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Interview mit Streitberger zur Kölner Oper„Das steckt eine Stadt nicht einfach weg“

Lesezeit 6 Minuten
Bernd Streitberger dpa

„Das steckt eine Stadt verständlicherweise nicht einfach weg“, sagt der Technische Betriebsleiter Bernd Streitberger über die verpatzte Bühnen-Sanierung am Offenbachplatz.

  1. Bernd Streitberger ist Chef der Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz – die immer länger dauert und teurer wird, aktuell sind es bis zu 643,9 Millionen Euro, der Bau dauert bis Anfang 2024.
  2. Das Interview führte Matthias Hendorf.

KölnHerr Streitberger, haben Sie 2016 gedacht, dass der Neustart der Bühnen-Sanierung so schlimm wird?Naja, schlimm ist vielleicht nicht das richtige Wort. Aber ich habe zumindest nicht gedacht, dass es so lange dauert und so hart wird. Mein ursprünglicher Vertrag lief ja nur bis 2019 und ich dachte, das reicht.

Würden Sie es wieder machen?

2016 hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker mich gefragt, da überlegt man nicht lange, zumal ich mich ein Stück weit verpflichtet gefühlt habe, ich war ja bis 2012 als Baudezernent Teil der Sanierung.

Haben Sie deshalb ein schlechtes Gewissen?

Nein. Das habe ich nicht. Als wir 2012 die Baustelle übergeben haben, waren wir sehr gut aufgestellt, aber es gab ein Problem: Die Haustechnik-Planung lag noch nicht vollständig vor.

War das der Ur-Fehler?

Wir hatten ein Störgefühl, ja. Das machen wir jetzt anders, wir planen erst und bauen danach.

Sie haben vor Sanierungsbeginn 2012 die Planungstiefe gelobt,vorigen Dienstag haben Sie die überarbeitete Planung für die Haustechnik ähnlich bewertet, sprachen von „exzellenter“ Planung. Haben Sie 2012 geflunkert oder sagen Sie jetzt die Wahrheit?

2012 war ich in einer anderen Position als heute. Ich war als Baudezernent verantwortlich und habe auch die Entwürfe für die Pläne freigegeben, aber ich war nicht operativ in dem Projekt drin – das ist jetzt anders, deshalb ist die Aussage anders zu bewerten als damals.

Sie haben eben angesprochen, dass die vergangenen fünf Jahre hart waren. Warum?

Auf der Baustelle arbeiten rund 100 Planer in fünf bis sechs großen Firmen, die denken teils anders, arbeiten unterschiedlich. Da gibt es Konflikte, die gilt es konstruktiv zu einem Ergebnis zu moderieren. Das ist harte Arbeit. Beispielsweise sagt der Haustechnik-Planer bei seinen Plänen: Der kürzeste Weg ist die Gerade, da liegt aber schon die Theatertechnik, die muss weg. Dann sage ich aber: Nein, dann musst du einen anderen Weg finden. Das sind die Konflikte.

Nun gehen Sie von einem Bauende Anfang 2024 aus. Die Termine, die Sie in der Vergangenheit genannt haben, mussten Sie nach hinten korrigieren. Was ist jetzt anders?

Wir haben viel verlässlichere Pläne, wir sind immer tiefer in die Details vorgedrungen und genauer geworden. Jetzt stehen die Leitplanken bei Kosten und Terminen und wir gehen sicher davon aus, dass wir das schaffen. Auf Basis der jeweils vorliegenden Planungen waren die Prognosen von 2017 und 2019 aber ebenso seriös.

Warum verzögerte sich dann doch wieder alles?

2017 hatten wir zunächst die wirklich großen der 8500 Mängel identifiziert, darauf basierend sind wir von Ende 2022 als Fertigstellungstermin ausgegangen. Danach haben wir die Pläne erneut vertieft, 2019 haben wir Mitte 2023 genannt.

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Und dann?

Dann wurde es zunächst bitter, weil wir 2019 dabei zuschauen konnten, wie wir Zeit verlieren. Die Planung hat länger gebraucht als gedacht. Wir haben massiv Zeit verloren.

Und Sie haben unter anderem einen Plan B entworfen, dass die ausführenden Firmen die Pläne fertig stellen, wenn das Planungsbüro es nicht schafft.

Ja, doch das hätte uns noch mehr Zeit gekostet. Deshalb haben wir das gelassen.

