Einfühlsames PorträtDieser Comic würdigt Komponist Stockhausen

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Karlheinz Stockhausen wurde nun im Comic verewigt.

Karlheinz Stockhausen wurde nun im Comic verewigt.

Den Komponisten Karlheinz Stockhausen haben Autor Thomas von Steinacker und Illustrator David von Bassewitz verewigt. Es ist ein einfühlsames Porträt eines Künstlers mit Visionen, welche nachhaltige Impulse für die Neue Musik gaben.  

Warum nicht einmal einen Text in bunter Schrift schreiben, ohne Blocksatz und quer über das Papier? Für den zwölfjährigen Thomas von Steinaecker, der bereits wusste, dass er einmal Schriftsteller werden will, war das eine durchaus wertvolle Anregung. Sie kam von seinem neuen Brieffreund und baldigen Wegbegleiter, dem weltberühmten Komponisten Karlheinz Stockhausen.

„Ein Superheld“

Dessen Neue Musik wie den „Gesang der Jünglinge“ zog der 1977 im bayrischen Traunstein Geborene im Gegensatz zu seinen Klassenkameraden der norwegischen Popgruppe A-ha vor. „Für mich war Stockhausen ein Superheld, der sich aus dem Nichts was aufbaute“, sagt Steinaecker im Telefongespräch mit der Rundschau.

Zwar glaube er nicht, dass es heute zu einer Renaissance der Elektronischen Musik komme, aber der Einfluss des 1928 in Kerpen geborenen Komponisten sei nachhaltig: „Er war ein Impulsgeber, hat neue Horizonte eröffnet und Dinge möglich gemacht, von denen man vorher gar nicht wusste, dass es sie gibt.“

Zusammen mit dem Illustrator David von Bassewitz hat er nun den biografischen Comic „Stockhausen. Der Mann, der vom Sirius kam“ im Carlsen Verlag veröffentlicht. Sensibel und mit zeichnerisch virtuosem Strich entführt der in die Welt der Neuen Musik. Formeln und Zahlen, die Klänge in Clustern vorgeben, sind geradezu geschaffen für das Comic. Sich darin einem Komponisten wie Karlheinz Stockhausen zu nähern, erscheint wiederum wie eine Gratwanderung.

Der Kniff, den Autor Thomas von Steinaecker und Illustrator David von Bassewitz dabei anwenden, ist das Biografische. Der Auslöser für Stockhausens sphärische Klangwelten dürfte in der Kindheit und Erfahrung des Kriegs, aber vor allem in der eigenen Geschichte liegen.

Familiäre Tragödie

Es ist eine Tragödie, über die die Familie des Komponisten Stockhausen (1928 – 2007) zu seinen Lebzeiten so gut wie gar nicht sprach: Seine Mutter Gertrud wollte kurz vor Weihnachten 1932 aus dem Fenster springen. Offenbar litt sie nach der Geburt des dritten Kindes an einer postnatalen Depression, aus der sie nicht herauskam. Sie wurde in die Nervenheilanstalt Galkhausen bei Langenfeld eingewiesen und starb neun Jahre später in der NS-Tötungsanstalt im hessischen Hadamar.

Dort wurden von 1941 bis 1945 fast 15 000 Menschen – darunter psychisch Erkrankte und Menschen mit Behinderung, Alte und Junge, Männer, Frauen und Kinder – ermordet. Zweifelhaft war die Rolle des Vaters, einem Volksschullehrer, der schon bald eine neue Frau fand und sich von Gertrud scheiden ließ . Der Verlust der Mutter und die Kriegserlebnisse des jungen Karlheinz arbeiten Autor und Illustrator in eindrücklichen Bildern und Szenen auf.

„Ich bin zwar kein Psychologe. Aber was er im Krieg und im Elternhaus erlebt hat, war schwer zu toppen und hat sicherlich seinen Weg als Künstler geprägt“, sagt von Steinaecker. Die Stationen an der Musikhochschule Köln, die Begegnung mit Arnold Schönbergs Zwölftonmusik und der Besuch der Ferienkurse für Internationale Neue Musik in Darmstadt Anfang der 50er Jahre werden spannend erzählt.

Von Steinaecker, der 2009 für den Sender Arte bereits einen Film über Stockhausen drehte, sieht im Comic die Chance, Passagen auch ohne Archivmaterial zu erzählen, welches für eine Fernsehdokumentation Voraussetzung wäre. Bassewitz und er hätten die historischen Akten aber genau studiert und es sich zur Aufgabe gemacht, alles getreu zu illustrieren.

Blick in die Werkstatt

Bild und Text in der Kombination wirkten auf den Leser unmittelbar und anschaulich. So wie der Blick in die Werkstatt des Komponisten: Karlheinz Stockhausen war Pionier der Neuen Musik und erster Mann im Kölner SEM. Das legendäre Studio für Elektronische Musik machte die Domstadt weltweit bekannt. Zuletzt drohte das Equipment in der Mottenkiste zu verstauben.

Aber: Die Instrumente, darunter Synthesizer mit brüchigen Kabeln und bröseligen Gehäusen, werden restauriert. Das ist das Ergebnis langer Verhandlungen zwischen dem WDR, Stadt und Land. Zukünftig soll das Studio im Zentrum für alte Musik unter „Zamus 2.0/SEM“ zum Einsatz kommen.

Moderner Mentor

Zahlenwerke und Cluster der Partituren bieten sich fürs Comic gerade zu an, knapp 400 Seiten durchblättert der Leser im Flug. Dass der Autor den Komponisten persönlich kannte, ihn besuchte und bis zuletzt in Briefkontakt blieb, merkt man dem Werk an. Stockhausen sei für ihn, als den wohl jüngsten Bewunderer, aber auch viele andere junge Menschen und Kollegen ein Mentor gewesen.

Die Beatles bewunderten ihn und auch Miles Davis. „Er war völlig zugewandt“, so von Steinaecker. Das Mondäne kommt im Comic herüber, aber auch das miefige Milieu der katholischen Kindheit. Die wiederum stand in Kontrast zum späteren Lebensstil. Stockhausen lebte zusammen mit der Künstlerin Mary Bauermeister und seiner ersten Frau, der Musikpädagogin Doris Stockhausen, geborene Andreae.

Die sechseckigen Zimmer des vom Komponisten selbst entworfenen Wohnhauses im bergischen Kürten scheinen für die Atmosphäre des futuristischen Comic ideal. Ein zweiter Band ist für 2026/27 geplant, denn die Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt.

Stockhausen. Der Mann, der vom Sirius kam, Carlsen, 392 S., 44 Euro. Im Literaturhaus wird das Buch am 6. Februar, 19.30 Uhr vorgestellt. Es moderiert Anna Schürmer.

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