Neue Schau in DüsseldorfAusstellung im Kunstpalast widmet sich dem Thema Größe in der Fotografie

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Aus der Serie „Auto Erotik“ zeigt der Kunstpalast in Düsseldorf Bilder von Andrzej Steinbach in der Ausstellung  „Size Matters“.

Aus der Serie „Auto Erotik“ zeigt der Kunstpalast in Düsseldorf Bilder von Andrzej Steinbach in der Ausstellung „Size Matters“.

Der Kunstpalast in Düsseldorf geht in seiner Ausstellung „Size Matters“ der Frage nach Größenverschiebung in der Fotografie nach. 

Andrzej Steinbach lässt Maschinen tanzen: Rohrzange und Bohrkopf aus seiner Fotoserie „Auto Erotik“ gehen eine geradezu sinnliche Verbindung ein. Eine Konstellation, die mancher Hobbyhandwerker womöglich unbewusst schon gesehen hat. Aber durch das Foto, die Inszenierung, gerät alles in einen neuen Blickwinkel: Die Schraube in Nahaufnahme wirkt wie eine Skulptur, Gebrauchsspuren an den Werkzeugen erzählen von arbeitenden Händen. „Size Matters. Größe in der Fotografie“ heißt die neue Schau im Düsseldorfer Kunstpalast.

Am Regler gedreht

Der Bedeutungswandel, der mit der Größenverschiebung in der Fotografie einhergeht, wird nach Ansicht von Kuratorin Linda Conze oft gar nicht bemerkt. „Von allen Medien vermag sie am einfachsten ihren Umfang zu ändern, kann leichtfüßig zum Großbild auf der Museumswand anwachsen aber auch zum Vorschaubild auf dem Handyscreen schrumpfen.“

Die Ausstellung mit dem Satz „Auf die Größe kommt es an“ zu übersetzen, wäre zu vordergründig. „Matter stehe auch für Materie“, sagt Conze. Die Frage stelle sich aber, in welcher Größe die Dinge in die Welt kommen. Ein Streichholz, Münze oder Lineal als Vergleichsgröße ist neben den Fotos eher unüblich geworden. Indem sie nachhakt, wie denn nun in der Fotografie am Größenregler gedreht wird, begibt sich die Schau auf Neuland. Die amerikanische Kulturkritikerin Susan Sontag sagte schon 1970: „Die Fotografie bastelt am Maßstab der Welt herum.“

Automatisch ordnet sich der Betrachter unter, wenn er in das großformatige Spektakel eintritt, das Andreas Gurski 2001 kurz nach den Attentaten des 11. September während eines Konzerts mit Popikone Madonna machte. Menschenmasse, gigantische Bühne und Lichtarchitektur nahm Gurski von oben auf. Das Bild verdeutlicht, wie klein jeder Einzelne ist, wenn sich das Individuum in Punkten auflöst — verletzlich, aber auch von bizarrer Schönheit.

Morgendliche Militärparade

„We have Friends all over the World“ betitelt Katharina Sieverding ihr großformatiges Foto-Triptychon, das chinesische Soldaten beim morgendlichen Paradetraining zeigt. 1979 hielt sie diese Szene in der Nähe des „Friendship-Hotels“ fest, das 1954 als Symbol der Allianz zwischen Russland und China gebaut wurde. Auch hier ist es die Größe, die die Bedeutung unterstreicht.

Von den 160 ausgestellten Arbeiten stammen 90 aus dem eigenen Fundus, wie Generaldirektor Direktor Felix Krämer erklärt. Auch wenn die Entscheidung für Düsseldorf als Standort des Deutschen Fotoinstituts für die Stadt eine wunderbare Entscheidung sei, schränkt er ein, dass die jetzige Schau damit nichts zu tun habe.

Aber sie stehe für die Königsklasse, indem sie es schaffe, ein breites Publikum ebenso wie Fachleute und Wissenschaft anzusprechen. An der Wirklichkeit wird Fotografie gemessen. Trotzdem können Bildausschnitte einen anderen Zusammenhang vermitteln. Werden Randerscheinungen mit Geschichten versehen, die im Kontext so gar nicht stimmen, ist der Desinformation freier Lauf gelassen.

Angesichts der allgegenwärtigen und beharrlichen Bildproduktion und der Masse der Bilder im Web beschäftigt sich die Schau mit der Frage, auf welche Weise ein einzelnes Bild heute und in Zukunft überhaupt noch ein Alleinstellungsmerkmal erlangen kann. Ein Bild, das im Kunstpalast als Fotokunst ausgestellt ist, fungiert auf dem Plakat zur Ausstellung im Stadtbild gleichsam als Werbung: Kathrin Sonntag arbeitet mit Fotocollagen mit ihren „Dingen im Hintergrund“, die stutzig machen: Ein riesiger Apfel liegt vor einem geradezu grazil wirkenden Baum, an einem Hauseingang prangt ein riesiger pinker Teepott mit dem Aufkleber „Made in China“. Ähnlich arbeitet die in Köln geborene und in Düsseldorf arbeitende Fotografin Alex Grein, die Pflanzenblätter im Raum anordnet, der entweder eine Puppenstube ist, oder die Pflanze ist übergroß. Sie demonstriert das in räumlichen Installationen, deren Motive eigens fotografisch angefertigt wurden.

Von Thomas Ruff sind Porträtbilder zusehen, die er in der frühen Phase an der Düsseldorfer Kunstakademie nach dem Muster von TV-Zeitschriften anlegte. Die Farbe des Hintergrunds durften sich die abgelichteten Mitstudenten selbst aussuchen. Später ging er ins Großformatige über, beendete aber die Serie 1991, als die Qualität des Papiers so gut war, dass durch den Kontrastreichtum plötzlich jede Unreinheit der Haut der Porträtierten hervorstach — damit wären sie aber zur Karikatur verkommen.

Architekturmodelle

Architekturmodelle fotografierten die Kölner August Sander und Karl Hugo Schmölz in den 1920er Jahren, bei denen man zwei Mal schauen muss, ob es eine Luftaufnahme realer Bauten ist, oder der Fotograf über dem Modell stand. Zur Aufklärung, wissenschaftlichen Erkenntnis, aber auch zur völligen Orientierungslosigkeit kann die Fotografie beitragen — wenn zu nah herangezoomt wird.

Die Zoomfunktion nahm das Designerpaar Ray und Charles Eames 1977 im Werbefilm „Power of Ten“ (Zehn Hoch) für die Computerfirma IBM vorweg. Es geht um das Weltall und den Planeten Erde, den die beiden mit damals noch dem Publikum wenig vertrauten — analogen, gestapelten — Satellitenbildern demonstrierten. Wie ein Krümel wirkt die Erde – unweit ist ein vergrößertes Insekt auf einer Fotografie von 1876 zu sehen. Ein Aha-Erlebnis dürften die Betrachter auch damals gehabt haben.

Der Rundgang endet in einer Reizüberflutung. Evan Roth hat seit der Geburt seiner Tochter alle Daten aus dem Cache, also dem schnellen Pufferspeicher der angeklickten Bilder auf dem Handy oder im Computer, gesammelt. Diese tapezieren wie ein Riesenmemory Boden und Wände des Raums. Der niedliche Hundewelpe findet sich da gleich neben einer Lesenden von Picasso.

Bis 20. Mai, Di bis So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr. Ehrenhof 4-5

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