Das hört sich danach an, als ob das Projekt vor dem Aus stand.

Nein. Aber es war extrem fordernd – und so wird es auch bleiben. Diese Phasen wird es auch zukünftig geben.

In der Öffentlichkeit kam bei den erneuten Problemen mit der zweiten Haustechnik-Firma die Frage auf: Ist es überhaupt möglich, die alten Denkmäler Oper und Bühnen zu sanieren?

Den Zweifel hatte ich nie. Die Ingenieure haben stets gesagt: Es gibt immer eine Lösung. Diese Debatte, die Sie ansprechen, haben andere Leute geführt, die andere berufliche Hintergründe haben. Kein Unternehmen der Welt würde eine 500-Millionen-Euro-Baumaßnahme auf dem Marktplatz diskutieren. Wir müssen das aber.

Endes des Jahres haben Sie Baufirmen gefunden, die die neuen Pläne bald umsetzen. Es soll durchaus eine große Angst bei Ihnen gegeben haben, für bestimmte Arbeiten gar keine Firma zu finden.

Angst nicht, aber man sieht bei vielen Bauprojekten, dass Ausschreibungen nicht erfolgreich sind. Dann wäre es noch viel teurer geworden und hätte länger gedauert. Wenn wir nur eines der Gewerke nicht hätten vergeben können, wäre der ganze Geleitzug zum Stoppen gekommen.

Was passiert, wenn Firmen wie 2015 auf mehr Geld bestehen, weil sie ihrer Meinung nach vertraglich nicht vereinbarte Leistungen liefern ?

Wenn sich Unstimmigkeiten ergeben, versuchen wir es zunächst auf der Geschäftsführer-Ebene im direkten Gespräch zu klären. In vielen Fällen werden wir Streitigkeiten dadurch abräumen können. Hilft auch dieses Gespräch nicht, sind die Firmen verpflichtet, mit uns ein Schiedsgutachterverfahren zu durchlaufen, statt vor Gericht zu ziehen. Auf die entsprechenden Gutachter haben wir uns mittlerweile gemeinsam geeinigt.

Ist es Ihre Aufgabe in den nächsten Jahren, den Druck so hochzuhalten, dass es nicht nach dem Motto läuft ,Koste es, was es wolle und egal, wann es fertig wird’, und trotzdem sich nicht wie 2015 von einer bevorstehenden Eröffnung treiben zu lassen?

Das haben Sie gut beschrieben, ja. Es ist und bleibt eine Abwägung, zumal der Druck steigen wird, nach innen und auch von außen. Wir werden nächstes Jahr ja ein konkretes Datum nennen, wann die Sanierung abgeschlossen ist – und eben nicht mehr ein Quartal als Termin. Das war immer unsere Absicht, damit die Bühnen planen können, wann es am Offenbachplatz wieder losgehen kann.

Ab diesem Zeitpunkt erreicht die Sanierung eine neue Phase. Sie betonen immer, nur für das Bauen zuständig zu sein. Aber ab Anfang 2022 können die Intendanten die Wiedereröffnung planen, der Druck auf die Sanierung nimmt zu.

Ja, diesen Druck gibt es, den müssen mein Team und ich aushalten. Aber erstens, ohne ihn an die Baufirmen weiterzugeben und zweitens so, dass die Intendanzen immer auf dem Laufenden sind.

Seit 2015 wird in der Stadt diskutiert, wer an der geplatzten Eröffnung schuld ist und dass keiner so recht Verantwortung übernommen hat.

Ich sehe meine Verantwortung bis 2012 und ab 2016, dazu stehe ich auch. Es braucht Verantwortlichkeiten, Klarheit und Verbindlichkeiten. Wenn es die Position „Technischer Betriebsleiters“ samt der einhergehenden Verantwortung nicht gäbe, würde das hier wahrscheinlich nie fertig. Mit Unverbindlichkeiten wie „Gucke ich mal“ oder „Mal sehen, was kommt“ geht es auf dieser Baustelle nicht.

Schaut die Stadt wegen der Bühnen-Sanierung und aller Probleme kritischer auf Großprojekte und ob sie sich diese leisten kann und soll?

Ich denke schon, ja. Das steckt eine Stadt verständlicherweise nicht einfach weg. Aber selbst wenn die Stadt sich für einen Neubau am Rhein entschieden hätte, hätte man dieses Haus hier sanieren müssen, es steht unter Denkmalschutz. Das vergessen viele Leute.