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Erste Tournee nach ESC-SiegNemo begeistert Köln mit minimalistischem Konzertkonzept

3 min
Nemo (* 3. August 1999 in Biel als Nemo Mettler, Schweizer singende Person)
"Break The Code"-Tour
am 29. Oktober 2025
in der Live Music Hall, Lichtstraße 30, 50825 Köln

Nemo bei seinem Auftritt in der Live Music Hall

Anderthalb Jahre nach dem Sieg beim Eurovision Song Contest gibt Nemo ein umjubeltes Konzert in der Kölner Live Music Hall. 

Der Erzähler lügt. Mit sonorer Stimme, in bestem British English, erzählt er erst, dass Nemo heute, leider, nicht auftreten kann. Und später, dass nach „Unexplainable“, keine Songs mehr übrig sind. Beides stimmt nicht. Klar tritt Nemo – 26 Jahre, geboren in der Schweiz, die erste nichtbinäre Person, die den Eurovision Song Contest gewonnen hat – auf. Mittwoch in der etwa zu zwei Dritteln gefüllten Live Music Hall. Und nach „Unexplainable“ sind auch noch Songs übrig. Genau zwei.

Dann sind es 14, und Nemo hat sein erstes, am 10. Oktober erschienenes, Album zur Gänze durchgespielt. Eigentlich wollte Nemo schon im Frühjahr auf Tournee gehen, die Auftritte wurden zu Gunsten der Album-Produktion auf den Herbst verschoben.

Das Platte heißt „Arthouse“ und läuft etwas über 46 Minuten. Live braucht es dafür 62. Nach knapp einer Stunde geht Nemo von der Bühne. War das jetzt ein Konzert? Oder eine Album-Präsentation? Und wenn es ersteres war: Hätte man den Erzähler – als Stimme auf dem Off, die zwischen den Stücken viermal ihren Senf dazu gibt – nicht lieber ganz weglassen können? Dann wäre noch ein Stück mehr drin gewesen.

Lied von Lena gecovert

Nee. Falscher Ansatz. Weil Konzerte im Schnitt sowieso 90 Minuten dauern. Da hätte ein weggelassener Erzähler nicht gereicht. Da hätten’s doch noch ein paar Stücke mehr sein müssen. Coverstücke zum Beispiel. Wie „Satellite“ von Lena, unlängst erst von Nemo neu interpretiert. Oder was ganz, ganz anderes. Nemo mit der Vier-Oktaven-Stimme könnte alles.

Nee. Der Erzähler gehört dazu. Er ist Teil des Konzepts der Show. Die sich, vergleicht man sie mit den opulent-glamourösen Inszenierungen des ESC (den Nemo 2024 gewann, um dort dieses Jahr erneut aufzutreten), ausgesprochen minimalistisch geriert.

Spartanische Bühnendeko

Auf der Bühne ein paar alte Stehlampenschirme, jemand am Schlagzeug und jemand an den Keyboards, ein paar bunte Spots – und Nemo. Mit einer blauen Schirmmütze, kurzem fein gestreiftem Hemd und langer breit gestreifter Hose, beides in Beige und Braun, schick, aber schlicht gekleidet. Wer das Glitzer-Diva-Paradiesvogel-Geschöpf aus dem ESC-Universum erwartet hat, könnte enttäuscht sein. Das Gegenteil ist der Fall.

Weil hier, endlich wieder, das künstlerische Potenzial im Zentrum steht. Und davon besitzt Nemo unendlich viel. Nicht nur Glanzstücke von „Arthouse“ wie „Easy“, „One More Shot“ oder „Hocus Pocus“ begeistern. Jede Minute ist ein Erlebnis. Irgendwo zwischen Oper und Rap, Glam-Pop und Elektro liegt an diesem Abend das Glück.

Wohltuend puristisch

Das Nemo offensichtlich auch empfindet. Beständig hüpfend und kreiselnd, mit dem Publikum schäkernd, sich bei „Frog Swamp“ eine grüne Maske aufsetzend. Musik, die bewegt, die, je nachdem tanz- oder schluchzbar ist und von einer Stimme lebt, die ihresgleichen sucht. Die Fans in der Live Music Hall toben.

All das, der Erzähler, die Stehlampenschirme und diese Art eines puristischen Konzerts, all das passt zusammen. Es ist altmodisch. Auf wohltuende Weise. Draußen, auf der Straße, regnet es. Der Heimweg dauert lange. Und Nemos Wirkung dauert noch lange nach. Wie gut, dass es ein Club war. Und keine Arena. Wo Nemo, eigentlich, hingehören würde. Manchmal ist weniger mehr.