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Intendant Bachmann im InterviewVon der besonderen Liebe zu gescheiterten Stücken

Lesezeit 4 Minuten

Barbara Horvath als Elsa und Thiemo Strutzenberger als Staatsanwalt in „Graf Öderland“.

  1. Kölns Schauspielchef Stefan Bachmann ist mit „Graf Öderland“ zum Berliner Theatertreffen (13.-24.5.) eingeladen.
  2. Darüber sprach er mit Hartmut Wilmes.

KölnWie fühlt es sich an, als Kölner Intendant mit einer Koproduktion von Theater Basel und Residenztheater München am renommierten Theatertreffen teilzunehmen?

Schon etwas zwiespältig. Als Künstler freut man sich natürlich über die Einladung, aber es wäre noch schöner, wenn sie einem Stück vom Schauspiel Köln gegolten hätte.

Nun findet das Theatertreffen ja pandemiebedingt rein digital statt...

Ja, schade, damit verfliegt natürlich die Festivalatmosphäre etwa mit den Publikumsgesprächen, und ich nehme notgedrungen nur von zu Hause aus teil.

Fühlt man sich als inszenierender Intendant bei einem solchen „Auswärtsspiel“ wie „Graf Öderland“ freier als am eigenen Haus?

Ja, das ist schon anders als in Köln, wo ich manchmal von einer Sitzung in die Probe gehe und von der Probe in die nächste Sitzung. Es kann sehr produktiv sein, beim Inszenieren nicht immer schon an die nächste Aufgabe denken zu müssen. Und gerade in diese Arbeit habe ich sehr viel investiert.

Stefan Bachmann

Sie sind Schweizer, haben mit „Wilhelm Tell“ und nun mit dem Frisch-Stück erfolgreich eidgenössische Stoffe behandelt – Zufall?

Der Baseler Intendant Andreas Beck hat mir die Aufgabe gestellt: Dürrenmatt oder Frisch. Ich habe dann das Dürrenmatt am nächsten stehende Stück von Max Frisch genommen. Wobei mich schon die Schweizer Perspektive dieses Ausbruchsversuchs aus der Enge gereizt hat.

Diesen Ausbruch wagt hier ein Staatsanwalt, der zum Axtmörder und Putschisten Graf Öderland wird.

Es gibt die Axt schon in „Die große Wut des Philip Hotz“. Da bleibt es zwar eher beim Wohnzimmeraufstand, aber diese Cholerik, dieses Raus-aus-den-Zwängen ist schon ein typisches Frisch-Motiv.

TV und Mediathek

In der Reihe „Starke Stücke“ zeigt 3sat „Maria Stuart“ vom Deutschen Theater Berlin (15. Mai, 20.15 Uhr), „Graf Öderland“ (22. 5., 20.15 Uhr) und „Automatenbüfett“ (Burgtheater Wien, 29. 5., 20.15 Uhr). Die Stücke sind schon ab 15. Mai 120 Tage lang in der 3sat-Mediathek abrufbar. (EB)

Das Drama wird bei Ihnen zu einem surrealen Traumspiel mit rhythmischer Verdichtung und magischem Sog. Was hat Sie am Stück am meisten fasziniert?

Zuerst der verheißungsvolle Titel, der nach einer alten nordischen Sage klingt, obwohl sich Max Frisch das alles selbst ausgedacht hat. Und dann die Bezeichnung „Moritat“. Außerdem habe ich eine Affinität zu den sogenannten gescheiterten Stücken. Es hat mich immer interessiert, Werke auszugraben, die als unaufführbar oder abwegig gelten und bei denen man dann als Regisseur vielleicht doch etwas bewirken kann.

Wo liegt das Problem der Vorlage?

Es gibt drei Fassungen, und man hat das Gefühl, dass sich der Autor irgendwann an seinen verschiedenen Schauplätzen zwischen Villa, Köhlerhütte, Grandhotel und Kanalisation verliert und nicht richtig auf den Punkt kommt.

Wobei das Stück bei Ihnen im Gegenteil fließend wirkt...

Einerseits durften die Dramaturgin und ich aus den drei Fassungen unsere eigene machen. Und dann hilft natürlich Olaf Altmanns Bühnenbild, dieser Trichter, der die Logik des Traums spiegelt, wobei die Figuren immer kurz in die jeweilige Szenerie hinein- und wieder herausfallen.

Diese geniale Einfachheit hat Altmann ja auch bei ihren Kölner Arbeiten „Hamlet“ und „Geschichten aus dem Wienerwald“ beweisen, die auch keine Missgriffe fürs Theatertreffen gewesen wären...

Man soll nie eine Jury schelten. Ich war inzwischen fünf Mal beim Theatertreffen, aber in meiner Baseler Zeit eben auch nie mit Baseler Produktionen.

Sie haben bei „Öderland“ mit Thiemo Strutzenberger einen tollen Haupteller...

..ja, den habe ich bei „Tell“ kennengelernt und wusste, dass er den Staatsanwalt auf eine nicht erwartbare Weise spielen würde.

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Wem hätten Sie die Rolle in Köln gegeben?

Oh, Glatteis!

Verstehe. Und mit welchen Kölner Stücken visieren Sie in der nächsten Spielzeit noch einmal das Theatertreffen an?

Mit „Nathan“ kann man normalerweise keinen Blumentopf gewinnen, aber ich versuche, das Stück anders zu erzählen und aus seiner Biederkeit zu lösen. Ich hatte aber schon eine interne Premiere von „Reich des Todes“ von Rainald Goetz. Da spielen nur Frauen mit, was dieser männlichen Thematik eine tolle künstlerische Reibung gibt. Mehr inszeniere ich ja nicht. Aber wenn jemand anderes als der Hausherr eingeladen wird, freue ich mich genauso.