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Rundschau-Interview
François-Xavier Roths über seine Pläne fürs Gürzenich-Orchester in Köln

Lesezeit 4 Minuten
14.03.2022
Köln, NRW Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth

Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth

Im August beginnt François-Xavier Roths vorletzte Spielzeit mit dem Gürzenich-Orchester. Jan Sting sprach mit ihm über das Programm.

Wie war es, nach der Pandemie wieder ein Programm für die Spielzeit zu machen?

Persönlich habe ich zwar Erinnerungen an die Pandemie, aber es ist schon so weit weg. Wir freuen uns, dass mehr und mehr Publikum da ist, und wir sind auf einem super Weg. Am Sonntag kamen nach dem Abo-Konzert während der Signierstunde viele zu mir und haben sich bedankt. Auch dafür, dass mit dem Gürzenich-Orchester so viel Neue Musik erleben können.

Dass der Schwerpunkt der neuen Spielzeit auf der Wiener Klassik liegt, dürfte aber sicher auch dem Wunsch des Publikums entgegenkommen, in Krisenzeiten verstärkt Mozart, Haydn und Beethoven zu hören.

Vielleicht. Aber es war vor allem unser Wunsch. Ein großes Sinfonieorchester braucht immer entweder einen Zyklus oder einen Fokus. Es will immer wieder zurück zu dieser Musik, sie regelmäßig spielen. Das ist ein Muss und nie ein Soll. Das freut mich. Aber die Pandemie war auch eine Zeit, in der wir viel experimentiert haben.

Wie sah das aus?

Riccardo Minasi, einer der faszinierendsten Dirigenten unserer Zeit für das Repertoire der Wiener Klassik, hat einen Workshop mit uns gemacht, hat einfach mit dem Orchester geprobt. Und jetzt kommt er mit einer Reihe von Konzerten.

Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die Soldaten“ feiern Anfang 2024 Premiere in halbszenischer Aufführung. Bei der Uraufführung 1965 gab es viel Widerstand. Warum?

Die Reaktion von Wolfgang Sawallisch und Günter Wand auf Zimmermanns erste Fassung war, dass das unmöglich machbar sei. Dann wurde sehr schnell Michael Gielen kontaktiert. Die Fassung wurde überarbeitet und Gielen hat übernommen, geprobt. Es gab viel Drama hinter den Kulissen, aber am Ende wurde das Werk uraufgeführt.

Aber „Die Soldaten“ sind hochaktuell, handeln von Krieg und atomarer Bedrohung. Was hat sich in der Wahrnehmung gewandelt?

Die letzte Produktion hatten wir 2018 und ich gewann den Eindruck, dass mein Orchester die Musik neu entdeckt hat. Nicht nur das – sie waren richtig stolz, dass es in das Repertoire ihres Orchesters gehört.

Und nach der Aufführung am 18. Januar geht es mit Zimmermann nach Hamburg und Paris. Im Terminkalender stehen also wieder Auslandsreisen. In Brügge werden Sie drei Jahre lang in Residenz immer wieder auftreten. Was spielen Sie dort?

Mit der 8. Sinfonie von Anton Bruckner beginnen wir. Es ist die Sinfonie, mit der wir zuvor in Köln unseren Bruckner-Zyklus beenden, den wir auch auf CD aufgenommen haben.

Wie ist das Orchester in der Musiklandschaft aufgestellt?

Mit Zimmermann im Repertoire hat es heute ein anderes Gesicht als in den 1960er Jahren. Ich kann sagen, dass es damit brilliert wie kein anderes.

Acht Jahre arbeiten Sie zusammen. Was ziehen Sie für eine Bilanz?

Für eine Bilanz ist es zu früh. Ich habe noch zwei Spielzeiten mit dem Orchester, das ist vorrangig. Wir arbeiten besser und besser zusammen. Weil wir uns kennen. Ich denke, das ist positiv und negativ, wie bei einem Paar. Ich merke, dass wir viel geschafft haben im Repertoire. Es gibt eine Expertise historischer Aufführungspraxis.

Das macht das Ensemble auch international attraktiv…

Ich merke mehr und mehr eine Kultur der Flexibilität. Wie eine neue Familie, die ständig wächst. Wir freuen uns, dass unsere Gäste, wie zum Beispiel Sakari Oramo, wieder zu uns zurückkommen möchten, sich mit dem heutigen und dem zukünftigen Orchester verbinden wollen.

Sie haben für Ihre Programme Titel wie „Tiefenscharf“ oder „Traumwandler“ gewählt. Wie kommen solche lyrischen Worte an?

Ich persönlich mag es sehr. Es bringt eine Perspektive, es ist eine Tür und mitunter dramaturgisch klug gemacht. Es funktioniert gut mit dem Publikum.

Welche Wünsche haben Sie für die neue Spielzeit?

Ich finde die Formulierung, dass das Publikum wiederkommt, immer gefährlich. Jetzt kommen Leute, die vorher nicht da waren. Wir haben die große Chance, alles noch einmal zu erfinden, was wir machen, und wir können demonstrieren, dass Musik als Teil des Lebens wichtig ist, und Konzerte zusammen zu erleben.

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