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Geiger Daniel Hope in Köln„Die Philharmonie ist einer meiner Lieblingssäle weltweit“

Lesezeit 6 Minuten
Der Geiger Daniel Hope ist am Mittwoch in der Kölner Philharmonie zu hören.

Der Geiger Daniel Hope ist am Mittwoch in der Kölner Philharmonie zu hören. 

Mit seinem „New Century Chamber Orchestra“ aus San Francisco wechselt Daniel Hope mühelos die Genres und erreicht damit Zuhörer, die der Klassik sonst womöglich verloren gingen. Jan Sting sprach mit dem Geiger und Dirigenten.

Sie legen gleich mit Hitchcock los. In „Vertigo“ kitzelt Filmmusiker Bernard Herrmann die Nerven. Sie dürften damit viele Zuhörer abholen.

Ich hoffe, damit das Konzert auf wunderbare Weise zu eröffnen. Herrmann ist eine besondere Stimme in der Filmmusik. Er hat so farbenreich komponiert, dass man sich Filmklassiker wie „Psycho“ oder „Vertigo – aus dem Reich der Toten“ nicht ohne diese Musik vorstellen kann. Jeder hat im Konzert das Gefühl, alles aus dem Film wieder vor sich zu sehen, auch ohne Leinwand.

Im Anschluss ist Tan Duns Doppelkonzert zu hören. Auch er macht Filmmusik.

Mit Tan Dun bin ich seit über 20 Jahren eng befreundet. Ich wollte ihn zumindest fragen, ob er etwas für unser Orchester schreiben wolle. Er war begeistert von der Idee, da er gerade an einem Tripelkonzert arbeitete. Er konnte sich vorstellen, eine neue Version daraus zu machen, zu verschlanken und Effekte auszutauschen, indem er unter anderem das Schlagzeug nutzt. Ich bin überglücklich, dass wir dieses Doppelkonzert von ihm haben. In Istanbul haben wir es mit ihm als Dirigenten gespielt, es lässt sich aber auch gut von der Geige aus leiten – ein packendes, hinreißendes Werk.

Während der Kulturrevolution in China war Tan Dun dazu verdonnert, als Reisbauer zu arbeiten. Er schloss sich aber einer Truppe der Peking-Oper an. Sie haben als Kind Repression erfahren, als Sie das Mendelssohn-Violinkonzert heimlich im Bad des Internats übten. Hilft Eigensinn weiter?

Mendelssohns Violinkonzert hat mich schon von klein an fasziniert, ich wollte es einfach spielen. Und wenn jemand immer wieder sagt, ,das kannst du nicht, das schaffst du nicht’, dann ist das garantiert der Weg, genau das Gegenteil zu erreichen. Seither habe ich eine ununterbrochene Liebesbeziehung zu diesem Konzert. Auch wenn ich es schon seit Jahrzehnten spiele.

Heute üben Sie sogar im Flugzeug. Gibt es sonst noch besondere Orte?

Am liebsten in der kleinsten Besenkammer. Der Raum sollte bloß nicht zu groß, nicht zu laut sein. Ich habe immer einen großen Dämpfer mit, damit ich auch nachts im Hotel üben kann und niemand etwas mitkriegt. Das ist besser so.

Yehudi Menuhin, Ihr Lehrer und Mentor, galt als musikalischer Botschafter. Ist die Botschaft der Musik in unserer turbulenten Zeit noch zu hören?

Es gibt kein Entkommen vor der Musik. Ich glaube, dass sie große Chancen bietet, zumindest mal die Menschen zum Nachdenken zu bringen. Musik kann die Welt nicht verändern. Aber..., wenn die Menschen zuhören, ist das die einzige Möglichkeit, dass sie tatsächlich miteinander kommunizieren. Ohne Dialog gibt es nur noch Krieg.

Spüren Sie, dass das Publikum in diesen Zeiten sensibler zuhört?

Ja. Man spürt es vor allem nach der Pandemie. Gerade in der ersten Zeit danach kam das Publikum mit einer neuen Erwartung zurück. Es lässt sich mehr gehen, will dabei sein, sich erinnern, wie es einmal war. Die Konzerte werden aus meiner Sicht emotionaler. Das ist besonders schön und bewegend für uns alle, auch auf der Bühne.

