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Interview mit Kölns Intendantin Birgit Meyer„Das trifft mich schon persönlich“

Lesezeit 6 Minuten
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Kölns Intendantin  Birgit Meyer

  1. Die gebürtige Kölnerin Birgit Meyer ist seit der Spielzeit 2012/13 Intendantin der Oper Köln.
  2. Ihr 2022 auslaufender Vertrag wird auf Wunsch der Stadtspitze nicht verlängert.
  3. Darüber und über ihre Perspektiven sprach sie mit Hartmut Wilmes.

KölnDie Oberbürgermeisterin hat Ihnen im November mitgeteilt, dass sie Ihren Vertrag nicht verlängern werde. Haben Sie das schon verwunden?Frau Reker hat mir mitgeteilt, dass sie für die Wiedereröffnung am Offenbachplatz etwas Neues möchte. Das habe ich entgegen genommen und den Wunsch geäußert, das Interim zu Ende zu führen. Denn ich habe meinen ganzen Einsatz, meine Leidenschaft für die Oper Köln nie davon abhängig gemacht, ob ich eines Tages das sanierte Haus eröffnen würde. Zum Zeitpunkt der Gespräche ging man noch vom Interimsende 2023 aus, ich habe also ein Jahr mehr angeboten.

Was war der Beweggrund?

Nicht zuletzt die Tatsache, dass der jetzt nötige Übergang sehr kurzfristig ist, was für jedes Opernhaus gelten würde. Ein großes Haus wie dieses braucht einen Vorlauf von drei Jahren, die Met und die Scala arbeiten mit noch längeren Vorläufen.

Aber Ihr Angebot wurde abgelehnt…

Das war nicht gewünscht, und das trifft mich schon persönlich, weil auch für mich nun der Vorlauf bis zum Ende sehr kurz ist, und ich viele Dinge, die ich gern verankert hätte, nun nicht mehr vollenden kann. Etwa die Überführung unserer bislang zweijährigen NRW-Förderung in Höhe von 1,24 Millionen in eine langfristige Förderung. Auch die Zusammenarbeit von Oper und Demenzpräventionszentrum - einzigartig in Deutschland - hier in Köln kann ich wohl nicht mehr wie bereits initiiert umsetzen. Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass man einen so intakten Organismus wie dieses Haus nun doch ohne Not beschädigt.

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Birgit Meyer

Die städtische Nachricht war eher lapidar. So geistert das Gerücht durch die Kulissen, der wahre Grund sei Ihr allzu autoritärer Führungsstil.

In den beiden Gesprächen, die ich mit der Oberbürgermeisterin zu meinem Vertrag geführt habe, ist das mit keinem Wort artikuliert worden. Diese Behauptungen werden immer mal eingestreut, nie mit konkreten Fällen, sondern anonym. Ich wurde auch nicht wegen solcher Vorwürfe vom Kulturdezernat oder Personalrat angesprochen. Das hat mich sehr betroffen gemacht. Das Wohl der Belegschaft ist mir ein großes Anliegen.

Wie sehen Sie Ihre Leitung des Hauses?

Für mich steht an oberster Stelle, respektvoll mit Menschen umzugehen, Transparenz zu schaffen im Betrieb und Wertschätzung zu äußern. Das verkörpern auch die weiteren Mitarbeiter meines Leitungsteams. Auch die SängerInnen im Ensemble hatten über Jahre die Möglichkeit, sich zu entwickeln, wir haben sie begleitet. In einem Betrieb mit über 500 MitarbeiterInnen kommt es auf eine genaue Abstimmung an: Oft muss alles perfekt ineinander greifen und das bedarf einer gewissen Autorität.

Zur Person

Birgit Meyer wurde 1960 in Köln geboren, wo sie auch Abitur machte. Nach ihrem Medizinstudium arbeitete sie am Klinikum rechts der Isar in München. Parallel begann sie ein Theaterwissenschaftsstudium mit Schwerpunkt Oper und begann am Tiroler Landestheater Innsbruck. 1999 wurde sie Chefdramaturgin und Direktionsmitglied der Volksoper Wien. 2009 wechselte sie als Chefdramaturgin und Operndirektorin an die Oper Köln, wo sie 2012 als Nachfolgerin von Uwe Eric Laufenberg Intendantin wurde. (EB)

Die auch mal durchgreift?

