Direktor Yilmaz Dziewior spricht über Kritik und Pläne des Museum Ludwig. 2026 steht Yusoi Kusama auf dem Programm.
Museum-Ludwig-Direktor„Wir machen kein Programm ausschließlich für Bildungsbürger“

Yilmaz Dziewior, der Direktor des Museum Ludwig.
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Im Münchner Museum Brandhorst ist gerade eine Ausstellung gestartet, die Sie mitkuratiert haben und die ab Oktober auch in Köln zu sehen ist. Sie beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen Robert Rauschenberg, Jasper Johns, Cy Twombly, Merce Cunningham und John Cage. Ist der Titel „Fünf Freunde“ bei Enid Blyton geliehen?
Nein, aber man denkt natürlich sofort daran. Es war zunächst ein Arbeitstitel, aber mit der Zeit haben wir verstanden, wie gut er passt.
Rauschenberg und Twombly waren ein Paar. Nachdem sie sich getrennt hatten, kam Rauschenberg mit Johns zusammen. Cage und Cunningham waren ihr ganzes Leben ein Paar. Darüber hinaus haben sie zusammengearbeitet.
Ja, genau. In der regulären Kunstgeschichtsschreibung finden Sie hierzu aber kaum Informationen. Obwohl ich mich grundsätzlich für den Austausch zwischen Tanz und Bildender Kunst sehr interessiere, war mir nicht bewusst, dass Rauschenberg zehn Jahre lang die Kostüme für Merce Cunninghams Tanzkompanie gemacht hat und später Johns diese Aufgabe übernahm. Und John Cage sagte sehr früh, dass die weißen Bilder von Rauschenberg der Anlass für ihn waren, sich mit Stille zu beschäftigen. Der Austausch der Fünf ist also sehr vielfältig.
Bis auf Jasper Johns sind sie alle tot und haben sich zeit ihres Lebens nicht geoutet. Geht man jetzt nicht zu weit, wenn man ihre Sexualität zum Thema einer Ausstellung macht?
Es geht nicht darum, die Lesart umzuschreiben, sondern sie zu erweitern. Und ihre Sexualität war ein offenes Geheimnis. Aber wir thematisieren in der Ausstellung auch, warum es nie tiefer erörtert wurde.
Und zwar?
Wir schauen uns an, wann die Werke entstanden sind: viele vor 1968, also vor der sexuellen Revolution, vor Stonewall – in der McCarthy-Ära, als Homosexualität unter Strafe stand und schwule Männer genauso verfolgt wurden wie Kommunisten. Sich nicht selbst zu outen, war also auch ein Schutz. Sonst hätten sie um ihre noch jungen, sich in den Anfängen befindenden Karrieren fürchten müssen. Außerdem gab es zu dieser Zeit keine öffentlich anerkannten Rollenbilder für schwule Paare.
Nun ist es schade, dass die Ausstellung zuerst in München zu sehen ist: Große Berichte in Zeitschriften wie „Art“ oder „Monopol“ wird es sicher im Oktober nicht noch einmal geben ...
Das ist natürlich der Vorteil der ersten Station. Andererseits wird damit schon jetzt eine unglaubliche Erwartung geschürt. Unsere Freundeskreise sind schon sehr gespannt, das Publikum auch. Wir gehen von einer sehr hohen Nachfrage aus. Das sind schließlich fünf der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts.
Wenn man derzeit mit Menschen in der Stadtgesellschaft spricht, hört man immer wieder, dass die größeren Ausstellungen in Düsseldorf oder Bonn laufen. Als Beispiele werden etwa aus den letzten neun Monaten Gerhard Richter, Yoko Ono oder Marc Chagall genannt. Bei einem Podiumsgespräch sagten Sie zuletzt, Sie sähen nicht Ihre Aufgabe darin, Blockbuster herauszubringen.
Das sage ich auch nach wie vor. Wir sind eine städtisch geförderte Institution, und wir haben einen Bildungsauftrag. Außerdem ist die Anzahl derer, die das Museum Ludwig besuchen, sehr hoch im Vergleich zu unserem sehr niedrigen Etat. Kein anderes städtisches Museum ist so gut besucht wie das Ludwig.
Wie kommt es dann zu diesem Stimmungsbild?
Ich finde es interessant zu sehen, wer solche Ausstellungen vermisst. Sicherlich nicht die vielen Besuchenden, die kommen. Uns ist es gelungen, in den letzten Jahren ein sehr breites und diverses Publikum zu gewinnen. Wir brauchen nicht zum hundertsten Mal Chagall.
Unsere Aufgabe ist es, den gesellschaftlichen Diskurs widerzuspiegeln und mitzugestalten. Es ist wichtig, dass wir unser Publikum zwischendurch immer wieder einmal fordern, und wir merken, dass es funktioniert.
Und wenn man sagt, das Museum Ludwig solle glänzen wie Düsseldorf, dann soll man uns auch bitte das nötige Budget zur Verfügung stellen, das Düsseldorf bekommt. Die Stadt muss sich einfach mehr zu ihrem Flaggschiff-Museum bekennen.
Wir haben keinen Werbeetat und im Grunde auch keinen Ausstellungsetat. Denn die Summe, die wir für unser Aufsichtspersonal in den Wechselausstellungen zahlen, ist mittlerweile durch die Tarifsteigerungen höher als unser Ausstellungsetat von 255.000 Euro. Was wir bekommen, verwenden wir dafür, morgens das Haus aufzuschließen.
Alles andere läuft über Stiftungen, Sponsoring, Förderkreise und Eintrittsgelder. Wir könnten also unser Programm nicht machen, wenn sich keiner dafür interessieren würde.
Ich würde denken, dass ein Museumsdirektor ähnlich tickt wie ein Schauspiel- oder ein Opernintendant, die sich freuen, wenn Vorstellungen komplett ausverkauft sind, also wenn sich analog Schlangen ums Haus bilden, Tickets für Zeitfenster verkauft werden müssen.
Unser Programm ist extrem erfolgreich in Anbetracht des geringen Ausstellungsetats und nicht vorhandenen Werbeetats. Und Chagall, den ich liebe, machen wir, wenn wir etwas Interessantes dazu zu erzählen haben. Wie bei Picasso zwischen Ost und West oder Warhol, den wir als queere Ikone, aber auch als Sohn von Einwanderern präsentiert haben.
Wir wollen ein großes Publikum ansprechen. Für Francis Alÿs haben wir mit Kindern in Kalk oder Chorweiler zusammengearbeitet, die sonst nicht ins Museum kommen würden. Zu Füsun Onur und Nil Yalter kam die türkische Community.
Wir machen kein Programm ausschließlich für ein Bildungsbürgerpublikum, sondern wollen auch weitere Kreise der Stadtgesellschaft erreichen. Abgesehen davon, dass wir uns mit dem Team des Museum Ludwig ganz besonders dafür interessieren, ist dies auch unser öffentlicher Auftrag.
Hierzu passt auch, dass wir 2026, in unserem Jubiläumsjahr Yayoi Kusama zeigen ...
...die mittlerweile 95-jährige japanische Künstlerin, deren Markenzeichen die Punkte auf ihren Gemälden ist.
Diese Ausstellung wird sehr viel Öffentlichkeit herstellen. Darauf folgt „Transatlantische Moderne“, und wir fragen uns selbstkritisch, warum in unserer Sammlung mit der wichtigsten amerikanischen Nachkriegskunst viele schwarze Künstlerinnen und Künstler fehlen. Sie sehen also, wir haben noch viel vor und freuen uns auf unser Publikum.