Sie erhielten 2021 den Opus Klassik Sonderpreis für Ihre Wohnzimmer-Konzerte, die Sie während Corona auf Arte gaben. Wie war da der Kontakt zu den Zuhörern?

Wenn man das erste Mal nur vor der Kamera spielt, ist das schon etwas seltsam. Du weißt nicht, wer auf der anderen Seite zuhört. Als ich allerdings danach ins Netz ging, habe ich gesehen, wie viele Tausende, ja Millionen Menschen das live mitverfolgt, sogar auch ein halbes Jahr später immer noch Kommentare geschrieben haben. Auch heute werde ich darauf angesprochen. In den schweren Zeiten haben viele darin offenbar Trost gefunden.

Auch Max Richter, dessen „Four Seasons Recomposed“ Sie und das Kammerorchester in der Philharmonie spielen, wird millionenfach im Netz abgerufen. Ist der Genrewechsel womöglich ein Konzept für Komponisten, um Klassikprogramme aus der Krise zu helfen?

Ich glaube, es könnte ein Teil der Lösung sein. Dieses Stück ist besonders. Niemand, auch Max nicht, hat erwartet, dass es so den Nerv trifft. Auch nach zwölf Jahren reisen Menschen immer noch um die Welt, um es zu hören. Ich habe es neulich in San Diego in Kalifornien gespielt. Nachher kam eine Frau zu mir, die extra aus Brasilien dafür angereist war.


Das Konzertprogramm

Gemeinsam mit seinem „New Century Chamber Orchestra aus San Francisco ist Daniel Hope am Mittwoch, 14. Juni, 20 Uhr, in der Kölner Philharmonie zu hören. Auf dem Programm stehen Bernard Herrmanns Filmmusik zu „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ von Alfred Hitchcock, Tan Duns Doppelkonzert für Violine, Klavier und Streicher mit Perkussion sowie Max Richters „The Four Seasons Recomposed für Streichorchester, Harfe und Cembalo“. (jan)


Aber Richter polarisiert auch.

Es gibt Menschen, die fragen, wie kann man Vivaldi so verwandeln? Und einige Komponisten die sich über den Erfolg des Werkes beschweren. Aber Recomposed ist vor allem eine Hommage an Vivaldi. Max Richter wollte sich den „Vier Jahreszeiten“ mit frischen Augen und Ohren nähern, nachdem er die Musik zu oft im Fahrstuhl und in den Parkgaragen gehört hatte. Die große Mehrheit des Publikums liebt es. Und für junge Komponisten sehe ich durchaus eine Chance, auf die Geschichte zurückzuschauen. Ravel hat dies bei Couperin getan , Britten bei Purcell um nur einige zu nennen.

Sie sind aktiv, auch die ganz Kleinen fürs Konzert zu begeistern. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Ich gab vor kurzem im Bonner Beethoven-Haus ein Kinderkonzert mit einer völlig offenen Zuhörerschaft. Kinder zwischen drei und acht Jahren saßen da völlig gebannt. Das ist eine große Chance, die wir haben und ich finde es entsetzlich, dass klassische Musik aus dem Schulunterricht maßlos gestrichen wird.

Für neue Konzertgänger haben Sie den Wegweiser „Wann darf ich klatschen?“ geschrieben. Zerstört Applaus die Spannung?

Wenn man beispielsweise Tschaikowskys Violinkonzert spielt und der erste Satz ist vorbei, gibt es kaum etwas, was mehr Bravour hervorruft, mehr Feuerwerk, das die Leute eigentlich von den Stühlen reißen sollte. Dann finde ich Applaus vollkommen in Ordnung. Beim Liederabend mittendrin kann es aber die Linie zerstören. Ich habe jedoch Kollegen erlebt, die von der Bühne aus das Publikum beschimpfen, wenn es dazwischen klatscht. Das finde ich nicht in Ordnung. Der einfachste Weg für den Interpreten, den Applaus zu stoppen, wenn er es will, ist eine höfliche Handbewegung.

Freuen Sie sich auf Köln?

Die Philharmonie ist einer meiner Lieblingssäle weltweit und ich freue mich riesig, wenn wir jetzt mit unserem amerikanischen Orchester dort spielen. Für die Musiker wird es ein Debüt. Sie sind   ganz aufgeregt.