29.10., 31.10., 2.11. und 6.11.
Die „Walküre“ (29.03.26) soll noch im Staatenhaus gezeigt werden. „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ sind fürs Opernhaus geplant, dessen Guckkastenbühne damit zur Vorgabe für das ganze Projekt wird.
