Fotodoku im ZeitrafferFrechener verwandelt den Rückbau der Deutschen Welle in Kunst

Ein zeitaufwendiges Projekt: Künstler Jan Glisman in seiner Ausstellung „Rückbau Deutsche Welle“.
Copyright: Costa Belibasakis
Köln – „Ich wollte den Urknall spüren bei der Sprengung eines 138 Meter hohen Gebäudes. Ich fand das einmalige Ereignis einer solchen Knickfall-Sprengung nahe an einem Wohnviertel spannend“, erklärte der Künstler Jan Glisman bei der Eröffnung seiner Foto-Ausstellung „Rückbau Deutsche Welle“. Es kam anders.
Statt der Aussicht auf eine Kunstaktion, in die er Schaulustige einbeziehen wollte, blieb der gebürtige Kölner mit der Enttäuschung zurück, dass die für 2015 geplante Sprengung abgeblasen wurde. Fördergelder vom Landschaftsverband Rheinland und der Bezirksvertretung Rodenkirchen hatte Glisman schon erhalten. Das Projekt konnte und wollte der Künstler nicht fallenlassen, also entschied er sich, eine ästhetische Dokumentation des Rückbaus der Deutschen Welle zu schaffen, deren bunte Türme seit den 60er-Jahren Landmarken im Kölner Süden waren.
Künstler begleitet Rückbau des Kölner Funkhauses über drei Jahre
„Rückbau Deutsche Welle“
Die Ausstellung „Rückbau Deutsche Welle“ ist bis zum 2. Juli samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Sie steht im Deutschlandradio Funkhaus Köln, Raderberggürtel 40.
Samstags führt Jan Glisman persönlich von 14 bis 16 Uhr durch die Schau. Für den Besuch ist eine vorherige Anmeldung und der Erwerb eines kostenlosen Tickets unter rausgegangen.de erforderlich.
Die Finissage findet am Freitag, 1. Juli und Samstag, 2. Juli, jeweils von 17 bis 22 Uhr statt. Diese befindet sich im Kammermusiksaal, die Ausstellung im Foyer. Tickets für die multimediale Installation gibt es unter rueckbau-deutsche-welle.artrmx.com.
„Das war sehr zeitaufwendig“, berichtet der 43-Jährige im Rückblick auf die dreijährigen Arbeiten vom Sommer 2017 bis zum restlosen Verschwinden des Funkhauses im Frühjahr 2021. „Erstmal musste ich gegen große Wellen anschwimmen, bis das Eis gebrochen war“, so Glisman, der in Maastricht Kunst studierte. Um vier Zeitrafferkameras an Hochhäusern in der Umgebung anbringen zu dürfen, ging er bei Eigentürmern, Abrissfirmen und Baustellen-Sicherheitsdiensten Klinken putzen. „Ich habe dafür sogar Standplatzverträge abgeschlossen“, erzählt der Künstler, der mit seiner Familie in Frechen lebt.
Was ihm noch wichtig war und so manche „Bestechung“ in Form von Bierkästen kostete: Die Arbeiter sollten möglichst viele heile Platten von der Fassadenverkleidung für ihn sammeln. Denn die Kacheln sollten eine Rolle spielen in einer multimedialen Klanginstallation zu der Fotoserie.
Großformatige Aufnahmen von Deutscher Welle aus verschiedenen Perspektiven
Vier großformatige Aufnahmen von der Deutschen Welle, als sie noch stand, unter verschiedenen Lichteinflüssen und aus verschiedenen Perspektiven sind in der Ausstellung im Deutschlandradio-Foyer zu sehen sowie vier dreidimensional gestaltete Ansichten und drei „Wackelbilder“, Linsenrasterdrucke in der Fachsprache. Je nachdem, wo der Betrachter vor einem Wackelbild steht, erscheinen die vollständigen Türme, eine der Rückbauphasen oder nur noch die Sockel.
„In Jan Glismans Kunstwerken verschwindet das Gebäude im Vorbeigehen in Sekundenschnelle. In der Realität war der Rückbau laut und erschütternd“, beschreibt Deutschlandradio-Sprecher Christian Sülz die unterschiedlichen Erlebnisweisen derer, die während des mehr als dreijährigen Abrisses nebenan weiterarbeiten mussten, und derer, die nun die künstlerische Dokumentation genießen dürfen.