Natürlich gibt es wie überall einzelne Konflikte. Es gibt sicher Mitarbeiter, die mich nicht mögen. Und ich habe mich im Laufe der Jahre durchaus von einzelnen, aber nur sehr wenigen Leuten getrennt, weil sie nicht gut gearbeitet haben oder eben kein respektvolles Miteinander praktiziert haben – gerade, wenn sie Führungspositionen bekleidet haben. Das ist nicht nur mein Recht, sondern laut Vertrag auch meine Pflicht, nämlich auf das große Ganze des Betriebs zu schauen.

Die zweite Theorie: Der Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth habe auf Ihre Nichtverlängerung gedrungen.

Dazu kann ich ebenso wenig sagen, weil das auch nicht thematisiert wurde. Es ging nur darum, dass man etwas Neues wolle. Das muss ich respektieren, finde aber, dass wir uns seit Jahren an jeder Spielstätte immer wieder neu erfunden haben, im Staatenhaus sogar bei jeder Produktion. Und wir öffnen die Oper für Kinder, für Alte, für Kranke, für alle Bürger eben. Hier wird der Begriff Oper für alle gelebt!

Und dann die Herausforderung der Pandemie.

Wir haben zunächst vor den Altenheimen gesungen. Dann unter Corona-Bedingungen eine richtige „Zauberflöte“ herausgebracht, dann in drei Wochen das Streaming auf die Beine gestellt und im Dezember mit „Written on Skin“ und „Die tote Stadt“ zwei große Premieren herausgebracht. Ich bin in den letzten Jahre mit allen Herausforderungen erfolgreich umgegangen, so dass ich es bedaure, dass man mein Angebot ablehnt, das Interim mit meinen MitarbeiterInnen zu Ende zu führen.

Die städtische Mitteilung hat auf die Länge Ihrer Intendanz verwiesen.

Das ist kein überzeugendes Argument! Es kommt nicht auf die Dauer an, sondern allein darauf, ob man kraftvolle Visionen für einen Ort hat. Und wenn internationale Strahlkraft gewünscht wird: Wir haben als erste ein Musical in den Oman gebracht, unseren „Ring“ haben wir für eine halbe Million Euro vermietet, zuerst nach Barcelona, jetzt nach Madrid, es gibt die Uraufführung von „Upload“ in Kooperation mit Amsterdam, die dann zu den Bregenzer Festspielen und in die Park Avenue Armory in New York geht. Und wir haben eine Einladung, unseren „Ring für Kinder“ in Südkorea zu zeigen. Unsere Auslastung lag zuletzt bei 93 Prozent.

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Wie gehen Sie jetzt in Ihre letzte Spielzeit?

Wir haben einen spannenden und vielfältigen Spielplan vorbereitet und werden erneut das Optimum aus unseren Möglichkeiten herausholen. Ich möchte die Oper weiterhin in die Mitte der Gesellschaft rücken und allen zeigen: Was Oper kann! Sie ist eben nicht nur etwas für eine kleine Elite – nein sie ist kraftvoll und bewegend und kann zu Tränen rühren. Das zu vermitteln - dafür stehe ich bis zum letzten Tag.

Umgekehrt müssen Sie sich einen neuen Job suchen. Es heißt ja, Sie hätten die Fühler schon nach Wien ausgestreckt…

Ich habe dort jahrelang gearbeitet und mein Name wird dort immer wieder ins Gespräch gebracht. Im Moment konzentriere ich mich ganz auf meine Arbeit hier: Es gibt viel zu tun und es gilt, die Oper Köln und ihre MitarbeiterInnen weiter gut durch die Pandemie zu führen.

Es könnte, wenn kurzfristig ein attraktiver Posten für Sie frei würde, auch passieren, dass Köln schon früher als 2022 eine Neubesetzung braucht.

In jedem Fall wird der Abschied von diesem Haus für mich kein leichter sein.

Machen Sie sich Sorgen um Ihre persönliche Zukunft?

Nein. Die ganze Weltlage ist derzeit derart besorgniserregend. Da verschieben sich ohnehin die Perspektiven.