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Fluxus- und Konzept-KünstlerinMary Bauermeister im Alter von 88 Jahren gestorben

Lesezeit 4 Minuten
Düsseldorf: Die Künstlerin Mary Bauermeister im November 2021 bei der Verleihung des ersten Kunstpreises des Landes Nordrhein-Westfalen.

Düsseldorf: Die Künstlerin Mary Bauermeister im November 2021 bei der Verleihung des ersten Kunstpreises des Landes Nordrhein-Westfalen. 

Seit 2017 litt Mary Bauermeister an einer Krebserkrankung, zuletzt lag sie in einem Hospiz. Mary Bauermeister galt als „Mutter des Fluxus“. Zuletzt lebte sie in Rösrath.

Die Mutter der Fluxusbewegung, Mary Bauermeister, ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Wie ihr Sohn Simon Stockhausen mitteilte, ist sie am Donnerstagvormittag nach langer Krebserkrankung im Hospiz verstorben. Die Familie war bei ihr. „Es war ein langer, harter Weg. Aber die letzten Tage waren friedlich“, sagte der Komponist im Gespräch mit der Rundschau.

Die Ebenen gewechselt

Von ihrer Krankheit erfuhr sie 2017, ließ sich in der Lebenslust und ihrer Ausdruckskraft davon aber nicht beeindrucken. Weiterhin nahm die 1934 in Frankfurt am Main geborene Künstlerin an Ausstellungen teil und hat nach Ansicht ihres Sohns „gut gelebt, viel gelebt. Sie würde jetzt sagen, dass sie erfolgreich die Ebenen gewechselt hat.“

Darin war sie eine Meisterin. Ihr universales Werk umfasste neben Zeichnungen und Gemälden vor allem Objektbilder und Installationen sowie auch Landschaftsgestaltungen. In der Fluxus-Kunst, die in den 1960er Jahren den Dadaismus ablöste, war alles im Fluss. Es kam nicht auf das Kunstwerk an, vielmehr auf die schöpferische Idee.

Nach Stationen an der Hochschule für Gestaltung in Ulm und der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken kam die Tochter eines Anthropologen und einer Sängerin 1956 nach Köln. Das „Atelier Bauermeister“ in der Lintgasse 28 in Köln war einer der ersten Orte, in denen sich Künstler wie George Maciunas, Wolf Vostell , John Cage, Christo oder Nam June Paik bei Konzerten „neuester Musik“, Lesungen, Ausstellungen und Happenings inspirieren ließen.

Ehe mit Karlheinz Stockhausen

1961 lernte Bauermeister den Komponisten Karlheinz Stockhausen kennen und nahm an den Darmstädter internationalen Ferienkursen für Neue Musik teil. Bald darauf lebte sie mit ihm und seiner Frau Doris in einer Dreiecksbeziehung. Nach deren Scheidung war sie zwischen 1967 und 1973 mit Stockhausen verheiratet. Einblick gab Mary Bauermeister 2011 in ihrem Buch „Ich hänge im Triolengitter: Mein Leben mit Karlheinz Stockhausen.

„Ich war Anarchie, er hat mich in Strukturen gebracht“, erklärte sie einmal bei einer Lesung im Rösrather Schloss Eulenbroich. An andere Stelle der Biografie steht: „Ich war seine Muse, und er war mein Muserich.“

In New York feierte Bauermeister in den 1960er Jahren künstlerische Erfolge, stellte regelmäßig in der Galeria Bonino in der 57. Straße aus. Freundschaften verbanden mit Jasper Johns und Niki de Saint Phalle. Die Beziehung zu Stockhausen war indes so inspirierend wie konfliktreich – langweilig auf gar keinen Fall. Denn die beiden trafen mit illustren Persönlichkeiten wie Leonard Bernstein zusammen. „Bernstein hatte Ohren wie zwei Auffangschalen“ erinnerte sich Mary Bauermeister an den Dirigenten, der mit Stockhausen gemeinsam Mozart gesungen hatte.

Sie stand aber auch im Schatten des Komponisten. Aus der Ehe gingen die Kinder Julika und Simon hervor, 1972 kam Tochter Sophie, ihr Kind mit dem Komponisten David Johnson zur Welt. 1974 wurde Esther geboren, ihr Kind mit dem israelischen bildenden Künstler Josef Halevi. Ihre vier Kinder zog sie im Bergischen Land alleine groß, ließ sich von Architekt Erich Schneider-Wessling ein Atelierhaus entwerfen, das vollkommen offen konzipiert war.

Gefragte Gartenplanung

Bauermeister befasste sich mit Grenzwissenschaften, die sie wiederum in ihre Gartenplanung einfließen ließ. Diese war bei privaten Auftraggebern auf der ganzen Welt gefragt. Kunst verstand sie als „verlängerten Arm der Natur – ein Gedanke, der sich in dreidimensionalen Steinbildern widerspiegelte.

International berühmt wurde sie mit ihren gläsernen Linsenkästen. Bauermeister verstand sie als Tagebuch, in das sie hineinschauen und lesen konnte. Im Dokumentarfilm „Eins plus eins ist drei“ von Carmen Belaschk aus dem Jahr 2021 war sie Anfang letzten Jahres zu sehen, wie sie aus den Trümmern ihres 2019 abgebrannten Zweit-Domizils im oberbergischen Reichshof-Oberagger in der Asche nach Resten ihrer Kunstwerke sucht. Sie schuf daraus Neues.

Bis zuletzt stellte sie aus. Das Frauenmuseum für Kunst, Kultur und Forschung in Bonn zeigte ihre Arbeiten im vergangnen Jahr. Dabei richtete sich der Fokus auf die Arbeit mit der Natur und dem Thema der Zeit. Sich Zeit zu nehmen, der Vergänglichkeit der Natur Aufmerksamkeit zu schenken und Ruhe zu finden, war der Leitgedanke.

Kristalle als Energiezentren stehen häufig im Mittelpunkt ihrer Arbeiten. Sie reflektieren und bündeln das Licht auf oft unvorhersehbare Weise Anfang 2022 stellte Mary Bauermeister in der Bensberger Galerie basement 16 mit ihrer Schülerin Azami Pour aus. In die Bodenskulptur „Natur – Kultur“, einer Spirale aus Lavasteinen, fügten sich Highheels, alte Kinderschuhe und Holzschluppen. Ihr „ironisierendes Alterswerk“ zeigte ein ausgehöhltes Roggenbrot mit Medikamenten-Sammlung unter dem Titel „Unser täglich Brot“.